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THEMA
PrekäreBeschäftigung imOffenenGanztag
Höchste Zeit fürWertschätzung
Beschäftigung in der OGS zeichnet sich vor
allem aus durch die sehr niedrige, oft nicht
tarifgebundene Bezahlung und dadurch feh-
lende Fachkräfte sowie einen viel zuniedrigen
Stundenumfang. Es fehlenRäumlichkeitenund
die Einrichtungen sind bei unzureichendem
Personalschlüssel chronisch überbelegt. Struk-
turen sind nicht etabliert, dieOrganisation ist
mangelhaftundSchulenwerdennicht aufden
„Einzug“ des Offenen Ganztags vorbereitet.
UnterdenMitarbeiterInnenherrschteinehohe
Fluktuation und es braucht ein permanentes
Krisenmanagement. EinwesentlicherGrund für
diederartprekäreBezahlungderBeschäftigten
unddiedesaströse (finanzielle)Gesamtausstat-
tungdeSOffenenGanztags sinddie fehlenden
Qualitätsstandards.Hier liegtdergrundlegende
Unterschied zu anderenBildungsbereichen.
Gesetzesgrundlage: Fehlanzeige!
DieOGS istweder indas Kinderbildungsge-
setznoch indas Schulgesetz eingebunden.Mit
ihm wurdeeinBildungsbereichgeschaffen, der
nur auf Erlassenberuht. Das bedeutet: Für die
pädagogische Arbeit gibt es keine gesetzlich
festgeschriebene Einstellungsvoraussetzung,
wie zumBeispiel eineerzieherischeAusbildung
odergareinPädagogikstudium.So istderOffene
Ganztag ein Sammelbecken fürQuereinsteige-
rInnen, BerufsanfängerInnen, Studierendeund
ÜbergangsjobberInnen,waszueiner sehrhohen
Fluktuation und Überlastung der Mitarbeite-
rInnen führt. Viele Fachkräfte bewerben sich
schnellweiteraufdeutlichbesserbezahlteStel-
lenmitZukunftsperspektiveundStufenaufstieg.
Für tariflich bezahlte ErzieherInnen kann das
bei gleicher Stundenanzahl einenUnterschied
vonmehrerenHundert Euronettoausmachen.
Viele PädagogInnen inder OGS bekommen
keinen InflationsausgleichundkeineGehaltsan-
gleichung.DasGehaltstagniertübervieleJahre.
Soverringert sichder Lohn faktischvon Jahr zu
JahrdurchdiesteigendenLebenshaltungskosten
und die Schere zu tariflich bezahlten Erziehe-
rInnenwird immer größer.
DiemeistenStellen imOffenenGanztagsind
zudem auf Teilzeit ausgelegt. Für Gruppenlei-
tungen sind im Durchschnitt 25 Stunden pro
Wochevorgesehen, bei denErgänzungskräften
reicht diewöchentliche Arbeitszeitspanne von
13 bis 20 Stunden – und das bei bis zu 30
Kindern pro Gruppe. Die Folge: Häufig ist die
Gruppenleitungallein inder Gruppe, was eine
hohe Belastung darstellt und beispielsweise
im Krankheitsfall zu organisatorischen Notsi-
tuationen führt.
GestiegeneAnsprüche,
unveränderteRahmenbedingungen
VielepädagogischeBetreuerInnen imOffenen
GanztagerhalteneinGehalt, dasunterdemSo-
zialhilfesatz liegt.Diemeistenvon ihnenhaben
deshalbeineweitereArbeitsstelleodermüssen
ihr Gehalt durch staatlicheUnterstützungwie
WohngeldoderHartz IVaufstocken. Einederart
unattraktiveBezahlung führt zueinemenormen
Fachkräftemangel imOffenen Ganztag. Diese
RahmenbedingungenberuhenaufdenAnfängen
des Ganztags. Hier sollte lediglich eine Über-
mittagsbetreuunggeschaffen werden. Esging
darum, dass zumBeispielMütter einenkleinen
Nebenjob an der Schule ihrer Kinder haben,
einigewenigeSchülerInnenmit Essenversorgen
undbeaufsichtigen – ein Provisorium auf dem
Weg zur Ganztagsschule. Der Wirklichkeitsan-
spruch ist allerdingsmittlerweile ein komplett
anderer:AusderÜbermittagsbetreuungwurde
eine unverzichtbare pädagogische Institution
mitanspruchsvollemundkomplexemBildungs-
auftragundeinemmassivwachsendemBedarf
anPlätzen.DiefinanzielleAusstattungänderte
sich jedochkaum. Soberuhtvielauf zusätzlicher
Zeit, die freiwillig investiert wird. Zweitkräfte
sind oft nur in Stoßzeiten vorhanden.
Prekäre Verhältnisse wie diese lassen sich
vielfach in Frauenberufen finden. Heutzutage
sind aber auch Frauen häufig Hauptverdie-
nerinnen und müssen ihre Familie von ihrem
Einkommen ernähren.
WenndieKommune sichausder
Verantwortung stiehlt
VereinzeltwerdendieTräger fürdieschlechte
Ausstattungder OGS verantwortlichgemacht,
vorallemwenndieBetreuungvonder Stadtan
privateKinder-undJugendhilfeträgerabgegeben
wurde.DieStadtgibtdiefinanziellenMittel an
dieTrägerweiter,die ihreEinrichtungenmitdem
zurVerfügung stehendenGeldausstatten.Dies
ist beispielsweise inKölnder Fall:Hierwirdein
kompletter Bildungsbereich ausgelagert, dem
Wettbewerbunter den freienTrägernund sich
selbst überlassen. Über 50 Träger bietenmitt-
lerweile in Konkurrenz zueinander die Offene
Ganztagsbetreuungan. DieKommune als Ver-
tretungdesStaatesöffnetdamit Lohndumping
Tür und Tor, da es keinerlei Mindeststandards
undQualitätskontrollen gibt.
Die Zusammenführung vonHort und Schule zur OffenenGanz-
tagsschule (OGS) vor 13 Jahrenhatte einhohes Potenzial, umdie
Bildungssituation vonKindern zu verbessern – ganz nach skandi-
navischemVorbild. Dochdie qualitativen Standards desHortes
wurdennicht übernommen, der großflächige quantitativeAusbau
stattdessenmassiv vorangetrieben. Und sohat die deutscheOGS
wenig ihremVorbildgemein: Sie ist ein chronischunterfinanzierter
und zugleichunverzichtbarer Bildungsbereichmit anspruchsvollen
pädagogischenAufgaben, dem es an allemmangelt – auch an
fairer Beschäftigung.