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nds 5-2014
GEWHamburg: Protest gegendas Arbeitszeitmodell
Radeln für Entlastung
„Etwas Besseres als das Arbeitszeitmodell werden wir überall finden.“ Unter
diesem Motto radelten am 24. April 2014 rund 200 GEW-KollegInnen durch
Hamburg. Vor verschiedenen europäischen Konsulaten stellten sie Bausteine
einer klugen Lehrerarbeitszeitregelung aus anderen Ländern vor.
„Eine wesentliche Ursache der zuneh-
menden Arbeitsbelastung der Lehrkräfte ist
dasunsäglicheArbeitszeitmodell, das vor zehn
Jahren dazu erfunden wurde, möglichst viele
Aufgaben ohne Entlastung in der Arbeitszeit
der LehrerInnen verstecken zu können“, kriti-
siert Anja Bensinger-Stolze, Vorsitzende der
GEW Hamburg. Im Vergleich mit anderen
europäischen Ländern liegt Hamburg zurück.
So leisten LehrerInnen in Frankreich 1.607
Arbeitsstunden im Jahr, in Hamburg sind es
1.770. Der Zeitanteil für Vorbereitung, Koope-
rationundadministrativeAufgabenbeträgt in
Norwegen in der Mittelstufe 64, in Hamburg
54 Prozent. Arbeitsplätze für LehrerInnen an
Schulen gibt es in Schweden zu 100, inHam-
burg zu etwa10 Prozent.
Anja Bensinger-Stolze hat schon jetzt die
Bürgerschaftswahl im Blick, die im Februar
2015 ansteht: „Wir müssen jetzt da-
Landtagsanhörung: Lehrerjahresarbeitszeitmodell
KeineAlibi-Diskussion führen!
Am21.Mai 2014diskutierteder nordrhein-west-
fälische Landtag in einer Anhörung gemeinsam
mit ExpertInnen die FDP-Forderung nach einer
Kommission zur Entwicklung eines Lehrerjahres-
arbeitszeitmodells. In ihrer Stellungnahme ma-
chenGEW undDGB deutlich: Sie halten an den
Forderungen fest, die sie bereits als Reaktion
auf die Arbeitszeituntersuchung von Mummert
und Partner (s. Seite22) formuliert haben.
1.
Grundlage der Lehrerarbeitszeit ist das Pflicht-
stundenmodell.
2.
EineAbsenkungder Pflichtstunden für die Leh-
rerInnen ist dringend erforderlich.
3.
DieAnzahl der sogenanntenAnrechnungsstun-
den für die „ständige Wahrnehmung besonde-
rer schulischer Aufgaben“ und zum „Ausgleich
besonderer unterrichtlicher Belastungen“ ist zu
verdoppeln – bei Schaffung eines Sockels von
zehnWochenstunden für jede Schule.
Wenn die Politik über modernere und gerechtere
Arbeitszeitmodelle für LehrerInnen diskutiert und
dabei die Pflichtstunden-Bandbreite oder das
Jahresarbeitszeitmodell favorisiert, dann führt
sie eine Alibi-Diskussion. Sie lenkt davon ab, dass
jahrelang versäumt wurde, die tatsächlich drän-
genden Fragen zu klären:
u
Die Arbeitszeit ist zu lang. Echte Entlastungen
sind seit Jahren ausgeblieben.
u
LehrerInnen leisten (unbezahlte) Mehrarbeit –
ein Problem, das ignoriert wird.
u
Die Schulaufsicht unternimmt zu wenig gegen
die vielen „grauenArbeitszeitmodelle“.
u
Das Pflichtstundenmodell erfordert zwingend
Anrechnungsstunden für die „ständige Wahr-
nehmung besonderer schulischer Aufgaben“
und zum „Ausgleich besonderer unterricht-
licher Belastungen“. Im laufenden Schuljahr
stehen deutlich weniger Stunden hierfür zur
Verfügung als früher. Zusätzlich fallen neue,
sachfremdeAufgaben indieses Stundenkontin-
gent – etwadie personalvertretungsrechtlichen
Aufgaben des Lehrerrats.
Ute Lorenz
7. Alleingänge verhindern
An einigen Schulen werden „Arbeitszeit-
gerechtigkeitsmodelle“ oder „Vertretungskon-
zepte“ angewendet, die keine rechtliche Basis
haben,weil sienicht vomSchulministeriumge-
nehmigt sind. Hier werdenmithilfe von Schul-
verwaltungsprogrammen Pflichtstundendepu-
tate einzelner LehrerInnen pauschal erhöht
und mit voraussichtlich ausfallenden Pflicht-
stunden verrechnet. Solche Jahresarbeitszeit-
konten sind rechtlich jedoch unzulässig. Der
Mehrarbeitserlass (BASS21-22Nr. 21) schreibt
weiterhin einemonatlicheAbrechnung vor.
EinModellmit Lücken
Kein Zweifel: Eine Lehrkraft für Deutschund
Englischhat einen enormenKorrekturaufwand.
Psychische und physische Stressbelastungen
wie das Arbeiten mit verhaltensauffälligen
SchülerInnen in Berufsgrundschulklassen oder
den Lärm in Sporthallen berücksichtigen Ar-
beitszeitmodelle jedoch nicht. Diese werden
stattdessen in das Spektrum der persönlichen
Belastbarkeit verwiesen, mit der die Kolle-
gInnen selbst fertig werden müssen. Insofern
bleiben Arbeitszeitmodelle bisher den Nach-
weis schuldig, dass sie zu einer gerechteren
Erfassung der Arbeitsbelastung von Lehrkräf-
ten führen, denn Belastungen im Lehrberuf
definieren sichnicht alleinüber Zeit.Wenndas
Schulministerium weitere Aufgaben wie die
individuelle Förderung, Praktikantenbetreuung
oder Inklusion an die Schulen überträgt, muss
es auch die Ressourcen zur Verfügung stellen.
Lehrkräfte am Anna-Siemsen-Berufskolleg in
Herford und an einemGymnasium in Rietberg
jedenfalls sind sich einig: Ihr mehrjährigerMo-
dellversuch hat nicht zu mehr Gerechtigkeit
geführt. Nach einigen Jahren der Erprobung
steigen sie aus ihremModellvorhabenaus und
kehren zum Pflichtstundenmodell zurück. Die
Arbeitszeitmodelle haben ihre Erwartungen
nicht erfüllt.
Michael Gebauer
für sorgen, dass Bildung in der nächsten Le-
gislatur besser finanziert wird, dass die Stadt
zusätzliche, neue und sinnvolle Aufgaben von
Schule (Ganztag, Inklusion) auch mit zusätz-
lichen Mitteln finanziert. Dafür brauchen wir
eine gerechte und angemessene Regelung der
Lehrerarbeitszeit und faireArbeitsbedingungen
für die PädagogInnen.“
FredrikDehnerdt,
stellvertretender Vorsitzender GEWHamburg
Foto: J. Geffers
FDP-Fraktion: Antrag „Zeitnah
Kommission zur Entwicklung eines
Lehrerjahresarbeitszeitmodells ein-
setzen“ (Drucksache: 16/4585)
GEWNRW: Stellungnahme zur
Anhörung im Landtag
Michael Gebauer
Personalrat Berufskolleg im
RegierungsbezirkDetmold
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