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nds 2-2014
Die Sekundarschule auf dem Weg zur Inklusion
TOR – ein Gewinn für alle
Tom ist ein Schüler mit sonderpädago-
gischem Unterstützungsbedarf im Bereich
emotionale und soziale Entwicklung. Der Jun-
ge gehört ganz selbstverständlich zur vielfäl-
tigen Schülerschaft der Sekundarschule Kleve.
Gegründet im Jahr 2012 arbeitet die Sekun-
darschule als Schule des längeren gemein-
samen Lernens inklusiv und ist eine Schule für
alle Kinder.
Heterogenität wird als Chance verstanden.
Die Sekundarschule Kleve sieht und akzep-
tiert mit ihrem Konzept die Individualität, die
Im Sportunterricht verlassen sich die Kinder beim Turm-
bau aufeinander (unten). Der begehbare Bogen wird
im Team zusammengebastelt und getestet (oben).
Fotos: Sekundarschule Kleve
Am Tag der offenen Tür ist er in seinem Element. Tom übernimmt ganz engagiert
eine Gruppe von interessierten Eltern und Kindern. Mit voller Begeisterung,
Energie und strahlenden Augen führt er die BesucherInnen durch seine Schule,
erklärt die unterschiedlichen Stationen und Angebote und fordert zum Mitma-
chen auf. Seine LehrerInnen sind stolz darauf, wie Tom seine Aufgabe heute löst.
Christoph Smetten
Sonderpädagoge an der
Sekundarschule Kleve
Gabriele Pieper
Schulleiterin an der
Sekundarschule Kleve
p us
Sekundarschule Kleve
Besonderheiten und Grenzen jeder einzelner
Schülerin und jedes einzelnen Schülers.
Pädagogisches Geschick gefordert
Lehrkräfte und SchülerInnen finden in jeder
Situation Wege des Umgangs miteinander.
SchülerInnen mit sonderpädagogischem Un-
terstützungsbedarf stellen die Lehrkräfte vor
unterschiedlichste Herausforderungen. Die ei-
nen benötigen Unterstützung in ihrer Sprach-
entwicklung oder Hilfe beim Lösen von Auf-
gaben. Andere brauchen Begleitung bei der
Bewältigung ihres Schultages.
SchülerInnen mit Unterstützungsbedarf
im emotionalen und sozialen Bereich brin-
gen sich voller Energie in den Schulalltag ein,
reagieren in der Bandbreite von sensibel bis
aufbrausend, sind oft in Konflikte verwickelt,
zeigen sich aber auch einfühlsam, freundlich,
wissbegierig, interessiert und engagiert. Kurz-
um: Sie fordern das gesamte pädagogische
Geschick und neue Wege im Umgang jeden
Tag mit Nachdruck ein.
Ein Raum mit besonderer Atmosphäre
SchülerInnen mit Beeinträchtigungen im
emotionalen und sozialen Bereich haben im
Schulalltag oftmals das Bedürfnis nach räum-
licher Distanz zum Unterrichtsinhalt, zu Mit-
schülerInnen sowie zu Lehrpersonen. Häufig
kommen sie bereits mit unreflektierten Erleb-
nissen aus ihrem familiären und sozialen Um-
feld in die Schule. Aus Sicht der Kinder können
Unterrichtsinhalte zur Nebensache werden
und der Drang des Mitteilens sowie die Unsi-
cherheit über unreflektierte Erlebnisse steigen
im Laufe des Vormittags an.
Um den SchülerInnen einen vermehrt aus-
geglichenen Schultag zu ermöglichen, an dem
sie auch wieder offen sein können für den
Unterricht und die Teilnahme am Schulleben,
wurde der Time-Out-Raum (TOR) entwickelt.
Im TOR können aktuelle Probleme und „dif-
fuse Unsicherheiten“ mit professioneller Be-
gleitung thematisiert werden.
Die sozialemotionalen Bedürfnisse der
SchülerInnen haben Vorrang. Der TOR soll ver-
haltensauffälligen SchülerInnen
u
eine „Auszeit“ gewähren, um wieder zur
Ruhe zu kommen.
u
die Möglichkeit geben, wieder zu sich zu
finden und das eigene Verhalten zu reflek-
tieren.
u
Gespräche ermöglichen, die in einer ange-
nehmen Atmosphäre geführt werden kön-
nen.
u
Raum und Zeit zur Weiterarbeit an Unter-
richtsinhalten bieten.
u
die Möglichkeit gewähren, angestaute Ag-
gressionen auch durch körperliche Aktivi-
täten abbauen zu können.
Partnerschaft für die Lerngemeinschaft
Gemeinsam machen sich SchülerInnen und
Lehrkraft auf den Weg, um wieder eine förder-
liche Lernatmosphäre zu schaffen und werden
zu PartnerInnen in der Lerngemeinschaft. Ver-
trauen und Sicherheit wächst auf beiden Sei-
ten und bestätigt die Vermutung, dass man
gemeinsam Vieles erreichen kann.
Eine inklusive Schulentwicklung bedarf im-
mer wieder neuer Ideen und ungewöhnlicher
Wege. Sie ist ein Lernprozess für alle, die daran
beteiligt sind. Auch Tom ist der TOR bekannt
und er hat schon erfahren, dass er dort mit
professioneller Unterstützung wieder zu sich
selbst finden und ganz engagiert am Schul-
leben teilhaben kann. Inklusion braucht Zeit,
Zuwendung und Wertschätzung.
Gabriele Pieper, Christoph Smetten