leserbriefe
Betr.: nds11/12-2014,
Konflikte entschärfen,
Ursachenüberwinden
BestenDank für denAbdruck
desBeitrags „Konflikteentschär-
fen, Ursachen überwinden“ von
Andreas Zumach. Welche Im-
pulse können beziehungsweise
sollten von der Diagnose und
Analyse des Autors für in Bil-
dungseinrichtungen Tätige aus-
gehen? Vor 25 bis 30 Jahren
war das Thema Frieden in der
Trias „Gerechtigkeit, Friedenund
Bewahrungder Schöpfung (Umweltschutz)“ inSchuleundGesellschaft
– übrigens auch in der GEWNRW – qualitativ und quantitativ stärker
präsent. Die Welt ist 2014 insgesamt nicht friedlicher und gerechter.
Den lebensbedrohlichenKlimawandel zumBeispiel habenwir in2014
deutlicher zu spürenbekommenals inden letzten Jahrzehnten. Es gibt
also viel zu tun! Packenwir es gemeinsam an!
Bernhard Erkelenz
Betr.: nds11/12-2014,MehrUnterstützung
bei Schulzeitverkürzung
Es ist zumHaareraufen: DieGEWNRWmacht jeden Tinnefmit, der
in irgendeinem lichtlosen Kellerraum des Ministeriums zusammenge-
stöpselt wird. Die KollegInnen kommen sich großenteils vor wie Dick
und Doof in der Strafkolonie. Dass viele wegen Überlastung, die im-
mer neue, häufig sinnentleerte Anforderungenmit sich bringen, krank
werden, sei am Rande erwähnt. G8 soll nun also durch „Zehn Emp-
fehlungen“ des Runden Tisches gepimpt werden. Betrachten wir nur
einige davon:
◆◆
„Lernzeiten entwickeln“ heißt nach allem, was ich gesehen habe,
außerAcht zu lassen, dass sich Lernennur sehr unvollkommen (wenn
überhaupt) verfügen lässt. Wenn man außerhalb der Auftragsfor-
schung die Literatur sichtet, wird das schnell deutlich. „Lernzeiten“
sind im Regelfall für die SchülerInnen nichts als eine Stundemehr.
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Eine neue „Anerkennungskultur“ soll etabliert werden: Zu recht wer-
den Anführungszeichen verwendet für die schaumige Beschreibung
der Folgenlosigkeit. Dennwie soll sich eine neue „Anerkennungskul-
tur“ etablieren lassen in nach wie vor zu vollen Klassen, von nach
wie vor amAnschlag arbeitenden LehrerInnen?
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„Bestehende schulinterne Lehrpläne erneut überprüfen“ bedeutet
nicht, dem Kaiser neue Kleider zu verpassen, sondern allenfalls
Flicken auf die alten zu setzen, im Ambiente der Strafkolonie.
Sandhaufen von links nach rechts schaufeln! Fertig? Dann jetzt von
rechts nach links.
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„Gestaltungsmöglichkeiten in der Oberstufe stärker nutzen“: Wie
denn unter dem Eindruck dieses unsäglichen Zentralabiturs?
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„Wirksamkeit der Maßnahmen sichern und evaluieren“: Kriegen die,
die das machen, dafür Entlastung? Oder läuft das so wie bei den
hochgeschätzten Kopfnoten?
Es ist insgesamt bei dieser Sorte Schulpolitik nichts zu sehen, was
den SchülerInnen nutzt und was die KollegInnen in den Stand setzt,
gelassener zu arbeiten. Das aber sollten die beiden Hauptrichtungen
der Arbeit einer Bildungsgewerkschaft sein. „Man kann Schlechtes
verbessern“, schreibt Barbara Kirchner, „ohne das anzutasten, was am
Schlechten schlecht ist. Es wird dann anders schlecht, nicht besser. So
kriegt man, bei bestemGewissen, viel Zeit rum.“ Eben: Manmuss den
Hauptwiderspruch lösen.
Dr. Friedhelm Lischewski
Als betroffener und mittlerweile 45-jähriger Mensch mit einem För-
derbedarf inder körperlichenundmotorischenEntwicklungbin ich froh,
dass zumeiner Schulzeit G8 noch nicht zur Diskussion stand. Für Inklu-
sion ist G8 auch nicht förderlich. Im Gegenteil: G8 ist ein Rückschritt
weg von Inklusion. Dafür steht meine Schulkarriere beispielhaft: Von
Klasse1bis7besuchte ichdas allgemeineSchulsystem. Abder fünften
Klasse erfolgte dieUnterrichtung auf demGymnasium. Kurz nach dem
Erhalt desHalbjahreszeugnissesder siebtenKlasseerlitt icheine schwe-
re Hirnverletzung nach einem Straßenverkehrsunfall. Diese hatte zur
Folge, dass dieweitere Beschulung im Förderschulsystem stattfand. An
einer Schulemit dem sonderpädagogischemFörderschwerpunkt für kör-
perliche undmotorische Entwicklungwurde ich lediglich in der Fremd-
sprache Englisch unterrichtet – und das war für mich, der ich vor dem
hirntraumatischen Ereignis ein halbes Jahr in der lateinischen Sprache
unterrichtet wurde, ein grundlegendes Problem an der Förderschule.
Für den Sprung in die gymnasiale Oberstufe, die einen Schulwechsel
bedingte, reichte diese Fremdsprachenkenntnis nicht aus. Der Wechsel
von der Sekundarstufe I in die gymnasiale Oberstufe war ein harter
Schritt, der bei einem zweijährigen Oberstufenbesuch mit an Sicher-
heit grenzender Wahrscheinlichkeit gescheitert wäre. Für mich bleibt
im Ergebnis festzuhalten, dass Inklusion in der gymnasialen Oberstufe
nur erfolgreich sein kann, wenn wir wieder zu G9 zurückkehren. Nur
so könnenwir die förderpädagogischen, didaktischen Prinzipien – zum
Beispiel dieAufteilungdes Stoffes in kleinereSchritte –praktizieren. Für
das System Förderschule empfinde ichG8 diskriminierend.
Dr. CarstenRensinghoff
Betr.: nds11/12-2014, Bildungals Schlüssel
für sozialeGerechtigkeit
Die berechtigte Forderung der GEW NRW für die Gelingensbedin-
gungen für inklusive Klassen – 20 SchülerInnen, davon fünf Schüle-
rInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf und einer ständigen
Doppelbesetzung – ist nie erfüllt und durch das 9. Schulrechtsände-
rungsgesetz (SchrÄG) ad absurdum geführt worden. Wo bleibt der Auf-
schrei meiner Gewerkschaft, dass Inklusion entsprechende personelle,
räumliche und sächliche Voraussetzungen braucht? Viele meiner Kol-
legInnen, die unter schlechteren Bedingungen gemeinsam Unterricht
qualifiziert ermöglicht haben, schauen nun mit großen Sorgen in die
Zukunft. Der Kompromiss zwischen Land und Kommunen ist keine
Lösung, sondern eine formelle Deckelung von Mitteln für die Kinder
und Jugendlichen mit Förderbedarf auf 4,2 Prozent! Wieso sind hier
die Zahlen von vor drei Jahren zugrunde gelegt worden und nicht der
heutigeDurchschnittswert von rund sieben Prozent?Wiesowurden die
Verfahren der Ausbildungsordnung Sonderpädagogische Förderung
NRW so stark eingeschränkt, dass man schon heute von „wilder Inklu-
sion“ redet? Wieso liegen die Abbruchquoten von „nachgebildeten“
SonderschulkollegInnen nach der Verordnung zur berufsbegleitenden
Ausbildung zum Erwerb des Lehramts für sonderpädagogische Förde-
rung schon bei 30 Prozent inklusive der nichtbestandenenAbschlüsse?
Dieser Fragenkatalog ließe sich um viele Aspekte erweitern und lässt
beimir nur das Fazit über: Das 9. SchrÄG ist leider nur schräg – schade!
Dieter Gerdes
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nds 1-2015