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Ein grauer Dezembermorgen, es regnet in
Strömen. Der Schulhof der StädtischenMaria-
Montessori-Gesamtschule liegt im Nebel. Von
der ungemütlichen Stimmung draußen ist im
Innerender Schulenichts zu spüren. Es ist Pau-
se. Durch die Flure schallt Stimmengewirr, es
wimmelt vonKindernund Jugendlichen. Auch
vor dem Raum von Schulsozialarbeiterin Son-
ja Kiehl ist einiges los. Seit die 46-Jährige vor
sechs Jahren an die Schule kam, ist sie eine
begehrte Anlaufstelle für SchülerInnen, Leh-
rerInnen und auch für Eltern. Selten, dass es
nicht an die Tür des Büros, das zentral gegen-
über vom Lehrerzimmer liegt, klopft.
EinganznormalerMorgen
Der Tagder Schulsozialarbeiterin startetum
7.30Uhr. Nachdem siedieNachhilfebörse auf
den neusten Stand gebracht hat, kommen ein
Mädchen aus der Siebten zum Einzelgespräch
und eine Schülergruppe, mit der Sonja Kiehl
am Thema Streitschlichtung arbeitet. Jetzt, in
der Pause, klopft es wieder in schöner Regel-
mäßigkeit: Eine 13-jährige Schülerin möchte
einen Termin für einGespräch, zuHause läuft
es gerade nicht rund. Der Oberstufenschüler
und sein Freund sind so im Lernstress für das
Abi, dass sie kaum noch zur Ruhe kommen.
Ob Sonja Kiehl mit ihnen eine Entspannungs-
stunde machen kann? Ein Lehrer steckt den
Kopf durch die Tür. Er macht sich Sorgen um
einen Schüler, der zum wiederholten Male
nichtmit zu einemAusflug kommt. Ob siemal
nachforschen könne?
Die Pause ist vorbei, es wird leise auf den
Gängen. Ein kurzer Moment zum Luft holen,
danngeht esweiter: „Gleich kommt einEltern-
paar, um sichüber dasBildungs- undTeilhabe-
paket zu informieren. So kann sichergestellt
Herausforderung Schulsozialarbeit
OhneNetzwerk geht es nicht
Chancengleichheit, Leistungsdruck, persönliche Probleme oder Angebote für
denGanztag – die Themen, mit denen sich SchulsozialarbeiterInnen tagtäglich
auseinandersetzen, sind breit gestreut. Wie prall gefüllt ihr Alltag ist, zeigt der
Besuchbei SozialpädagoginSonjaKiehl aneinerGanztagsschule inMeerbusch.
werden, dass ihr Kind zum Beispiel am ge-
meinsamenMittagessen teilnehmen kann. An-
schließend steht noch ein Hilfeplangespräch
mit dem Jugendamt, dem Schüler samt Eltern
unddemBeratungsteaman“, sagt SonjaKiehl.
„Alles in allem ein ganz normalerMorgen.“
TausendSchülerInnen, tausendAufgaben
Es sind nur Auszüge aus dem immensen
Aufgabenbereich der Schulsozialarbeiterin: So
unterstützt sie beispielsweise die LehrerInnen
bei Projekten zu Sexualpädagogik, Identität
oder zumThemaNeueMedien.Hinzukommen
die Theater-AG, die sie gemeinsam mit einer
Theaterpädagogin anbietet, oder die Tutoren-
ausbildung der NeuntklässlerInnen, die sich
im darauffolgenden Schuljahr um die neuen
FünftklässlerInnen kümmern. „Dabei mache
ichnochnichtmal alles, was ichgernemachen
würde“, verrät Sonja Kiehl. „Der Faktor Zeit ist
das Problem: Leider reicht meine 32-Stunden-
Woche nicht für all die Dinge, die eigentlich
anstehenwürden, und ichmuss oft Prioritäten
setzen.“
Rund 1.000 SchülerInnen besuchen die
Maria-Montessori-Gesamtschule. Jede und je-
der von ihnen kannmit ganz persönlichenKon-
flikten auf die Schulsozialarbeiterin zugehen:
„Wennmanbedenkt, dass alleSchuleneinAb-
bild der Gesellschaft sind, wird schnell deut-
lich, dass auch alle belastenden Lebenssitua-
tionen in die Schule getragenwerden. Es gibt
viel zu tun –unabhängigdavon, ob es sichum
eineBrennpunktschulehandelt oder nicht. Ich
wünschemir oft einenweiterenMitstreiter an
der Seite. Ambestenwärenatürlich einmänn-
licher Schulsozialarbeiter. Denn wir stehen
hier zumBeispiel vor dem Problem, dass Jungs
ab einem gewissen Alter mit bestimmten Din-
gen nicht mehr zu mir kommen. Gemeinsam
könntenwir nochmehr auf dieBedürfnisseder
Kinder und Jugendlichen eingehen.“
Kontaktaufnahme leicht gemacht
EsgehtaufdieMittagspause zu. SonjaKiehl
macht sich auf denWeg zum Pausenhof. „Mit-
tags wartet auf unsere SchülerInnen ein bunt
gemischtes offenes Angebot – von Basteln
über dieTeestubebishin zumSportprogramm.
Zahlreiche Eltern und LehrerInnen engagieren
sich in diesem Bereich“, sagt sie. Eines der
Angebote, die Spieleausleihe, wird von Sonja
Kiehl geleitet. Dort können sich SchülerInnen
imAustausch gegen ihren Schülerausweis Bäl-
le, Tore, Stelzen und anderes ausleihen.
Verantwortet wird die Spieleausleihe von
insgesamt 19 SchülerInnen – einem bunten
Mix aus den Klassen 7 bis 10, Jungen und
Mädchen, IntegrativschülerIn oder nicht. „Ich
bindamehr imHintergrund, dieAusleihewird
von den Kindern eigenverantwortlich organi-
siert. Sie haben auch die geltenden Regeln
selbst erarbeitet: Wenn mal etwas nicht so
läuft wie es soll, wird eine Teamsitzung ein-
berufen“, erklärt die Sozialpädagogin, der die
Spieleausleihe sehr amHerzen liegt. „Zum ei-
nenhabendieSchülerInneneinegemeinsame
Aufgabe und sind stolz, dass sie das alles al-
lein regeln. Zumanderen ist es ein sehr harmo-
nisches Miteinander in der Gruppe – für mein
Empfinden ist das gelebte Inklusion pur. Und
Kinder, die sich vielleicht nicht trauen, einen
Termin mit mir zu vereinbaren, wissen, dass
sie mich bei der Spieleausleihe finden. So ist
schonmancher Kontakt entstanden.“
Hand inHand für eineguteSchulkultur
Trotz ihres Pensums sprüht Sonja Kiehl vor
Energie und Herzblut für ihre SchülerInnen.
„Ich mache meinen Job wirklich von Herzen
gern. Und ich habe hier an der Schule sehr
guteBedingungen: DieBasismeiner Arbeit ist
ein gut funktionierendes Netzwerk mit vielen
26
Arbeitsplatz
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