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bildung
Paket Bildung und Teilhabe vor dem Aus
Schule braucht Sozialarbeit
Nach langer Diskussion über die Höhe der
Hartz-IV-Sätze hat die Regierung im Bundestag
2011 beschlossen, Mittel zur Verbesserung der
Bildungssituation von Kindern und Jugend-
lichen aus sozial benachteiligten Familien be-
reitzustellen. Das Bildungspaket Bildung und
Teilhabe (BuT) wurde auf den Weg gebracht.
Schulsozialarbeit mitfinanzieren!
Das Geld sollte nicht direkt an die Familien
gehen, sondern von ihnen zweckgebunden be-
antragt werden – zum Beispiel für Mittagessen
im Ganztagsbetrieb, Klassenfahrten, Lernmit-
tel, Musik- und Kunstkurse sowie Sportvereine.
Viele Fachleute aus Jugendhilfe und Schu-
le gaben von Beginn an zu bedenken, dass
dieses Verfahren mit relativ aufwendigen
schriftlichen Anträgen für einen Großteil der
Betroffenen nicht zielführend sein würde.
2012 wurde nachgebessert und über die Ju-
gendämter sowie Träger der Gemeinden Sozi-
alarbeiterInnen an Schulen eingestellt. Deren
Aufgabe sollte es sein, die Ziele von „Bildung
und Teilhabe“ umzusetzen. Dieses Programm
war bis Ende 2013 befristet. Für NRW stellte
der Bund jährlich rund 100 Millionen Euro zur
Verfügung, damit konnten bis zu 1.600 Schul-
sozialarbeiterInnen finanziert werden.
Bildungsferne gefährdet Schulerfolg
Oberhausen hat die Wichtigkeit der Schul-
sozialarbeit früh erkannt: Die Stadt hat vor
15 Jahren trotz der finanziellen Enge begon-
nen, einen Großteil der Schulen mit Sozialar-
beiterInnen zu unterstützen. Alle Haupt- und
Förderschulen sowie einige Grundschulen
erhielten Kräfte, die über Träger angestellt
wurden. Die Möglichkeiten, über BuT weitere
Kräfte einzusetzen, wurden schnell genutzt
und dabei vor allem Grundschulen mit sozial
schwierigem Einzug bedacht.
Sozialarbeiter Florian Schnapka: „Viele Eltern unserer
Kinder sind mit den Anträgen für BuT völlig überfor-
dert. Sie brauchen Hilfe und Beratung, aber das Wich-
tigste ist die tägliche Arbeit mit den Kindern.“
Hunderte SchulsozialarbeiterInnen in NRW haben allen Grund, sich betrogen zu
fühlen: Der Bund hat die Finanzierung der Schulsozialarbeit Ende 2013 auslau-
fen lassen. Die Länder und Kommunen sehen in ihren Haushalten keine Fortset-
zung vor. Wird ein Finanzierungsstreit zwischen den Ebenen auf dem Rücken der
SozialarbeiterInnen ausgetragen?
Claudia Amann ist Schulleiterin der Grund-
schule Concordiaschule und weiß: „Achtzig
Prozent unserer Kinder kommen aus Familien,
die von staatlichen Zuwendungen leben. Die
häuslichen Probleme und die Bildungsferne
gefährden den schulischen Erfolg der Kinder.“
Die Aufstockung der halben städtischen Stelle
durch BuT war daher sehr willkommen. Florian
Schnapka ist Teil des BuT-Projekts und wurde
über die Arbeiterwohlfahrt (AWO) angestellt.
Seine Erfahrung zeigt: „Ein großer Teil der El-
tern kann Deutsch weder lesen noch schreiben.
Die Mittel aus BuT würden sie nie erreichen,
wenn da nicht intensiv geholfen und beraten
würde.“ „Wie andere Grundschulen haben wir
nur zeitweise Sekretariatsstunden und auch
die KollegInnen haben keine Zeit, sich um
die Anträge des Teilhabepakets zu kümmern“,
ergänzt Claudia Amann. Florian Schnapkas
Arbeit kommt, neben der Unterstützung von
Eltern bei der Antragstellung, vor allem di-
rekt den Kindern zugute. „Mit den Kindern zu
sprechen, sie unter Umständen von zu Hause
abzuholen, ihr Lernverhalten zu fördern, das ist
hier die wichtigste Aufgabe und könnte noch
mehr Zeit vertragen.“ Sein Vertrag wird erst
einmal über die Stadt verlängert. Die Restmit-
tel aus BuT werden für andere Grundschulen
mit schwierigem Umfeld verwendet.
Bund und Länder verweigern Mittel
Die Befristung des Pakets ist ein essenzielles
Problem, zu dem sich NRW-Ministerpräsidentin
Hannelore Kraft im Mai 2013 vor dem Bun-
desrat äußerte: „Schulsozialarbeit ist ein voller
Erfolg. Der Einsatz dieser Fachleute (...) erhöht
die Chancen und Möglichkeiten auf Teilhabe
(...). Diese Strukturen dürfen nicht wegbrechen.
Die Schulsozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter
brauchen jetzt klare Perspektiven.“ NRW-Arbeits-
minister Guntram Schneider ergänzte: „Das ist
eine klare Ansage an die Bundesregierung, ihre
unsolidarische Haltung zu ändern (...). Bundes-
arbeitsministerin von der Leyen kann sich nicht
länger wegducken, sondern sie muss (...) die not-
wendigen Mittel zur Verfügung stellen.“
Mit dieser Haltung der NRW-Regierung im
Hinterkopf haben die KollegInnen den Koali-
tionsvertrag der neuen Bundesregierung stu-
diert und wurden dann enttäuscht. Von einer
Fortführung des Projektes ist nirgendwo die
Rede und auch in den ersten Wochen des Jah-
res gibt es aus Berlin kein Wort dazu, die neue
Arbeitsministerin Andrea Nahles schweigt –
wie vorher schon Ursula von der Leyen.
Sozialarbeiterin Melanie Wienzek: „Wir haben nicht nur
ein gutes Streitschlichterteam aufgebaut, sondern auch
tolle Ferienfreizeiten organisiert.“
Fotos: B. Butzke