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thema
Ausbildung Theaterpädagogik
Handwerkszeug und Haltung
Die Kunst der Theaterpädagogik ist die
angeleitete Verfremdung und Verdichtung der
Wirklichkeit. Die Themen der SpielerInnen und
ihre Sicht auf die Welt werden als Ausgangs-
punkte genommen, um gemeinsam eine äs-
thetische und künstlerische Ausdrucksform zu
finden. Hieraus erwächst ein Prozess, dessen
Ergebnis Mut zum Fragment beweist: Es geht
nicht um den groß angelegten, narrativen
Entwurf. Was zählt, sind vielmehr die kleinen
Erzählungen.
Kreativität, Interaktion und Ästhetik
Die Theaterpädagogik zielt auf die Eta-
blierung und Förderung theaterpädagogischer
Inhalte in der kulturellen und interkulturellen
Bildungsarbeit – sowohl in der Erwachsenen-
bildung als auch in der Arbeit mit Kindern und
Jugendlichen. Vor allem in den drei Hauptbe-
reichen Kreativität, Kommunikation/Interakti-
on und Ästhetik können durch Theaterpädago-
gik und Theaterarbeit Kompetenzen vermittelt,
gefördert und erweitert werden.
Im Bereich der Kreativität werden die grund-
legenden Methoden und Elemente des Thea-
terspiels erfahren und reflektiert. Im Bereich
der Kommunikation/der Interaktion geht es
darum, das Verhaltensspektrum entsprechend
den Interessen und den Situationsbedingungen
zu erweitern. Der Bereich der Ästhetik umfasst
die Theorie und Praxis des Theaters als Kunst-
form. Das Theater wird in seinen ästhetischen
Varianten erprobt.
Bedeutung und Potenzial
Die Bedeutung der Theaterpädagogik –
sowohl für die Bildung als auch für die
Darstellende Kunst – hat in den letzten 20
Jahren stark zugenommen. Die ausgebildeten
TheaterpädagogInnen tragen die vielen As-
pekte von Theater in die unterschiedlichsten
Teile der Gesellschaft. Theaterpädagogik um-
fasst dabei den gesamten Wirkungskreis des
Theaterspiels im soziokulturellen Bereich, in
der Schule, im Freizeit-, Amateur-, Kinder- und
Jugendtheaterbereich.
Theaterpädagogik bietet Spielräume für
Spiel mit allen Sinnen und Gefühlen. Sie bietet
einen geschützten, interaktiven Handlungs-
raum und ein Forum kultureller Verschieden-
heit und interkultureller Begegnung.
Theaterpädagogik fördert den Einzelnen.
Die individuellen, spielerischen, körperlichen,
gefühlsmäßigen, sprachlichen und geistigen
Gaben, die wahrnehmenden, kommunikativen,
handlungsorientierten und kreativen Fähigkei-
ten werden unterstützt.
Theaterpädagogik fördert die Gruppe. Kon-
takte, Gedankenaustausch, Gespräche und
das gemeinsame, zielorientierte Tun bauen
soziale und kulturelle Schranken ab und ver-
binden die TeilnehmerInnen.
Haltung ist gefragt
Für ein professionelles theaterpädago-
gisches Verständnis müssen auch die Begriffe
„Theater“ und „Pädagogik“ neu definiert wer-
den. Theaterpädagogik ist sowohl Kunst durch
Pädagogik als auch Pädagogik durch Kunst.
Grundlage bietet hierbei der erweiterte Kunst-
begriff, in dessen Zentrum der Mensch, das
Selbst und das Leben stehen.
In der theaterpädagogischen Aus- und Wei-
terbildung ist neben dem Handwerkszeug
die Entwicklung von Haltungen ein entschei-
dender Faktor. Hierzu gehören auch ethische
Haltungen: Der Mensch ist ein schöpferisches
Wesen. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Er
braucht das Du, das Gegenüber zur Reflexion
und Weiterentwicklung. Der Mensch ist ein ein-
zigartiges Wesen. Jeder Mensch verdient Zutrau-
en zu dem, was er ist und was er sein könnte.
Die künstlerisch pädagogische Haltung
zeigt sich im Wechselspiel zwischen Vermitt-
lung, Verstörung und Verlockung. Vermitt-
lung beinhaltet das kritische Verstehen des
Systems, in dem gehandelt wird. Verstörung
bedeutet Irritation des Systems – auch des
Eigenen – mit den Mitteln des Theaters. Sie
ist in diesem Zusammenhang ein kreativer Im-
puls, der fruchtbar gemacht wird. Verlockung
ist eine Form der Verführung, die persönlichen
Grenzen zu überschreiten und intrinsische Mo-
tivation zu wecken.
Cord Striemer
Theaterpädagogik ist die Arbeit
mit unbekannten Variablen: offener
Raum, geschützter Raum, ergebnisof-
fener Prozess, im Moment sein, Trans-
parenz, Improvisation als Haltung
und Mut zum Risiko.
Foto: GREND-Bildungswerk/TPZ-Ruhr
Bundesverband Theaterpädago-
gik e. V. (BuT): aktuelle Infos und
Richtlinien für die Ausbildung
DRadio: Dossier zum Studium
der Theaterpädagogik
p us
Cord Striemer
Spiel- und Theaterpädagoge,
pädagogischer Leiter des Theater-
pädagogischen Zentrums Ruhr und
des GREND-Bildungswerks
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