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Inklusion inder Sekundarstufe I und II
Gemeinsam lernen amGymnasium
Gymnasium und Inklusion? Selbst wenn wie in Pulheim bei Köln 55 Prozent
der Grundschulkinder ansGymnasiumwechseln, ist es doch eine Schulform, die
darauf beruht, dass „nicht geeignete“ SchülerInnen nicht aufgenommen wer-
den müssen. Sollen etwa die ständigen StörerInnen mit dem Etikett „emotio-
naler und sozialer Förderbedarf“ oder gar LernbehinderteaufsGymnasium?Am
Geschwister-Scholl-Gymnasium in Pulheim ist dasmöglich, zunächst in je einer
Lerngruppe im fünftenund sechsten Schuljahr.
Insgesamt zehn Kinder mit sonderpädago-
gischem Förderbedarf besuchendasGeschwis-
ter-Scholl-Gymnasium, die Hälfte von ihnen
mit dem Förderschwerpunkt Lernen – also
Kinder, die selbst an einer Hauptschule als
leistungsschwach gelten würden. Noch steht
das Pulheimer Gymnasium damit alleine da,
zumindest im Regierungsbezirk Köln. Im Re-
gierungsbezirk Arnsberg dagegen sind es
schon gut 40Gymnasien, im Bereich der Düs-
seldorfer Bezirksregierunghaben sichüber 25
Schulen dem gemeinsamen Lernen geöffnet.
SonderpädagogInnenund
Zusatzstundengesichert
Dort, wo Gymnasien um jede Schülerin
und jeden Schüler kämpfen müssen, um ihre
Existenz zu sichern, sind sie auch bereit, sich
auf das Experiment Inklusion einzulassen.
In Pulheim kamen nun Ende Oktober 2014
rund 120 SchulleiterInnen, LehrerInnen und
KommunalvertreterInnen aus ganz Nordrhein-
Westfalen zusammen, um sich über Inklusion
am Gymnasium zu informieren. Eingeladen
hatte das Bündnis „Länger gemeinsam Ler-
nen“. Andreas Meyer-Lauber, Vorsitzender des
DGBNRW, begrüßte indessenNamendieTeil-
nehmerInnen.
Der Pulheimer Schulleiter Andreas Niessen
erläuterte sein Modell. Mit ihrer Entschei-
dung vor zwei Jahren konnte seine Schule
von den damals noch günstigeren Bedin-
gungen des alten Modells des gemeinsamen
Unterrichts profitieren, wie sie in der Ver-
gangenheit für Gesamtschulen galten. Die
Schule erhielt nicht nur zusätzliche Stellen für
SonderpädagogInnen, sondern auch Zusatz-
Foto: stockphoto-graf/fotolia.com
Karl-HeinzHeinemann
Freier Journalist
stunden für die Regellehrkräfte. „So konnten
wir für fast alle Stunden eine Doppelbeset-
zung mit Lehrkräften realisieren“, erklärt
Schulleiter Andreas Niessen. Heute sehen die
Bedingungen für den „inklusiven Unterricht“
schon schlechter aus.
Inklusion richtigumsetzen
Die Gemeinde Pulheim ist klein, eine der
beiden Realschulen schließt demnächst. Wie
könnten da die InklusionsschülerInnen ver-
teilt werden, wenn sich das Gymnasium ver-
schließt? Es wäre naiv zu übersehen, dass der
Druck der Verhältnisse dem Pulheimer Gymna-
siumauf dengewagtenSprung indie Inklusion
geholfen hat. Aber bei diesem Sprung werden
einige gymnasiale Glaubenssätze infrage
gestellt.
Mit einer heterogenen Schülerschaft habe
man es am Gymnasium ja nicht erst seit der
Inklusion zu tun, meint Schulleiter Andreas
Niessen. Aber nun bekommt das eine sehr
handfeste Bedeutung. Die Lehrkräfte müs-
sen lernzieldifferent unterrichten, sich also
mit Lehrplänen für Haupt- und Förderschulen
vertraut machen. Wie arbeitet man mit ganz
unterschiedlichen Aufgabenstellungen in ei-
ner Unterrichtsstunde? Wie geht manmit den
Bewertungen um? Was geht zusammen, was
nicht? In Mathematik – klar, da braucht man
zwei Lehrkräfte. Aber beimSportunterricht?Da
können siedochetwas zusammenmachen. Ge-
nau falsch, stellte sich heraus: InMathematik
könnendie SchülerInnen an ihrenunterschied-
lichen Aufgaben arbeiten, aber in Sport bra-
chen die Konflikte auf, da ging es drunter und
drüber.
KeinWiderspruch
Schwierigerwirdes indenhöherenKlassen,
wenn auf unterschiedliche Abschlüsse hin-
gearbeitet werden muss und die Förderschü-
lerInnen Arbeitslehre brauchen. Gymnasium
und Schule des gemeinsamen Lernens – das
scheint erst einmal ein Widerspruch zu sein.
Das Gymnasium wird sich verändern, wenn
darinSchülerInnenmitganzunterschiedlichen
Profilen und Lehrplänen zusammen lernen, in-
dem Fächer von Arbeitslehre bis Philosophie,
von Hauswirtschaft bis dritte Fremdsprache
angeboten werden. Die Gymnasien werden
sich verändernmüssen, damit auchdort Inklu-
sion gelingt!
Karl-HeinzHeinemann
Bündnis „Länger gemeinsam
Lernen“
Gemeinsam lernen amGeschwis-
ter-Scholl-Gymnasium Pulheim
Inklusion amGymnasiumAlfred
Krupp Schule in Essen
MSW: Fachtagungdes „Bünd-
nisses länger gemeinsam lernen“
Dr. Saskia Erbring: Inklusion – ge-
meinsam Lernen amGymnasium
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