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thema
Familienministerin Ute Schäfer im Interview
Qualitätsoffensive für die Kita
nds: Viele Experten werfen Ihnen vor, beim
U3-Ausbau mehr Masse statt Klasse pro-
duziert zu haben. Was sagen Sie zu diesem
Vorwurf?
Ute Schäfer:
Die Landesregierung hat
seit 2010 die frühkindliche Bildung zu einem
Schwerpunkt gemacht und sowohl in Quanti-
tät als auch in Qualität investiert. Zunächst
mussten wir mit den Versäumnissen der Vor-
gängerregierung aufräumen und erhebliche
Landesmittel für den U3-Ausbau aufbringen.
Parallel haben wir bereits mit dem ersten
KiBiz-Änderungsgesetz 150 Millionen Euro
jährlich für die Verbesserung des U3-Personal-
schlüssels eingesetzt.
Woran hapert es, dass Sie den Koalitions-
vertrag immer noch nicht erfüllen und ein
komplett neues Gesetz machen?
Wir sind schrittweise vorgegangen, um die
dringendsten Veränderungen schon 2011 um-
setzen zu können. Mit dem jetzigen Revisions-
schritt investieren wir weitere 100 Millionen
Euro pro Jahr: Für die Entlastung des Perso-
nals erhalten alle Kitas eine nach Größe ge-
staffelte Verfügungspauschale. Zum anderen
legen wir einen starken Schwerpunkt auf mehr
Bildungsgerechtigkeit: Etwa 20 Prozent der Ki-
tas in bildungsbenachteiligten Sozialräumen,
die ihre Kinder besonders unterstützen müs-
sen, werden dafür einen Festbetrag KITAplus
von 25.000 Euro jährlich erhalten. Die Verbes-
Bildunterschrift
Seit Dezember 2013 liegt der Refe-
rentenentwurf des Kinderbildungsge-
setzes (KiBiz) vor. Es ist bereits die
zweite Revision des Gesetzes und sie
soll vor allem für mehr Qualität in der
frühkindlichen Bildung sorgen. Doch
wie genau kann Qualität angesichts
des rasanten U3-Ausbaus sicherge-
stellt werden? Welche Alternativen
zur Sprachförderung gibt es nach
der Abschaffung von Delfin 4? Und
wie können die Arbeitsbedingungen
in Kitas verbessert werden, um nicht
zuletzt die Gesundheit der Beschäf-
tigten zu schützen? Die nds hat bei
Familienministerin Ute Schäfer (SPD)
nachgefragt.
serungen müssen wegen des Konnexitätsprin-
zips allein vom Land finanziert werden. Bisher
haben die Kommunen den öffentlichen Finan-
zierungsanteil zur Hälfte getragen.
Ein neues Finanzierungssystem kann das
Land nicht allein stemmen. Ich würde es sehr
begrüßen, wenn die Kommunen sich zukünf-
tig an weiteren qualitativen Verbesserungen
beteiligen würden, wie es in der Vergangen-
heit der Fall war.
Der Sprachtest „Delfin 4“ wird vernünftiger-
weise abgeschafft. Wie wollen Sie künftig
die Sprachförderung in Kitas qualitativ ver-
bessern?
Die individuelle Sprachentwicklung soll
durch das Fachpersonal dokumentiert und im
Kita-Alltag gefördert werden. Mit den Trägern
wollen wir geeignete, wissenschaftlich aner-
kannte Verfahren vereinbaren. Wir starten mit
einer Qualifizierungsoffensive für die Fachkräf-
te und wollen die Träger hier erstmals mit jähr-
lich fünf Millionen Euro unterstützen.
Der STEGE-Studie, einer aktuellen Untersu-
chung aus NRW, zufolge macht Kita-Arbeit
krank (siehe S. 24–26). Die Arbeitsfähigkeit
der ErzieherInnen sinkt, je schlechter die
strukturellen Rahmenbedingungen sind. Wie
wollen Sie auf diese Alarmzeichen reagieren?
Kitas sind heute mehr denn je Bildungsein-
richtungen. Das bedeutet eine große Heraus-
forderung für das Personal. Wir haben daher
bessere Unterstützung der Fachkräfte bei der
KiBiz-Revision besonders in den Blick genom-
men. Unser Ziel ist es, das Personal weiter zu
entlasten. Das ist uns sehr wichtig! Dazu be-
darf es aber gerade beim Thema Gesundheit
– auch darauf weist die STEGE-Studie hin – der
Mitwirkung aller Beteiligten im Kita-Bereich.
Die GEW kämpft für mehr Geld und besse-
re Eingruppierung für ErzieherInnen. Wie
sehen Sie die Chancen für faire Löhne und
für eine gesellschaftliche Aufwertung des
ErzieherInnenberufs?
Tarifverhandlungen sind zunächst einmal
Sache der Tarifparteien. Wichtig bleiben aber
die Aufwertung des ErzieherInnenberufs und
damit auch eine leistungsadäquate Bezah-
lung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die
Bedeutung der frühkindlichen Bildung muss
sich beim gesellschaftlichen Stellenwert der
Arbeit der ErzieherInnen niederschlagen.
Die Fragen für die nds stellte Joyce Abebrese.
Im Gespräch: Familienministerin Ute Schäfer (l.) mit
GEW-Tarifreferentin Joyce Abebrese.
Foto: B. Paschert
Foto: MFKJKS