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BILDUNG
Dortmund im Juni 2016: Rund1.000Neonazis ziehen zum
selbst ernannten „Tagder deutschen Zukunft“ durchdie Stadt,
unter ihnenAnhängerInnender Partei DieRechte undder
NPD.Was unbegreiflich scheint: Sie dürfendas. Ebensowie
ihre Parteien existierendürfen.Warum Parteiverbote nicht die
Lösung sein könnenundwasGewerkschaften tun können.
Gewerkschaftliche PositionengegenRechtsaußen
Das erneute Verbot
der Verbotenen?
ImMärz 2016 verhandelte das Bundesver-
fassungsgericht ineinerdreitägigenAnhörung
überdenAntragdesBundesratesaufeinVerbot
der rechtsextremenParteiNPD.SchonzuBeginn
machten die RichterInnen klar: Parteiverbote
seien eine Ultima Ratio des Staates mit zwie-
spältigenFolgen. SieschränkendieDemokratie
ein, umdieDemokratie zu schützen. IhrEinsatz
muss mit Bedacht und besonderer Vorsicht
geprüftwerden. ZweiKriterienmüssenParteien
in Deutschland erfüllen, um verboten werden
zukönnen: IhreZielemüssendemKernunseres
Grundgesetzeswidersprechenund ihrHandeln
muss aktiv kämpferisch gegen die freiheitlich
demokratische Grundordnung gerichtet sein.
Hinzu kommt die Rechtsprechung des Euro-
päischen Gerichtshofes für Menschenrechte.
Sie verschärft dieDebatte umdieAspekte der
RelevanzbishinzumNachweisder tatsächlichen
Staatsgefährdung.
Emotional nachvollziehbar,
aber aussichtslos
In NRW fordern viele GewerkschafterInnen
Hand inHandmit den Spitzender SPD, vielen
Grünen, Linken und auch Christdemokraten
ein Verbot der besonders in Dortmund und
Hamm aktiven Partei Die Rechte. Tatsächlich
fallenderenMitgliederund sympathisierenden
UmfelderwiederholtmitklarenHinwendungen
zum historischen Nationalsozialismus, mit Be-
drohungen, Einschüchterungsversuchen und
Gewalttaten gegen ihre vermeintlichen Geg-
nerInnen auf. Ihr rechtsextremer Charakter ist
genauso unbestritten wie die Notwendigkeit
einer konkretenAuseinandersetzung vor Ort –
auchvonseitenderGewerkschaften. Emotional
ist daher eine ForderungnachVerbotendieser
Prof. Dr. DierkBorstel
Professor für praxisorientierte Politik-
wissenschaft an der Fachhochschule
Dortmund, Vertrauensdozent der
Hans-Böckler-Stiftung und Sachver-
ständiger imNPD-Verbotsverfahren
Umtriebe vonseitender Zivilgesellschaft nach-
vollziehbar. Sinnvoll ist sie jedoch nicht und
dafür gibt esmehrereGründe.
Das Bundesverfassungsgericht hat in der
Anhörung seine Zweifel an der Relevanz der
NPD, die imGegensatzzuderParteiDieRechte
deutlich erfolgreicher und größer ist, mehr als
deutlichgemacht.Die InnenministervonBayern
und Mecklenburg-Vorpommern kamen gewal-
tig ins Schwitzen, als sie eine Gefährdung der
BundesrepublikDeutschlandbegründensollten,
dievoneiner Parteimit5.200Mitgliedernund
einereinzigenLandtagsfraktionausgeht.Gegen
dieNPD handelt es sich bei der Rechten noch
um einen Zwergenverein ohne Aussicht auf
parlamentarischeVertretungenaufLandes-oder
gar Bundesebene. EinVerbotsantrag ist daher
trotzdesunbestritten rechtsextremenCharakters
der Partei angesichts fehlender Gefährdung
des Staates völlig aussichtslos. Die Aufrecht-
erhaltung der Forderung bindet nur Energien
der DemokratInnen, die sinnvoller eingesetzt
werden sollten.
Hinzu kommt: Gerade aus der Partei Die
Rechte lässt sich auch für die Zukunft lernen.
Schließlich handelt es sich um eine Reaktion
auf bereits ausgesprocheneVerbotegegendie
Vorläuferorganisationen wie den „Nationalen
Widerstand Dortmund“, der personell mit der
Rechtennahezudeckungsgleich ist.Warumein
erneutesVerbotder bereitsVerbotenenandere
Wirkungen haben sollte als Innovationen und
Radikalisierungen inder rechtsextremenSzene,
vermochten VerbotsbefürworterInnen bislang
auch noch nicht zu erklären. Oft sind diese
InnovationenmitnochmehrGewaltverbunden.
VorallemmitBlickaufdieOpfer rechtsextremer
Gewalt istdies inbesondererWeisezubeachten.
GegenHassundAngst vorgehen
Was folgt nundaraus?Die erneuteVerbots-
forderung inNRW ist politisch hilflos und fan-
tasiefrei. Die Gewerkschaften sollten daraus
Schlüsse ziehen, denn sie besitzen mit ihren
AnsätzenderDemokratieförderungbereits jetzt
Lehren, die es weiter umzusetzen gilt. Rechts-
extremismus lebt von Angst undHass. Gegen
Hass mussderRechtsstaatbestehendeGesetze
konsequentanwendenundVergehenahnden. Im
Betrieb, in der Familie und in der Schulemuss
Hass widersprochen werden und Solidarität
gelebt werden.
Gegen Angst kommen Strafgesetze hinge-
gen nicht an. Gegen Angst helfen nur soziale
IntegrationundderAufbaueiner solidarischen
Bürgergesellschaft, diedieMenschen integriert
undKonfliktebenennt, um sie lösen zukönnen.
HiermüssendieGewerkschaftenweiteransetzen,
umglaubhaftFlaggegegenRechtsextremismus
zu zeigen. FürdieGEWheißtdasvorallem, ihre
ForderungennachDemokratisierung vonKita,
Schule und Hochschulen weiterzuentwickeln.
Das ist die glaubhafteste Antwort auf die An-
feindungenvonRechtsaußenunddieüberzeugt
auchohnepopulistischeVerbotsforderungen.
//
Foto: kemai/photocase.de
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