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Lediglich um die URL einer Internetseite auf-
zuschreiben, greift André Spang zur Kreide. In
der Doppelstunde im Klassenraum der 6d der
Kaiserin-Augusta-Schule (KAS) bleibt die grüne
Fläche heute fast unberührt. Der Religionsleh-
rer erklärt die nächste Aufgabe über sein Tablet:
„Sucht euch berühmte Personen heraus, die sich
in die Geschichte eingemischt haben.“ Mit dem
Beamer projiziert er das synchronisierte Bild an
die Wand und erklärt, wie die SchülerInnen vor-
gehen sollen, was sie beachten müssen.
„Vor einigen Jahren haben wir solche Aufga-
ben noch im Computerraum erledigt“, sagt er.
Da gab es 35 Arbeitsplätze für 1.000 Schüle-
rInnen. Im nächsten Atemzug ergänzt er: „Das
war nicht gut.“ Nicht nur, dass die Klasse erst
nach zehn Minuten anfangen konnte zu arbei-
ten, auch der Frontalunterricht gehöre zu den
Dingen, die er nicht schätze. Seit die Schüle-
rInnen mit den Tablets arbeiten, gebe es keine
Startprobleme. „Sie können sofort anfangen
und sind flexibel.“
Eigene Ideen entwickeln
André Spang benutzt die Tablets gerne im
Unterricht. Er glaubt, dass das die Zukunft sein
wird. „In 30 Jahren wird wahrscheinlich keiner
mehr in ein Heft schreiben“, prophezeit er. Das
sei in der Menschheitsgeschichte einfach so ge-
wesen. „Die Gesellschaft hat immer ein moder-
nes Leitmedium angenommen. Damals wurde
ja auch nicht gefragt: Meißeln wir nicht mehr?“
Papier braucht an diesem Montagmorgen
keiner in der Klasse. Während André Spang
noch die Aufgabe erklärt, wandern die Blicke
der Kindern schon zu den flachen Tablets, die
auf dem Pult und in einer blauen Kiste liegen.
Es sind 20 Stück – für jede Schülerin und jeden
Schüler in der Klasse ein eigenes. „Ihr könnt ein
Interview machen, eine Reportage schreiben
oder ein Video schneiden. Da müsst ihr einfach
kreativ sein“, schlägt der Religionslehrer seinen
SchülerInnen vor und zweifelt keinen Moment
daran, dass die Elf- bis Zwölfjährigen damit Pro-
bleme haben könnten. Er ergänzt: „Am liebsten
sind mir eure eigenen Ideen.“
Vertrauen in die Vernunft
Johanna, Leonie und Corinna hatten sich
schon vorher Gedanken gemacht, über wen
sie schreiben möchten. Die pakistanische
Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai soll
einen Eintrag im schuleigenen KAS-Wiki er-
halten. „Sie kommt häufig in den Nachrichten
vor und ihre Geschichte interessiert uns“, er-
klärt die elfjährige Johanna. Doch bevor sie
anfangen können, müssen sie erst recherchie-
ren. „Wir suchen im Internet nach Seiten, auf
denen was über sie steht und die lesen wir
uns durch“, sagt Leonie.
Das KAS-Wiki ist die Plattform der Schule
zum gemeinschaftlichen Lernen, Lehren und
Nachdenken. Alle Klassen arbeiten in allen
Fächern daran mit und stellen ihre Ergebnisse
im Netz zur Verfügung. In Sport werden Be-
wegungsabläufe gefilmt, eine Französischklas-
se hat einen Stadtführer für Köln erstellt. In
Zukunft wird auch der Eintrag von Johanna,
Leonie und Corinna über Malala Yousafzai
online abrufbar sein – nicht nur für ihre Mit-
schülerInnen, sondern für alle Internetnutzer
weltweit. Ein Punkt für die Kritiker, meint
André Spang.
Die SchülerInnen sind ohne Einschränkungen
mit dem Internet verbunden. Sie könnten theo-
retisch schreiben, was sie wollen und sei es „die
Kölner sind alle Idioten“. Sorgen macht sich
André Spang darüber aber nicht. Erstens, weil
die SchülerInnen unter ihrem eigenen Namen
schreiben und jeglicher Missbrauch auf sie zu-
rückführt. Der zweite Grund ist weit rationaler:
„Wir sollten den SchülerInnen auch das Ver-
trauen schenken, dass wir glauben, dass sie
sinnvoll mit den Inhalten und Möglichkeiten
umgehen“, sagt der Lehrer.
Tablets im Unterrichtseinsatz
Stift und Papier waren gestern
Die Tafel an der Wand wirkt wie ein Relikt aus alten Tagen. Religionslehrer
André Spang beachtet sie kaum, die SchülerInnen schauen über sie hinweg auf
die Beamerprojektion. Stift und Papier benutzen die SchülerInnen des Kaiserin-
Augusta-Gymnasiums in Köln nur noch selten. Stattdessen erleben sie Unter-
richt mit Tablet-Computern. Was als Projekt anfing, ist inzwischen fester Be-
standteil der Schule geworden. Lehrer André Spang sieht darin die Zukunft des
Lernens. Ein Blick in seinen Religionsunterricht zeigt, was er damit meint.
Die Tablets sind bei den SchülerInnen heiß begehrt.
Interview, Reportage oder einfacher Bericht – die SchülerInnen sollen kreative Ideen entwickeln.
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