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nds 7/8-2013
Einen Rückschlag in den deutsch-kuba-
nischen Beziehungen kurz vor Unterzeich-
nung eines solchen Abkommens brachte der
„Schwarze Frühling“ im März 2003 – eine
Verhaftungswelle von Oppositionellen mit har-
ten Freiheitsstrafen und der Hinrichtung dreier
Entführer einer Fähre. Das Europaparlament
verurteilte die Vorgänge. Die offizielle Zusam-
menarbeit mit Kuba wurde eingestellt. Inzwi-
schen sind seit dem Regierungswechsel durch
Raul Castro die Weichen in der EU wieder auf
Annäherung gestellt.
Politische Vorbehalte
Die Verletzung von Grundrechten sind an-
zuprangern, wo immer dies geschieht und egal
von welcher Regierung ausgeführt oder gedul-
det. In Kuba sind die Presse- und Meinungsfrei-
heit eingeschränkt. Andere politische Parteien
neben der PCC sind verboten. Die Revolution
wird streng verteidigt gegenüber konterrevoluti-
onären Angriffen und was als Angriff gilt, darü-
ber entscheidet die politische Führung. Fakt ist
aber auch, dass die USA mit ihrem Wirtschafts-,
Handels- und Finanzembargo seit 1962 einen
lautlosen Krieg gegen Kuba führen: Die Kuba-
ner haben sich mit der Revolution erdreistet,
staatliche Souveränität herzustellen, amerika-
nische Großkonzerne zu verstaatlichen und Ba-
tista, den Diktator von Amerikas Gnaden, außer
Landes zu schicken. Am 14. November 2012 hat
die Generalversammlung
der Vereinten Nationen mit
überwältigender Mehrheit
zum 21. Mal die USA we-
gen des Wirtschaftsembar-
gos gegen Kuba in einer
Resolution verurteilt. Bis-
lang ohne Erfolg. Der wirtschaftliche Schaden,
der dem Inselstaat durch die Wirtschaftsblo-
ckade entstanden ist, wird auf 100 Milliarden
US-Dollar geschätzt.
Wirtschaftskrise wirkt sich auf den
Bildungssektor aus
Kuba exportiert seine hervorragend ausge-
bildeten LehrerInnen in das befreundete Aus-
land. Dies geschieht aus Solidarität, aber zum
Beispiel auch, um im Austausch mit Venezuela
verbilligte Öllieferungen zu erhalten. Die Perso-
nallücke wird durch den Einsatz von Hilfsleh-
rerInnen geschlossen. Es gibt Befürchtungen,
dass dies zu einem Absinken des hohen kuba-
nischen Bildungsniveaus führen könnte.
Infolge der Wirtschaftskrise hat Kuba den
Tourismus zu einer staatlichen Haupteinnah-
mequelle ausgebaut und ermöglicht in einem
begrenzten Rahmen inzwischen auch markt-
wirtschaftliche Initiativen.
Das weckt kapitalistische
Begehrlichkeiten
und
befördert mit der Dop-
pelwährung – harte tou-
ristische Devisen neben
dem kubanischen Peso –
soziale Ungleichheit. Die harte Währung erhält
man entweder über Verwandte im Ausland
oder über Verbindungen zum Tourismus. Fakt
ist, dass ein Zimmermädchen im Monat mehr
verdienen kann als eine akademisch ausgebil-
dete Lehrkraft. Das untergräbt die Begeiste-
rung für den Lehrberuf, und auch LehrerInnen
versuchen sich im Tourismus unterzubringen.
Brigitte Schumann
SchülerInnen der Förderschule für seh- und hörbehinderte Kinder sowie Jugendliche in Santa Clara.
„Eine Bildungsreise nach Kuba
lohnt sich immer. KollegInnen
lege ich ans Herz, die Entwick-
lung Kubas – solidarisch und
kritisch zugleich – zu verfolgen.“
Das kubanische Bildungssystem
Der Besuch von der Vorschule und Schule
sowie die universitäre beziehungsweise beruf-
liche Ausbildung sind kostenfrei. Es gilt eine
Schulpflicht von neun Jahren. Die Schulklassen
umfassen nicht mehr als 20 SchülerInnen.
Nach der sechsjährigen Grundschule folgt eine
dreijährige Mittelschule, danach schließt sich
entweder eine Berufsschule oder eine auf das
Studium vorbereitende Schulart von drei Jah-
ren an. Das Studium dauert in der Regel zehn
Semester. Im Anschluss leisten die Absolven-
tInnen der Universität in ihrem Fachgebiet drei
Jahre lang einen Sozialdienst ab. Der Anteil
der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt
beträgt in Kuba 14,3 Prozent. In Deutschland
dagegen nur 5,3 Prozent.
Brigitte Schumann
Freie Bildungsjournalistin
Musikhochschule Guillermo Tomás, Havanna: KünstlerInnen und MusikerInnen brauchen auch mal eine Pause.
Werk eines Schülers der Kunsthochschule San Alejandro.
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