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thema
Seit dem 1. August 2013 haben alle Kinder
vom vollendeten ersten bis zum vollendeten
dritten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf
einen Betreuungsplatz. Seit Einführung der
Bildungsprogramme für den frühkindlichen
Bereich im Jahr 2004 muss die Kita neben
Betreuung und Erziehung auch Bildungsauf-
gaben erfüllen. Seitdem müssen Bildungs-
pläne entwickelt, umgesetzt, evaluiert und
fortgeschrieben werden. Kinder werden mit
nds: Sie betreuen täglich 20 Kinder, davon sind
fünf unter drei Jahren. Was hat sich bei Ihnen
durch die Kleinen verändert?
Andre Zwolle:
Von den Räumlichkeiten über den
Tagesablauf bis hin zu neuen Spielmaterialien hat
sich einiges verändert. So haben wir zum Beispiel
unsere Büros verlegt, um den Kindern mehr Be-
wegungsflächen und Rückzugsmöglichkeiten zu
bieten. Auch der Gruppenalltag sieht jetzt anders
aus: Die Jüngeren benötigen beim Anziehen oder
bei den Mahlzeiten mehr Unterstützung und wir
brauchen für viele Dinge mehr Zeit. Für uns als
ErzieherInnen bedeutet das, dass wir uns öfter
aufteilen müssen. Im Prinzip ist eine Person für
die fünf U3-Kinder und die andere für die übrigen
15 Kinder zuständig.
Wurde denn der Personalschlüssel dem Ausbau
angepasst?
Minimal, denn durch die Änderung ergeben sich
nicht genug Personalstunden, um dauerhaft eine
dritte Kraft in der Gruppe zu haben. Wir sind
meist zu zweit. Das ist auch in meinen Augen
einer der größten Knackpunkte des U3-Ausbaus:
Die Einzelbetreuung der Kinder ist intensiver
geworden, am Personalschlüssel hat sich in vielen
Einrichtungen wenig geändert. Für uns ist es
eine ständige Herausforderung, allen gerecht zu
werden. Mal mit zwei, drei Kindern in Ruhe zu
spielen – dafür fehlt uns oft schlichtweg die Zeit.
Deshalb würde ich mir eine weitere Fachkraft als
Unterstützung wünschen.
Das klingt nach einem Spagat. Würden Sie sa-
gen, die Arbeitsbelastung ist gestiegen?
Das nicht unbedingt, die Anforderungen an Erzie-
herInnen nehmen eher generell zu. Was den U3-
Ausbau betrifft, ist das für mich mehr eine Sache
des Umdenkens und Umgestaltens: Wir hatten
zum Beispiel früher ein klassisches Bastelregal mit
Scheren, Kleber und so weiter. Daran konnten sich
die Kinder selbstständig bedienen. Das mussten
wir ändern. Wer jetzt basteln möchte, fragt erst uns,
damit die Kleinsten die Materialien nicht einfach
greifen können. Wir müssen heute auf bestimmte
Bedürfnisse anders eingehen. Und natürlich kom-
men andere Aufgaben wie das Wickeln und die
Begleitung der Kinder beim Schlafen hinzu. Als
höhere Belastung empfinde ich das aber nicht.
Männliche Erzieher sind eine echte Rarität. Wo
liegen in Ihren Augen die Gründe dafür?
Ich kenne Erzieher, die ganz klar sagen, dass gera-
de die Arbeit mit den ganz Kleinen nicht ihr Ding
ist. Ich denke, es liegt aber auch an der geringen
Bezahlung. Für mich allein reicht das Gehalt
zurzeit, aber wenn ich irgendwann eine Familie er-
nähren will, wird es schwierig. Das ist ja auch eine
Frage der Wertschätzung: So werden zum Beispiel
Fortbildungen, die man macht, im Tarifvertrag für
den Öffentlichen Dienst überhaupt nicht ange-
rechnet – daran muss sich dringend etwas ändern.
Andre Zwolle
30 Jahre
Kindertagesstätte Börk-
hauser Feld in Solingen
mit 20 Kindern von
zwei bis sechs Jahren
spielerischen Lernformen – wie Themenecken,
Forscherinseln, dem Werkstattprinzip, Funkti-
onsbereichen oder Künstlerateliers – an Spra-
che, Mathematik und Naturwissenschaften
herangeführt. Von den ErzieherInnen wird un-
glaublich viel erwartet, aber die Bedingungen,
unter denen die Arbeit vor Ort geleistet wird,
geraten nur selten in den Blickpunkt der
Öffentlichkeit. Und das obwohl wir alle, die
ganze Gesellschaft, von guter frühkindlicher
Bildung profitieren. Derzeit gebe es genug
Krippen und ErzieherInnen. Erst im Jahre
2016 werde es kritisch, sagt die Bundesagen-
tur für Arbeit.
Hohe Belastung, wenig Anerkennung
Die meisten ErzieherInnen machen ihre Ar-
beit gerne. Sie finden sie abwechslungsreich,
anregend und kreativ. Gleichzeitig sehen sich
die Beschäftigten mit hohen Belastungen und
Herausforderungen konfrontiert. Im Vergleich
Strukturqualität und ErzieherInnengesundheit in Kindertageseinrichtungen
Arbeitsplatz Kita:
Traum oder Trauma?
Die Erwartungen an die Beschäftigten in Kitas sind
hoch: Neben Betreuung und Erziehung gehört längst
auch Bildung zu ihren Aufgaben. Gleichzeitig sind
ErzieherInnen gesundheitlich stark belastet. Das For-
schungsprojekt „Strukturqualität und ErzieherInnen-
gesundheit in Kindertageseinrichtungen“ (STEGE) hat
untersucht, wie die strukturellen Rahmenbedingungen
mit der Gesundheit des pädagogischen Personals
zusammenhängen. Kurz: Macht die Kita ihre Beschäf-
tigten krank?
Foto: Brian Jackson / Fotolia.com
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