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THEMA
Arbeitszeitmodell inOstwestfalen-Lippe
Zwischenbilanz oder Ausstieg?
Vor zehn Jahren genehmigte das
Schulministerium für das Freiherr-vom-
Stein-Berufskolleg Minden das „Min-
denerArbeitszeitmodell“. Zweiweitere
Berufskollegs und wenige Gymnasien
im Regierungsbezirk Detmold folgten:
Auch siedurften imRahmeneinesMo-
dellversuchs mit Arbeitszeiten experi-
mentieren, die von den vorgesehenen
Pflichtstunden abweichen.
DasMindenerModell lehnt sich eng an das
HamburgerModell anundbasiert auf einer un-
terschiedlichen Faktorisierung der Fächer. Das
bedeutet zum Beispiel: Eine Stunde Deutsch
amGymnasium hat den Faktor 1,9; eine Stun-
deSport den Faktor 1,25. Die Folgewäre, dass
SportlehrerInnen statt 25,5 Stunden etwa 30
Stunden unterrichtenmüssten. In einemKata-
logmit System- und Kompensationszeiten legt
das Kollegium fest, welche zusätzlichen Arbei-
ten zu einer Reduzierung der Unterrichtsver-
pflichtung führen. Was zeigen die bisherigen
Erfahrungen mit dem Arbeitszeitmodell im
RegierungsbezirkDetmold?
1. Transparenz ist unverzichtbar
Wichtige Voraussetzungen für die Einfüh-
rung eines Arbeitszeitmodells sind Transparenz
Foto: Mr. Nico/ photocase.de
und Nachvollziehbarkeit innerhalb des Kolle-
giums bei der Planung und Umsetzung. Jede
Lehrkraft muss eine klar nachvollziehbare Ab-
rechnungerhalten.Nicht in jeder Schule scheint
dies gewährleistet zu sein.
2. Gewinner undVerlierer
Auf Grundlage der beschlossenen System-
zeiten bestimmt die Schulleitung, wer wie
viel Unterrichtsstundenreduktion erhält. Ge-
winner sind dabei immer diejenigen, die viele
Kompensations- oder Systemzeiten aufweisen
können. Naturgemäß können Funktionsstel-
leninhaberInnen – insbesondere in der Besol-
dungsgruppeA15–vonderAbteilungsleitung
über Schulprogrammarbeit bis zur Schulent-
wicklung viele Zeiten geltend machen und
unterrichten folglich weniger. Kompensiert
werdendieseZeitendurch zusätzlicheStunden
derjenigen, die „nur“ unterrichten und wenig
Systemzeiten haben.
3. Zündstoff inklusive
Arbeitszeitmodelle erfordern einen hohen
Verwaltungsaufwand und bieten Konfliktpo-
tenzial, wenn es um die Anerkennung und
Berechnung von Systemzeiten geht.
4. EinfachenAusstieg ermöglichen
Wer Arbeitszeitmodelle einführt, muss sich
vorher Gedanken machen, wie ein Kollegium
wieder aussteigen kann. Lehrkräfte, Schullei-
tungen und Bezirksregierung müssen für die-
sen Fall Ausstiegsmodalitäten erarbeiten. Dies
gestaltet sich im Moment als ausgesprochen
schwierig: Schließlich gilt es, zu viel geleiste-
te Stunden abzubauen, zu wenig gearbeitete
Stundenmüssen aber nachgearbeitet werden.
5. Personalrat einbeziehen
Die Einführung von sogenannten Arbeits-
zeitmodellen muss im Vorhinein dem Perso-
nalrat zurMitbestimmungnach§72Absatz4
Nummer 21 Landespersonalvertretungsgesetz
vorgelegt werden.
6. Evaluation fehlt
Auch nach zehn Jahren Arbeitszeitmodell
hat es keine unabhängige, wissenschaftliche
Evaluationgegeben, dieAnregungen für eine
konstruktive Ergebnisübertragung auf das
Pflichtstundenmodell gibt. Kollegien, die sich
mit der Einführung von Arbeitszeitmodellen
beschäftigen, sollten diese Erfahrungsbe-
richte einfordern. Hamburg hat gezeigt, dass
eine Einführung des Arbeitszeitmodells zu ei-
ner flächendeckenden Erhöhung der Pflicht-
stunden geführt hat.
Arbeitszeitmodelle
Flexibel um jedenPreis?
Arbeitszeitmodelle dienen der Flexibilisierung
von Arbeitszeit und bedeuten eine Abkehr von
der Regelarbeitszeit. Hierunter fallenBegriffewie
Jahresarbeitszeit, Arbeitszeitkontooder Lebensar-
beitszeitkonto. Im Schulbereichgilt inNRW –wie
auch in den meisten anderen Bundesländern –
das Pflichtstundenmodell, das dieArbeitszeit von
derzeit 41 Stunden über die Unterrichtsverpflich-
tungdefiniert.
Das Hamburger Jahresarbeitszeitmodell hingegen
legt neben der Unterrichtsverpflichtung gleichzei-
tig die jährliche Gesamtarbeitszeit fest. Darin sol-
len über den Unterricht hinaus auch alle übrigen
Tätigkeiten der Lehrkräfte berücksichtigt werden.
Zumeist mittels eines Punktemodells werden Un-
terrichtszeitenund sonstigenTätigkeitengewichtet
und zur berechneten Jahresarbeitszeit – abzüglich
Urlaubsanspruch und Feiertage – ins Verhältnis
gesetzt. Verwendet die Lehrkraft mehr oder weni-
ger Zeit für die jeweiligen Tätigkeiten, wird dies
in der Gesamtrechnung nicht berücksichtigt. Die
verbleibendeZeit ist Arbeitszeit, diemitUnterricht
und sonstigen Tätigkeiten gefüllt werdenmuss.
Das Mindener Jahresarbeitszeitmodell geht davon
aus, dass eine Lehrkraft pro Jahr 1.804 und pro
Schulwoche 47,5 Zeitstunden arbeitet. Die Lehrer-
arbeitszeit besteht dabei in der Regel zu 75 Pro-
zent ausUnterrichtszeit.DazugehörendieVor- und
Nachbereitung des Unterrichts, Korrekturen, Klas-
senkonferenzen, Fach- und Zeugniskonferenzen,
das Schreiben von Zeugnissen. 25 Prozent der
Arbeitszeit sind in der Regel sogenannte System-
zeiten. Hierzu gehören alle weiteren schulischen
Arbeiten, zumBeispiel Stundenplanerstellungoder
Klassenlehrerschaft.
Ute Lorenz
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