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bildung
DGBNRW fordert Umlagefinanzierung inder beruflichenBildung
Keine Ausredenmehr!
Der DGB NRW hat gemeinsammit demDGB-Bundesvorstand ein Rechtsgut-
achten in Auftrag gegeben, das die rechtliche Zulässigkeit einer Umlage-
finanzierung inder beruflichenBildungauf Landesebeneüberprüfen soll. Und
warum?Ganz einfach: EinBlick indie Statistikender Arbeitsagenturenmacht
deutlich, dassNordrhein-Westfalen voneiner Ausbildungsgarantiemeilenweit
entfernt ist.
Von einem auswahlfähigen Angebot an
AusbildungsplätzenkannkeineRede sein–das
Bundesverfassungsgericht spricht von 112,5
Stellen auf 100 BewerberInnen. Bereits 2011
wurde das neue Übergangssystem beschlos-
sen, das Warteschleifen vermeiden und den
direkten Einstieg in Ausbildung garantieren
soll. Die Entwicklung geht aber in eine andere
Richtung. Die Zahl der abgeschlossenen Aus-
bildungsverträge sinkt kontinuierlich. Der An-
teil der unversorgtenBewerberInnen steigt an.
MehrAuszubildende imBaugewerbe
und inder Pflege
2014 blieben wieder knapp 24.000
Jugendliche ohne ein adäquates Angebot.
Die Dunkelziffer unversorgter Jugendlicher
ist noch erheblich höher. DieMisere am Lehr-
stellenmarkt lässt sichnur beheben, wenndas
Angebot an betrieblichen Ausbildungsplät-
zen deutlich ausgeweitet wird. Die Erfahrung
zeigt: Über freiwillige Vereinbarungen allein
ist das Ziel nicht zu erreichen. Erfreulicherwei-
se gibt es Branchen und Berufe, die belegen,
wie es gehen kann.
Mit Einführung des Umlageverfahrens ist
die Zahl der Auszubildenden in der Pflege
innerhalb von zwei Jahren von 10.000 auf
rund 14.500 Personen gestiegen. Auch im
Bauhauptgewerbe mit einer tariflichen Umla-
ge ist die Ausbildungsquote doppelt so hoch
wie im Durchschnitt aller anderen Branchen.
Internationale Beispiele, wie in der Berufsaus-
bildung inDänemark, weisen in eine ähnliche
Richtung.
DGBNRW: Ausbildungsumlage
gesetzlich einführen!, Material-
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Ausbildungsumlage rechtlichmöglich
Im Koalitionsvertrag von Rot-Grün in Nord-
rhein-Westfalenhaben sichdieRegierungsfrak-
tionen dafür ausgesprochen, die Einführung
einer regionalen Umlage zu prüfen, wenn das
Angebot anLehrstellennicht ausreicht. Ausge-
rechnet aus dem Arbeitsministerium wurden
erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken
gegen die Einführung einer Umlagefinanzie-
rung angemeldet. Ein Totschlagargument, das
es zu überprüfen galt. Das vomDGB NRW in
Auftrag gegebene Gutachten von Professor
Dr. BodoPierothundDr. TristanBarczak zeigt:
Eine Ausbildungsumlage ist auf Landesebene
rechtlichmöglich.
Rechtstechnisch handelt es sich bei der
Umlage um eine Sonderabgabe. Nachdemdie
Versuche, auf Bundesebene eine Berufsaus-
bildungsplatzabgabe gesetzlich zu verankern,
gescheitert sind, ist in kompetenzrechtlicher
Hinsicht der Weg für eine entsprechende Son-
derabgabe kraft Landesrechts frei. Freiwillige
Vereinbarungen wie Ausbildungspakte sind
kein absichtsvoller Regelungsverzicht, sodass
dieSperrwirkunggegenüber der Ländergesetz-
gebung nicht ausgelöst worden ist.
Umlage ist Sonderabgabe
DieVorgabender Finanzverfassung sindbei
der Einführung zu beachten: DieAusbildungs-
platzabgabe erfüllt die Voraussetzungen einer
Sonderabgabe, weil sie von einer homogenen
Gruppe – den Arbeitgebern – aufzubringen
ist und dieser zugutekommt. Das unterschei-
det die Sonderabgabe von einer Steuer.
NorbertWichmann
Abteilungsleiter für Bildung,
berufliche Bildung undHandwerk
beimDGB -BezirkNRW
Die Gesetzesausführung sollte einem Lan-
desinstitut oder Landesamt übertragen wer-
den. Eine Delegation der Durchführung der
Abgabenerhebung an die berufsständischen
Kammern auf landesrechtlicher Grundlage ist
problematisch. Die Ausbildungsplatzabgabe
kann EU-rechtskonform ausgestaltet werden.
Wirtschaftmuss liefern
Im Rahmen einer Veranstaltung des DGB
NRW wurde das Gutachten allen relevanten
Akteuren der beruflichen Bildung präsentiert.
Das Land bemüht sich offensichtlich nicht
mehr darum, den rechtlichen Gehalt des
Gutachtens infrage zu stellen. Bei der letzten
Spitzenrunde im Ausbildungskonsens wurde
das Thema intensiv diskutiert. Insbesondere
die Wirtschaft behauptet, dass freiwillige Re-
gelungen besser wirken als ein umlagefinan-
ziertes System. Nun endlichwill die Politik die
Wirtschaft beim Wort nehmen und fordert
konkrete Zielvereinbarungen mit messbaren
Zahlen.
Vor allem Ministerpräsidentin Hannelore
Kraft ist erkennbar entschlossen, dieAusreden
der vergangenen Jahre nicht mehr zu akzep-
tieren. Ein erstes Spitzentreffen im Dezember
2014 hatten die Arbeitgebervertreter abge-
sagt. Jetzt wird es ernst: Wenn dieWirtschaft
nicht liefert, steht die Umlage wieder auf der
Tagesordnung.
NorbertWichmann
Foto: suze/photocase.de