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nds 5-2014
Entscheidungdes Arbeitsgerichts Aachen
KeinMaulkorb
für GewerkschafterInnen
Inklusion und Schulstrukturänderungen sind heiße
Themen und viele LehrerInnen – ob verbeamtet oder
angestellt –sindderzeit sehrunzufrieden.Dabei stellt
sich für Landesbeschäftigte immer wieder die Frage:
Wieundwodürfen sie sichäußernundPositionbezie-
hen? Der Fall des GEW-Kollegen Klaus D. Lange hat
jetzt einwichtiges Zeichengesetzt.
Gilt für Landesbeschäftigte eine Verschwie-
genheitspflicht, die der freien Meinungsäu-
ßerung entgegensteht? Dürfen angestellte
Lehrkräfte, die gleichzeitig Mitglieder einer
Gewerkschaft sind, als FunktionärInnen zu den
schwierigen Prozessen in Schule auch kritische
Aussagen treffen? Schulministerin Sylvia Löhr-
mann bezog dazu im Landtag deutlich Stel-
lung: Sie stellte klar, dass LehrerInnen zwar
ihre Loyalitätspflichten beachtenmüssen, aber
selbstverständlichKritik an der Gemeinschafts-
schule üben dürfen.
Interviewmit Folgen
Vor dem Arbeitsgericht Aachen wurde jetzt
über den Fall des Heinsberger GEW-Kollegen
entschieden: Klaus D. Lange hatte in seiner
Funktion als Vorsitzender und Pressewart der
GEW in Heinsberg ein Interview gegeben, das
am 15. Dezember 2012 unter der Überschrift
„Die Qualität der Schulbildung wird sinken“ in
den Lokalausgaben der Aachener Nachrichten
erschien. Aus Arbeitgebersicht formulierte der
Hauptschullehrer, der als Angestellter im Lan-
desdienst steht, darin problematische Kritik.
IndemGesprächmit der Zeitungginges um
die aktuelle Entwicklung der Schullandschaft
imKreisHeinsberg, umdie beginnendeUmset-
zung der Inklusion, um die Ungewissheit, die
in den Lehrerkollegien wie auch in der Eltern-
schaft herrschte. Klaus D. Lange sprach über
Themen, die zum Kerngeschäft der Bildungs-
gewerkschaft und ihrer Mitglieder gehören.
Er schilderte kritisch bekannte Probleme und
forderte Nachbesserungen, für die sich seine
Gewerkschaft seit langem starkmacht.
Trotzdem zitierte die Bezirksregierung den
Gewerkschafter zum Dienstgespräch. Der Vor-
wurf: Klaus D. Lange habe gegen die Loyalität
und Neutralität seines Amtes verstoßen. Seine
Foto: das plüschradio/ photocase.de
öffentlichenÄußerungen imRahmen des Inter-
views seien arbeitsrechtlich zu beanstanden.
Das Protokoll desDienstgesprächswurdealsVer-
merk der Personalakte des Lehrers hinzugefügt.
ErfolgreicheKlage
Dagegen hat Klaus D. Lange geklagt und
mit Unterstützung des GEW-Rechtsschutzes
beim Arbeitsgericht Aachen einen Vergleich
erreicht: Das Arbeitsgericht hat die Bezirksre-
gierung angewiesen, den Eintrag aus der Per-
sonalakte des Kollegen zu entfernen.
Das Arbeitsgericht habe deutlich gemacht,
dass das Anliegen des Gewerkschafters sehr
nachvollziehbar sei, so die Bochumer Rechts-
anwältin Sabrina Klaesberg. Sie hat Klaus D.
Lange im Prozess vertreten. Eine Kritik an der
gewerkschaftliche Tätigkeit des Klägers habe
dem Urteil zufolge im Arbeitsverhältnis nichts
zu suchen. Mit den deutlichen Aussagen des
Arbeitsgerichtes sei unterstrichenworden, dass
KlausD. Lange seineArbeit alsGewerkschafter
nicht unnötig erschwert werden dürfe. Lange
habe in dem Interview „sachliche Kritik geäu-
ßert, die keinerlei Anhaltspunkte dafür gab,
arbeitsrechtliche Konsequenzen anzudrohen“,
sagt SabrinaKlaesberg.
Die GEW geht davon aus, dass es sich hier
um einen Einzelfall handelt. Die Bildungsge-
werkschaft als Vertreterin der Beschäftigten
muss Kritik äußern dürfen. Es ist ein wichtiger
Teil unserer Demokratie, dass dies möglich ist
und bleibt.
Ute Lorenz
Ausblick: Besoldungsrunde2015
Gemeinsam stark für
gerechteBezahlung
Anfang 2015 stehen die nächsten Tarifver-
handlungen und die Besoldungsrunde an.
Droht ein Déjà-vu? Oder wird das Tarifergeb-
nis diesmal auf dieBeamtInnenübertragen?
Ein Selbstläufer sind Tarifverhandlungen und
Übertragungen auf den Beamtenbereich nie
gewesenundwerdenes auch künftignicht sein.
Gemeinsammit den Tarifbeschäftigtenmüssen
sich im kommenden Jahr die BeamtInnen der
Länder für gute Einkommensverbesserungen
und dieÜbertragung engagieren!
Grund zur Hoffnung gibt einUrteil des Bundes-
verwaltungsgerichts (BVerwG) von Dezember
2013 (Az.: 2 C 49.11): Es liefert wichtige Argu-
mentedafür, dassdie fehlendeTariflohnübertra-
gung für einigeBesoldungsgruppen inNRWaus
dem vergangen Jahr verfassungswidrig ist. Die
Abstände zwischen den Besoldungsgruppen
dürften demnach nicht infolge von Einzelmaß-
nahmen schrittweise eingeebnet werden. Auch
die unterschiedliche wirtschaftliche Leistungs-
fähigkeit der BeamtInnen rechtfertige die Un-
gleichbehandlung höherer Besoldungsgruppen
nicht. Ebensowenig dürfe eine angespannte
Haushaltslage zu Ungleichbehandlungen füh-
ren und sich zu Lasten einzelner Besoldungs-
gruppenauswirken.DasBVerwGdeutet alsoan,
dass der Landesgesetzgeber die Übertragung
von Tariferhöhungen oder die unterschiedliche
Behandlung der Besoldungsgruppen nicht un-
beanstandet regeln darf.
Die Bedingungen für die Verhandlungsrunde
2015 bleiben angesichts der Haushaltslage
schwierig. Gleichzeitig setzt der erfolgreiche
Tarifabschluss mit Bund und Kommunen – 3
Prozent mehr in 2014, weitere 2,4 Prozent in
2015 – ein positives Zeichen. Der Arbeitgeber
wird die langjährige Forderung der GEW nach
einer besseren Eingruppierung der Lehrkräfte,
entsprechend ihrermittlerweile gleichenAusbil-
dung, nicht länger ignorieren können.
Ute Lorenz
Referentin für Beamtenrecht,
Beamtenpolitik undMitbestim-
mung der GEWNRW
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