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THEMA
Zusammenarbeitmit regionalenMigrantenorganisationen
Schulenmüssen Brücken bauen
Wer das Miteinander in der Einwanderungsgesellschaft
gestaltenmöchte, kann das nicht allein aus Perspektive der
Mehrheitsgesellschaft tun. Multikulturelle Zusammenarbeit
ist gefragt – auchundgerade imBildungssektor.
Erst seit einigen Jahren gewinnen Migran-
tenorganisationen in Deutschland immer
mehr an Bedeutung. Die Anfänge der dama-
ligen „Ausländervereine“ liegen bereits in
den 1970er Jahren. Selbst organisierte und
gegründete Vereine, Gemeinden und Initia-
tiven nahmen als Treffpunkte von sozialem,
kulturellem und religiösem Leben für die
Gastarbeiter und ihre Angehörigen eine mul-
tifunktionale Rolle ein. Dort traf man sichmit
gleichgesinnten (Gastarbeiter-)Familien aus
seinem Heimatland, tauschte sich aus oder
konnte sich einfach „heimisch fühlen“. Im Lau-
feder JahrzehnteentwickeltendieVereineeine
immer stärkere inhaltliche Ausdifferenzierung:
AkademikerInnen-, ArbeiterInnen-, Bildungs-,
Eltern-, Kultur-, Sport-, Wirtschaftsvereine und
politische Vereine entstanden. Bis heute exis-
tieren inDeutschland rund16.000Migranten-
organisationen. In einer Vollerhebung konnten
im Jahre 1999 allein für Nordrhein-Westfalen
2.200Organisationen ermittelt werden.
Vermittler auf politischemParkett
Waren es anfangs noch überwiegend
laienhaft geführte Vereine, existieren heute
bundesweit tätige professionelle Migranten-
vereine und (Dach-)Organisationen. Sie neh-
menmittlerweile eineVermittlerrolle zwischen
Politik und der interkulturellen Gesellschaft
ein. Nicht ohne Grund hat Bundeskanzlerin
Angela Merkel 2006 zum ersten Integrati-
onsgipfel auch Migrantenorganisationen ins
Bundeskanzleramt eingeladen, um sie an-
Foto: Giese/Fotolia.com
schließend in die Entwicklung eines Natio-
nalenAktionsplans Integrationeinzubeziehen.
Migrantenorganisationen basieren über-
wiegend auf ehrenamtlichen Strukturen. Ihre
Schwerpunkte – etwa Bildung, Erziehung, Kul-
tur oder Politik – sind ebenso heterogen wie
dieHintergründe undBiografien ihrerMitglie-
der, zu denen ArbeiterInnen ebenso gehören
wie AkademikerInnen. Zunehmend wird in
Integrationsfragen anerkannt, dass die Orga-
nisationen und Netzwerke über spezifisches
Wissen und Kompetenzen verfügen und des-
halb oft besser Brücken bauen können als
nichtmigrantische Einrichtungen.
Berührungsängsteabbauen
Die Politik hat also die Vorteile und die
Relevanz einer Zusammenarbeit mit den
Migrantenorganisationen erkannt. Bildungs-
einrichtungen hinken hier oft noch hinterher:
Zwar gibt es vereinzelte Projekte – zum Bei-
spiel mit Schulen –, aber langfristige Koopera-
tionen sind die Ausnahme. Migrantenorgani-
sationenweiseneineenormegesellschaftliche
Reichweite auf, bieten gute Vernetzungsmög-
lichkeiten für Bildungseinrichtungen und
könnnen eine Vermittlerrolle einnehmen.
Allerdings muss in vielen Bildungseinrich-
tungen ein Umdenken, eine ernst gemeinte
interkulturelleÖffnung stattfinden.
Für eine Zusammenarbeit muss zum Bei-
spiel nicht nur die Komm-, sondern auch
die Geh-Struktur praktiziert werden. Komm-
Struktur bezeichnet in diesem Kontext zum
Beispiel das Einladen von VertreterInnen der
Migrantenorganisation in die Bildungsein-
richtung. Die Geh-Struktur beschreibt den
anderenWeg: VertreterInnen der Bildungsein-
richtungen gehen in die Migrantenorganisa-
tionen. Viele Migrantenorganisationen legen
in ihrer Arbeit großen Wert auf (schulische)
Bildung und wünschen sich eine engere Zu-
sammenarbeitmit denBildungseinrichtungen
vor Ort. Ihnen fehlt es allerdings oft an geeig-
neten und gebündelten Informationen. Was
spricht dagegen, dass Bildungseinrichtungen
Informationsveranstaltungen in regionalen
Migrantenorganisationen durchführen, um
den Verein kennenzulernen und eine Vertrau-
ensbasis aufzubauen? Dass in den Vereinen
Sprachprobleme bestehen und sich deshalb
die Kommunikation schwierig gestaltet, ist
mittlerweile ein längst überholtes Vorurteil.
Kontakteknüpfen
Umso leichter ist es, feste Ansprechpart-
nerInnen innerhalb eines Vereins zu finden,
die bei allen Anliegen rund um Bildung und
Schuleweiterhelfen können. AlsMultiplikator-
Innen können sie wiederum Informationen
schnell und direkt an die Mitglieder weiter-
geben, denn die Kommunikationswege inner-
halbder Vereine sind sehr kurz. Informationen
werden zum Beispiel zentral über eine SMS
an alleMitglieder versendet und sind oft ziel-
führender als zum Beispiel der Postweg oder
eine E-Mail. Ein enormer Vorteil hierbei ist die
Reichweite, denndieVereine sindmittlerweile