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nds 11/12-2013
Kommentar
Abschlussfrage
1. Keine gläserne Decke!
Eine Gewerkschaft, die sich für Durchläs-
sigkeit in den Bildungswegen einsetzt, kann
sich nicht für die Manifestation der „gläser-
nen Decke“ einsetzen. Tarifbeschäftigte, die
nicht den geraden Weg über den Masterab-
schluss gegangen sind, sollen lebenslänglich
für diese Bildungsbiografie finanziell benach-
teiligt werden, auch wenn sie die gleiche
Arbeit machen?
2. Erfahrungswissen berücksichtigen!
Selbst die Entgeltordnung des Tarifvertrags
für den öffentlichen Dienst der Länder sieht
– genau wie vormals der Bundesangestellten-
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Die
griffige und altbekannte gewerkschaft-
liche Forderung wird von der GEW mit
einem Zusatz versehen: „Gleicher Lohn
für gleiche Arbeit – bei gleichwertigem
Abschluss!“ Drei Gründe sprechen da-
für, diesen Zusatz zu streichen.
tarifvertrag – den „sonstigen Mitarbeiter“ vor.
Grundlage für die Eingruppierung in die Ent-
geltgruppen ab E13 ist demnach in der Regel
der wissenschaftliche Hochschulabschluss.
Für Beschäftigte ohne Hochschulabschluss
ist trotzdem eine Eingruppierung in E13 und
höher vorgesehen, wenn der Hochschulab-
schluss durch Erfahrungswissen kompensiert
werden kann.
3. Eine Frage der Personalauswahl
Gleiche Bezahlung trotz ungleicher Ab-
schlüsse entwertet den wissenschaftlichen
Hochschulabschluss? Dies ist keine Frage
der Eingruppierung, sondern der Personal-
auswahl. Vollständig ausgebildete Lehrkräfte
werden bei der Einstellung in der Regel
bevorzugt. Doch was ist, wenn solche Bewer-
bungen nicht vorliegen? Was ist, wenn sich
eine Person mit geringerer formaler Qualifika-
tion als am besten geeignet herausstellt? Die
Aufgaben und Anforderungen ergeben sich
aus der Tätigkeitsbeschreibung. Wer diese
Aufgaben übernimmt, aber die geforderte
formale Qualifikation dafür nicht mitbringt,
darf nicht finanziell benachteiligt werden.
Bernadette Stolle, Fachgruppe Hochschule
und Forschung der GEW NRW
nds: Das MSW hat lange behauptet, dass
allein die TdL für den Tarifvertrag zuständig
sei und der Hauptpersonalrat (HPR) kein
Mitbestimmungsrecht habe. Warum liegt das
MSW falsch?
Roland Neubert:
Dies ergibt sich zum einen
aus dem Landespersonalvertretungsgesetz NRW
§ 72 Absatz 4 Nummer 5. Danach steht dem
Personalrat ein umfassendes Mitbestimmungs-
recht in allen Fragen der Lohn- und Entgeltge-
staltung zu. Aus dem Gutachten von Professor
Ulrich Battis ergibt sich, dass die TdL-Richtlinien
keine Bindungswirkung haben. Deshalb kann
der HPR durch einen Initiativantrag ein Mitbe-
stimmungsverfahren einleiten und damit das
MSW zwingen, sich mit der Frage einer Entgelt-
ordnung zu beschäftigen.
Wie läuft so ein Mitbestimmungsverfahren ab
und was ist eine Einigungsstelle?
Der HPR stellt einen Initiativantrag auf Erstel-
lung einer Entgeltordnung – wie der HPR Ge-
samtschulen (s. S. 28). Da das MSW diesen Initi-
ativantrag abgelehnt hat, musste die sogenann-
te Einigungsstelle angerufen werden. Sie ist ein
Gremium aus Beisitzern von Arbeitnehmerseite
– HPR und GEW – und Arbeitgeberseite. Darüber
hinaus gibt es einen bestellten Einigungsstellen-
vorsitzenden. Wenn keine inhaltliche Einigung
erzielt wird, entscheidet die Einigungsstelle.
Dabei gibt die Stimme des Vorsitzenden den
Ausschlag. Bei einer Entscheidung über die
Frage der Entgeltgrundsätze – wie beim HPR
Gesamtschulen – ist der Entschluss der Eini-
gungsstelle bindend. Eine Entgeltordnung wird
allerdings eher durch einvernehmliche Verhand-
lung erarbeitet werden.
Das Einigungsstellenverfahren des HPR Ge-
samtschulen wird deshalb nur fortgesetzt,
falls es keinen Tarifabschluss gibt. Für wen
gilt dann die Entgeltordnung? Ersetzt sie die
Richtlinien?
Wenn die Einigungsstelle zu einer gemeinsamen
Lösung für eine Entgeltordnung kommt, gilt
diese zunächst nur für den Bereich des HPR Ge-
samtschulen. Die Einigungsstelle kann nur über
den Initiativantrag des HPR Gesamtschulen
befinden. Eine Ausweitung auf andere Schul-
formen ist deswegen zunächst nicht möglich.
Allerdings kann das Schulministerium das Er-
gebnis eines solchen Einigungsstellenverfahrens
freiwillig für andere Schulformen übernehmen.
Im Übrigen gilt: Wenn eine Entgeltordnung ein-
vernehmlich in der Einigungsstelle erstellt wird,
dann ersetzt sie die TdL-Richtlinie.
Die Fragen für die nds stellte Ute Lorenz.
Nachgefragt
Roland Neubert
Rechtsanwalt im Beamten-
recht, Disziplinarrecht und
Personalvertretungsrecht
Tarifforderungen 2014
Köln diskutiert
Laut der GEW-Umfrage von 2012 stimmen
87 Prozent einer eigenen Entgeltordnung und
Gehaltstabelle grundsätzlich zu. Jedoch sind
die Erfahrungen mit der bestehenden Entgelt-
ordnung für den Sozial- und Erziehungsdienst
(SuE) nur zu 30 Prozent positiv. Den größten
Veränderungsbedarf gibt es bei der Stufenzu-
ordnung beim Arbeitgeberwechsel (93 Prozent).
Forderungsdiskussionen für 2014
Relativ gute allgemeine Tarifentwick-
lungen, Wirtschaftsaufschwung und stei-
gende Steuereinnahmen – die Bedingungen
für die Verbesserung der Entgeltordnung SuE
sind günstig. Und sie sind notwendig: Die
Beschäftigten berichteten vor allem von Ein-
Am 4. November 2013 lud der GEW-
Stadtverband Köln ein, um Forderungen
für die Tarifrunde 2014 zu diskutieren.
Die Beschäftigten machten deutlich:
Es braucht Veränderungen im TVöD!
gruppierungsproblemen. Die meist niedrigere
Einstufung bei einem neuen Arbeitgeber sei
für Beschäftigte eine Mobilitätsbremse, einen
Wechsel könnten sich viele so nicht „leisten“.
Leistungsorientierte Bezahlung
Auch die leistungsorientierte Bezahlung
(LOB) sorgt für Unzufriedenheit: Arbeitgeber
unterscheiden meist nicht, wer tatsächlich
zusätzliche Leistungen erbracht habe. Eine
Messung sei kompliziert. Für die Beschäftigten
sei es schwer, über die regulären Anforderun-
gen hinaus überhaupt zusätzliche Leistungen
zu erbringen. Die LOB führe so eher zu Frus-
tration. Kaum überraschend: Ein Großteil der
Anwesenden sprach sich dafür aus, die LOB in
die Gehaltstabelle zu überführen.
Veränderungen für mehr Zufriedenheit
Die Diskussion verstärkte den Ruf nach
Veränderungen im TVöD. Ziel müsse es sein,
mehr positive Erfahrungen mit der SuE-Ent-
geltordnung für die Beschäftigten zu schaf-
fen und eine größere Zufriedenheit unter den
ArbeitnehmerInnen zu erreichen.
Joyce Abebrese,
Referentin für Tarifpolitik der GEW NRW