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Diskussionsprozess zwischen MIWF, Hochschulleitung und Personalvertretungen
Re-Demokratisierung der Hochschule
So werden zugleich immer größere Gruppen
(potenziell) leistungsfähiger Wissenschaftle-
rInnen aus der akademischen Kooperation
ausgeschlossen.
Irrweg beenden
Die benachteiligten Beschäftigten werden
gegenüber den etablierten Leistungsmaß-
stäben chancenlos. So entsteht der Effekt,
dass wissenschaftliche Erneuerungen und die
Innovationsrate des Wissenschaftssystems
insgesamt rückläufig sind – in Anlehnung
an den Bamberger Wissenschaftssoziologen
Richard Münch. Das Konzept der unterneh-
merischen Hochschule ist demnach nicht nur
nicht wissenschaftsförderlich, sondern auch
volkswirtschaftlich kontraproduktiv.
Wenn es überhaupt eine politisch sicht-
bare, organisierte Gruppe gibt, die das
gültige HFG noch verteidigt, dann sind es
die RektorInnen und PräsidentInnen. Der
operative Machtzuwachs, den sie durch das
Gesetz erhalten, macht sie offenbar betriebs-
blind gegenüber dessen Beschränkungen
wissenschaftlicher Innovation. Also ist es
Zeit, dass die anderen Hochschulangehö-
rigen politisch ihre Stimme erheben, um
diesen Irrweg zu beenden.
Torsten Bultmann, Fachgruppenausschuss
Hochschule und Forschung der GEW NRW,
pol. Geschäftsführer Bund demokratischer
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
gleichrangiger ForscherInnen und nicht die
Konkurrenz um knappe Ressourcen. Wett-
bewerb an sich ist nicht generell wissen-
schaftsfremd. In einem herkömmlichen Ver-
ständnis jedoch ist dies ein Wettbewerb um
Anerkennung durch Erkenntnisfortschritt,
um neue und bessere Argumente. Die Re-
sultate eines Wettbewerbs als gelungene
wissenschaftliche Innovation gehören dann
niemandem individuell, sondern allen: der
ganzen wissenschaftlichen Gemeinschaft
und der Gesellschaft.
Ressourcen gerecht verteilen
Der Wettbewerb in der unternehmerischen
Hochschule hingegen wird nicht unmittelbar
auf dem Gebiet von Wissenschaft und Wahr-
heit ausgetragen. Sondern er ist im Kern ein
Kampf ummaterielleAusstattungsvorsprünge
vorrangig über die Drittmittelfinanzierung.
Zuwächse werden vor allem auf der Basis
bereits erreichter Ausstattungsvorsprünge
erwirtschaftet (Matthäus-Prinzip), wodurch
eine zunehmende Ungleichverteilung von
Ressourcen entsteht – allein schon deswe-
gen, weil insgesamt nicht mehr Geld ins
System kommt, sondern sich stattdessen eine
Nullsummen(ungleich)verteilung etabliert.
Anders gesagt: Die unterlegenen Konkur-
renten werden durch Ressourcenentzug und
Defizitfinanzierung bestraft, ihre materiellen
Leistungsbedingungen werden abgebaut.
Die geplante Hochschulgesetznovel-
le für Nordrhein-Westfalen kann nur
dann gelingen, wenn sie die Selbstver-
waltungsstrukturen der Hochschule
stärkt und dabei alle Mitgliedergrup-
pen beteiligt. Und wenn das Ergebnis
dann stimmt, handelt es sich nicht
um eine technisch-juristische Modi-
fikation des derzeit gültigen Hoch-
schulfreiheitsgesetzes (HFG) aus dem
Pinkwart-Ministerium, sondern um ei-
nen kompletten politischen Neustart,
um eine Absage an das prägende Leit-
bild des HFG der unternehmerischen
Hochschule. Das Wettbewerbsmodell
ist gescheitert.
Das HFG versuchte, ein im Kern öko-
nomisches Wettbewerbsmodell innerhalb
der Wissenschaft zu universalisieren und
die Hochschulstrukturen entsprechend dem
Muster eines Wirtschaftsunternehmens an-
zugleichen: Eine autokratisch-zentralistische,
managementähnliche Leitungsstruktur zu eta-
blieren ist hier die Kehrseite einer weitgehen-
den Entmachtung der traditionellen Selbstver-
waltungsgremien. Das hat in der Praxis jedoch
nie funktioniert. Und so ist es kein Zufall,
dass auch andere Bundesländer wie Baden-
Württemberg und Hamburg den Rückwärts-
gang einer vorsichtigen Re-Demokratisierung
der Hochschulstrukturen einlegen.
Hochschulen sind keine
Wirtschaftsunternehmen
Das Modell der unternehmerischen Hoch-
schule ist ignorant gegenüber den Bedin-
gungen wissenschaftlicher Innovation. Es
missachtet in seinen autokratischen Entschei-
dungsprozeduren die unterschiedlichen In-
teressen innerhalb einer Hochschule, deren
Vertretungen schon deswegen die Mitwirkung
am Modell weitgehend verweigert haben. Ge-
gen die tatsächlichen Leistungserbringer einer
Hochschule – ProfessorInnen, wissenschaft-
liche MitarbeiterInnen und Studierende – lässt
sich jedoch nicht top down durchregieren.
Die soziale Basis für wissenschaftliche
Innovation ist die Kooperation grundsätzlich
Foto: istockphoto.com
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