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bildung
Runder Tisch zuG8/G9mit Schulministerin Sylvia Löhrmann
Das Parlament entscheidet
Dass es der Schulzeitverkürzung vonneunauf acht Jahre amGymnasiuman ei-
ner gründlichenVorbereitungmangelte, steht außer Frage: Es fehlten fachliche
Konzepteundpassende Lehrpläne. InvielenGymnasienwarendienotwendigen
baulichenVoraussetzungen für denGanztagsbetriebnicht vorhanden. Bisheute
ist G8umstritten. EinigeBundesländer, darunter Niedersachsen, rudern zurück.
Auch in NRW sah Schulministerin Sylvia Löhrmann Redebedarf und lud daher
am5. Mai 2014 zu einemRunden Tisch.
Der entscheidende und von der GEW im-
mer kritisierte Fehler war die Verkürzung der
Sekundarstufe I von sechs auf fünf Jahre.
Entsprechend problematisch waren die ersten
Jahre, verbunden mit viel Arbeit bei der Ent-
wicklung neuer Lehrpläne für die KollegInnen.
Elterninitiativen kämpfen mit großer medialer
Resonanz um eineRückkehr zumneunjährigen
Halbtagsgymnasium.
An Nordrhein-Westfalen geht die Diskussi-
on nicht spurlos vorbei: Am 5. Mai 2014 ka-
men rund 40 VertreterInnen aus Schule und
Wissenschaft sowie Wirtschaft und Politik zu
einem Runden Tisch zusammen. Ziel des Ge-
sprächs sollte sein, einen Austausch über den
aktuellenStandderUmsetzungdesbisher erar-
beiteten Handlungskonzeptes zu ermöglichen
undweitereOptimierungen, insbesondere Ent-
lastungen für die SchülerInnen, zu erörtern.
Dorothea Schäfer
Vorsitzende der GEWNRW
ErfolgreicheBildungsbiografien
In einem gut dreistündigen Gespräch wur-
den die unterschiedlichen Positionen ausge-
tauscht. Alle betonten, dass im Mittelpunkt
der Überlegungen das Ziel erfolgreicher Bil-
dungsbiografienund einer gelingenden Schul-
zeit für Kinder und Jugendliche stehenmüsse.
Viele VertreterInnen warnten aber davor, mit
ständigen Strukturveränderungen Unruhe
in die Schulen zu tragen. Schulpolitik müsse
auch verlässlich seinunddürfenicht von Stim-
mungen oder Meinungsumfragen abhängig
gemacht werden.
Auswirkungen auf inzwischen erfolgte
Veränderungen an den Gymnasien – unter
anderem der Ausbau von 154 Gymnasien zu
Ganztagsschulen – undauf dieanderen Schul-
formen in NRW müssten bei der Diskussion
berücksichtigt werden.
LSVund Initiativen: Zurück zuG9!
Die offenkundigenMängel der Schulzeitver-
kürzung müssen beseitigt werden – darüber
herrschte Konsens. Ein eindeutiges Plädoyer
für eine Rückkehr zum neunjährigenGymnasi-
um formuliertenebendenElterninitiativennur
die LandesschülerInnenvertretung (LSV). Die
LSVhabemit einer geringerenBereitschaft für
ehrenamtliches Engagement inder Schülerver-
tretung zu kämpfen. Eine Befragung der Uni
Duisburg-Essen unter Studierenden aus dem
G9- und dem ersten G8-Jahrgang bestätigt
dies nicht. Für dieElterninitiativen ist dieMög-
lichkeit, anGesamt- oder Sekundarschulenmit
einem Jahr mehr Zeit zu lernen, keine Alterna-
tive, da es sichbei diesen Schulenum Schulen
mit „Zwangsganztag“ handelnwürde.
Drei Arbeitsgruppen starten
Ergebnis des Gesprächs war die Einberu-
fung dreier Arbeitsgruppen in denBereichen:
◆◆
Schulzeit – Freizeit. Ganztag und außer-
schulische Bildung im Zeichen von G8.
◆◆
BisherigeHandlungsfelder undweitereEnt-
lastungsmöglichkeiten.
◆◆
GesicherteErkenntnissealsBasis fürGrund-
satzentscheidungen.
Die GEW ist in allen Arbeitsgruppen vertre-
ten. Bis zudenHerbstferien sollendieGruppen
mindestens zweimal tagen, bevor in einem
weiteren Plenum Ergebnisse beschrieben und
Empfehlungen gefasst werden. „Am Ende ent-
scheidet das Parlament“, so das Schlusswort
der Schulministerin.
Dorothea Schäfer
Positionder FachgruppeGymnasiumder GEWNRW
Gymnasium zukunftsfähiggestalten
Der Fachgruppenausschuss Gymnasium der GEW
NRW begrüßt grundsätzlich die Ergebnisse des
Runden Tisches, bekräftigt aber seine zentrale
Forderung nach einer Rückkehr zur sechsjährigen
Sekundarstufe I (Sek I). Ausdrücklich unterstützt
die Fachgruppe das Bestreben aller Beteiligten
zu einer sachlichen Auseinandersetzung. Schnell-
schüssewie 2005 bei der Einführung vonG8 dür-
fen sich nicht wiederholen.
Trotz der schwierigen Startbedingungen für G8
haben die Gymnasien in den letzten zehn Jahren
Fortschritte erreicht – unter anderem in den Be-
reichen Unterrichtsentwicklung und individuelle
Förderung, GanztagundProfilbildung, Umsetzung
kompetenzorientierter Lehrpläne sowie Auswei-
tung der Studien- und Berufswahlorientierung.
Auf der anderen Seite ist aber kritisch zuhinterfra-
gen, obnicht geradedas aktuelleKonzept desG8-
Gymnasiums mit fünfjähriger Sek I genau diese
Anstrengungen konterkariert und die nötigen zeit-
lichen Ressourcen vorenthält. Hinzu kommt, dass
das achtjährige Gymnasium systemimmanente
Fehler beinhaltet, die korrigiert werdenmüssen:
◆◆
AmEndeder Sek I erhaltendieGymnasialschü-
lerInnen keinen mittleren Schulabschluss wie
zum Beispiel die Fachoberschulreife. Das ist
in der Europäischen Union grundsätzlich nach
neun Jahren nicht möglich.
◆◆
DerUnterrichtsstoffder höherenKlassenwurde
sukzessive nach unten geschoben und passt
nicht mehr zumAlter der SchülerInnen.
◆◆
In der schwierigen Entwicklungsphase der Pu-
bertät sind SchülerInnen inhaltlich wie zeitlich
zu stark belastet.
Die Fachgruppe Gymnasium erwartet deshalb,
dass auch die Alternative einer sechsjährigen Sek
I erörtert wird. Die Sek II könnte in zwei oder drei
Jahren absolviert werden. Die Verteilung der Un-
terrichtsinhalte kann sich dabei an den Vorgaben
für dieanderenSchulformenunddenErfahrungen
der 13G9-Gymnasien orientieren. Gleiches gilt für
die Stundentafeln. Das Schulministerium erstellt
Mustercurricula dazu und die Schulen erhalten
zeitliche Spielräume, um ihre Entwicklungspro-
zesse erfolgreich zu gestalten.
Uwe Lämmel, Vor-
sitzender der FachgruppeGymnasiumderGEWNRW
Positionder FachgruppeGymnasi-
umder GEWNRW
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