Mehrsprachigkeit inder Schule
Wenn SpracheWelten schafft
EinRaum voller gespannter ZuhörerInnen, eineBühneundneunmehrsprachige
SchülerInnen. Siealledenken, sprechenund schreiben inmehralseiner Sprache.
Es ist der Tag, andem sieeinbesonderesProjekt präsentieren: ihreGeschichten,
aufgeschrieben in einemgemeinsamenBuch.
Autorin Nergis berichtet, dass sie durch das
Projekt Schreibängste abbauen konnte: „Ich
habe mich beim Schreiben selbstbewusster
als in der Schule gefühlt.“
Das entstandene
Buch enthält vier Erzählungen, die zu einem
Romanverschmelzen.Geschichtenübergreifend
begegnen sichdieFigurenunddieHandlungs-
stränge sindmiteinander verwoben. Finanziell
wurde die Veröffentlichung von „Wir erwach-
sen“ durch das Projekt „ProDaZ – Deutsch als
Zweitsprache inallen Fächern“ der Universität
Duisburg-Essen ermöglicht.
Für die SchülerInnen war das Projekt mo-
tivierend und ermutigte sie zum kreativen
Schreiben. „Wenn ich schreibe, mache ich das
jetzt ganz anders als vorher – auch wenn ich
in der Schule Analysen oder Sachtexte schrei-
ben muss. Die StudentInnen, mit denen wir
zusammengearbeitethaben, habenuns sehr bei
unseren Schreibproblemengeholfen, bei Formu-
lierungen zumBeispiel. Das hat sich positiv auf
meinen Wortschatz ausgewirkt“, erzählt Eren.
„Und ich habe jetzt sehr viel Spaß daran, mir
Geschichten auszudenken. Das hatte ich vorher
nochnie gemacht. Nachdem Projekt habenwir
in der Schule eine Geschichte geschrieben und
verfilmt. Da ist es mir viel leichter gefallen, mir
eineHandlung auszudenken.“
Mehrsprachigkeit alsGewinnbegreifen
Mehrsprachige SchülerInnen wie die aus
dem Projekt „Wir erwachsen“ sind Teil der De-
batte um sprachliche Bildung als Bildungser-
folg. Sprachliche Bildungmeint hier vor allem
die Sprachkompetenzen von SchülerInnen in
der Unterrichtsprache Deutsch. Welche Rolle
dabei dieHerkunftssprachender SchülerInnen
spielen, wird immer noch kontrovers disku-
tiert: Ist die sprachliche Bildung in allen „mit-
gebrachten“ SpracheneineRessourceoder ein
Hindernis für den Erwerb der Unterrichtsspra-
che Deutsch? Sollte Schule die Vielfalt von
Sprachen und Kulturen integrieren und zu
einem Bestandteil des curricularen Rahmens
erklären oder sollte sie sich ausschließlich auf
die Förderung des Deutschen konzentrieren?
ZumWeiterlesen
NilsWald, Rahel Blase, Stephanie Keunecke,
Ina Lammers (Hrsg.)
Wir erwachsen:
Geschichten von Jugendlichen
Monsenstein undVannerdat,
2014
91 Seiten
ISBN: 978-3956453762
8,30 Euro
Erhältlich imBuchhandel oder im Institut fürDeutsch
als Fremdsprache der Universität Duisburg-Essen bei
SapnaArora, E-Mail:
ImRahmeneines Seminars begleitetenund
unterstützten zwölf Studierende ein Semester
lang die SchülerInnen aus dem Förderunter-
richt der Universität Duisburg-Essen in ihrem
Schreibprozess. Entstanden sind Geschichten,
die authentisch und unverfälscht aus dem
Leben der AutorInnen erzählen: das erste
Verliebtsein, der erste Kuss, die erste Enttäu-
schung, aber auch die erste Trauer. Geschich-
ten aus demwahren Leben.
Schreibängsteabbauen,
Wortschatz erweitern
Die Studierenden wurden zu Beginn des
Seminars sprachdidaktisch auf die gemein-
sameArbeitmit den SchülerInnen vorbereitet.
Hierbei stand im Zentrum die Frage, wie ein
kreatives Textprodukt gemeinsam entstehen
kann. Das Buchprojekt „Wir erwachsen“ war
das Resultat. „Es war sehr motivierend zu se-
hen, wie sich aus den einzelnen Charakteren
im Laufe der Zeit tatsächliche Geschichten
entwickelt haben“, erinnert sichStudentinund
Mitherausgeberin Rahel Blase. „Am Anfang
konnte ich mir das gar nicht richtig vorstel-
len.“ Das unter der Leitung von Ina Lammers
und GülsahMavruk stehende Projekt gründe-
te auf einem Peer-Konzept und ermöglichte
das Schreiben auf Augenhöhe. Die 16-jährige
Foto: FikMik/ istock.com