KleineGeschichte der Arbeitszeit
Arbeitszeitverkürzung jetzt fordern!
Das Hauptproblem: Es gibt keine tarifver-
tragliche Regelung für die Arbeitszeit. Es gel-
ten hier beamtenrechtliche Regelungen, und
zwar 16 verschiedene – für jedes Bundesland
anders –, die je nach Kassenlage, herrschaft-
lichem Gutdünken und Angebot an Lehrkräf-
ten getroffen werden. Die tarifbeschäftigten
Lehrkräfte sind hier nicht ausgenommen, weil
sienachdem Tarifvertragder Länder (TV-L, frü-
her: BAT) an die beamtenrechtlichen Arbeits-
zeitregelungen gekettet sind.
Bewährt hat sich die gleichwertige Bemes-
sung in Lehrerwochenstunden. Alle anderen
Arbeitszeitmodelle – wie etwa in Hamburg
(s. Seite 25) – haben zu erheblichenMehrbela-
stungen und unerfreulichen Verteilungskämp-
fen inKollegien geführt. Die Schulformen sind
im Laufe der Zeit zusammengerückt. Während
die Differenz zwischen Hauptschule und Gym-
nasium 1969 bei fünf Wochenstunden lag,
sind es heute nur noch 2,5. Besonders frag-
würdig: Für die längere Arbeitszeit bekommen
Hauptschullehrkräfteauchnochweniger Geld.
Tarifbetrugund Teilzeitrausch
Die niedrigsten Arbeitszeiten gab es 1990.
Inden Jahren zuvor hattendieGewerkschaften
intensiv für Arbeitszeitverkürzung gekämpft
– auch für die Schaffung neuer Arbeitsplätze,
zum Teil bei Verzicht auf größere Lohnerhö-
hungen. Im öffentlichen Dienst wurde die
Arbeitszeit auf 38,5 Stunden gesenkt. Im
Schulbereich kam es jedoch nur zu geringen
Arbeitszeitverkürzungen – nur eine Viertel-
stunde! Offen propagierte die GEW damals
den Tarifbetrug, denn der Lohnverzicht hatte
weder zuNeueinstellungennoch zu spürbarer
Arbeitszeitverkürzung geführt.
Hinzu kam die Tendenz zur Teilzeitbeschäf-
tigung. Mit Unterstützung der GEW wurden
neue, voraussetzungslose Teilzeitmöglich-
keiten geschaffen. Dazu gehörten die Aus-
weitung des alten § 78 b Landesbeamten-
gesetz, später auch die Altersteilzeit und das
Sabbatjahr. Die KollegInnen nahmen diese
Modelle dankbar an, denn sie ermöglichten
individuelle Entlastung – vorausgesetzt man
konnte es sich leisten. Die drängende Forde-
rung nach einer allgemeinen Verkürzung der
Arbeitszeit ging im rapide zunehmenden Teil-
zeitrausch unter.
Arbeitskampf gegenKettenbefristung ...
Befristete Beschäftigung und Stellenreser-
ve – zwischen diesen beiden Varianten ging
es in NRW bei der Lehrereinstellung immer
hin und her. Bis 1978 gab es keine nennens-
werten befristeten Arbeitsverhältnisse. Dann
aber forcierte das damaligeKultusministerium
die Befristung und erzwang zusätzlich die Teil-
StundenproWoche
bis 03/1964
45
ab04/1964
44
ab01/1969
43
ab01/1971
42
ab10/1974
40
ab04/1989
39
ab04/1990
38,5
ab01/2004
41*
RegelmäßigeArbeitszeit nachder
ArbeitszeitverordnungNRW
* Mit Vollendung des 55. Lebensjahres: 40 Stunden;
mit Vollendung des 60. Lebensjahres oder bei einem
Grad der Schwerbehinderung von mindestens 80 Pro-
zent: 39 Stunden.
18
Thema
Aus Sicht der GEW hat sich die Arbeitszeit für LehrerInnen im Laufe der ver-
gangenen Jahrzehnte leider nicht als Erfolgsmodell entwickelt. Die heutigen
Arbeitszeitenähnelndenen inden1970er Jahren – unddas obwohl wir imWen-
dejahr 1990 schon einmal viel weiter waren. Dochdann kamdas „Rollback“.
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