Betr.: nds 10-2013, Übergangssystem
Schule und Beruf
In der Rubrik Nachrichten wird berich-
tet, dass in NRW über 70.000 Achtklässle-
rInnen durch das Übergangssystem „Kein
Abschluss ohne Anschluss“ (KAoA) erreicht
worden seien. Dass dieses Projekt allerdings
das Angebotswirrwarr, die Warteschleifen in
Berufsvorbereitungsklassen und die Ausbil-
dungsabbrüche reduziert, bezweifle ich stark.
Als Berufskoordinatorin an einer Haupt-
schule kann ich nicht feststellen, dass die
SchülerInnen unserer Schule besser berufso-
rientiert sind, seit wir eine intensive Vorberei-
tung auf eine mögliche berufliche Ausbildung
schon ab der fünften Klasse betreiben. Zwar
ist unsere Schule mit dem Berufswahlsiegel
zertifiziert und eine von fünf „Startklar!“-Schu-
len in Siegen, die ihre SchülerInnen mit maxi-
malem Aufwand durch ein Berufswahlsystem
führt. Doch zu mehr Ausbildungsverträgen
hat das nicht geführt. Viele SchülerInnen stre-
ben keine Ausbildung, sondern eine weitere
schulische Karriere beziehungsweise ein Stu-
dium an, obwohl weder die Potenzialanalyse
noch die schulischen Leistungen einen sol-
chen Weg hergeben. Immer wieder stellen wir
fest, dass sowohl die Jugendlichen als auch
ihre Eltern beratungsresistent sind.
Das neue Übergangssystem KAoA redu-
ziert die dreitägige Potenzialanalyse, die man
von „Startklar!“ kennt, auf einen Tag. Über die
gewonnenen Erkenntnisse kann man spekulie-
ren. Anschließend sollen die SchülerInnen drei
Tagespraktika in Berufen absolvieren, die die
Analyse empfiehlt. Dass drei Schnupperprak-
tika in der achten Klasse einen Studien- oder
Ausbildungsabbruch verhindern, bezweifle
ich. In Siegen haben nur wenige SchülerInnen
Praktikumsplätze für einen Tag gefunden. Wie
auch? Viele Betriebe wissen nichts von KAoA
und öffentliche Arbeitgeber stehen überhaupt
nicht zur Debatte.
Mittlerweile bin ich überzeugt, dass weniger
oft mehr ist. Die besten Ratgeber sind die El-
tern, die LehrerInnen und die Berufsberatung.
Fällt das Elternhaus in seiner Beratungs- und
Entscheidungsfunktion weg, helfen alle Analy-
sen, Camps und Schnupperpraktika nicht, weil
die Jugendlichen nicht nur beruflich, sondern
allgemein ohne Orientierung sind. Und wegen
dieser allgemeinen Ausbildungsunreife wer-
den die Berufsvorbereitungsklassen entgegen
aller Ankündigungen auch weiterhin existie-
ren und leider gut gefüllt sein. Was wir an
den Schulen erleben, sind die Auswirkungen
Betr.: nds 11/12-2013, Leserbrief von
Guido Bley zu „Das Berufskolleg auf
dem Weg zur Inklusion“
Bekanntlich ist die Inklusion in Deutsch-
land nicht gewachsen, sondern wird „von
oben nach unten“ umgesetzt. Deshalb trifft
sie das deutsche Schulsystem relativ unvor-
bereitet. Dabei ist es nicht so, dass alle
LehrerInnen in NRW im neuen Schuljahr mit
Inklusion konfrontiert werden. In bisher nicht
involvierten Schulen sind es nur wenige, die
oft unfreiwillig als erste per Unterrichtsvertei-
lung die neue Situation erleben.
Bisher haben Schulen Inklusion realisiert,
die durch besonderes Engagement dazu in
der Lage waren. VertreterInnen dieser Schulen
sitzen in Diskussionen häufig als Kronzeugen
auf dem Podium. Aber in der Regel konnten
sie Einfluss darauf nehmen, welche und wie
viele SchülerInnen sie aufnehmen wollten. So
konnten Überforderungen vermieden werden.
Das wird ab 2014 anders werden.
Die Klassengröße wurde bisher oft als
unwichtig heruntergespielt, jetzt wird sie zu
einem wesentlichen Faktor. Die konkreten
Forderungen der GEW dazu sind ein richtiger
Schritt. Dennoch ist dem Kollegen Guido
Bley zuzustimmen, wenn er schreibt, dass die
GEW der herrschenden Überforderung in den
Kollegien nicht gerecht wird und gegenüber
der Landesregierung zu passiv auftritt. Die
GEW muss die KollegInnen nicht nur anlei-
ten, sich zu wehren, sie muss auch dafür sor-
gen, dass sie sich äußern und gehört werden.
Peter Ueding
Betr.: nds 11/12-2013, Haben Lehre-
rInnen Ferien?
Genau wie die Autorin des Artikels habe
ich in den vergangenen zwei Schuljahren mei-
ne Arbeitszeit genau protokolliert. Als Grund-
schullehrerin war ich unterhälftig in Teilzeit
beschäftigt und gleichzeitig aus familienpo-
litischen Gründen beurlaubt. Ich hatte die
Klassenleitung eines ersten beziehungsweise
zweiten Schuljahres übernommen. Der Anteil
verhaltensauffälliger SchülerInnen war extrem
hoch, woraus sich ein erheblicher zusätzlicher
eines gesellschaftlichen Wandels und eines
selektiven Schulsystems, denen man kaum mit
einer verbesserten Berufs- und Studienorientie-
rung begegnen kann.
Kerstin Burgmann
Zeitaufwand aufgrund von erzieherischen
Maßnahmen, Gesprächen und Dokumenta-
tionen ergab. Hinzu kam die ungekürzte
Teilnahme an Konferenzen, Fortbildungen,
Schulveranstaltungen und Elternsprechtagen.
Vor dem Hintergrund einer Teilzeitbeschäf-
tigung ist die Bilanz besonders verheerend:
Bezogen auf die vorgesehene Jahresarbeits-
zeit im öffentlichen Dienst von 1.804 Stunden
(bei einer Wochenarbeitszeit von 41 Stunden)
und in Bezug auf die sich daraus ergebende
reduzierte Arbeitszeit aufgrund meiner Teil-
zeitbeschäftigung habe ich als Klassenlehre-
rin des ersten Schuljahres 19 Wochen [sic!]
Überstunden gemacht, im zweiten Schuljahr
waren es dann „nur“ noch 15 Wochen.
In einer Art Verzweiflungstat habe ich mich
damals an das Schulministerium gewandt. Die
Antwort: Die Lehrerarbeitszeit entspreche den
allgemeinen Arbeitszeiten des öffentlichen
Dienstes. Man riet mir, das Gespräch mit der
Schulleitung zu suchen. Deren Möglichkeiten,
für eine zeitliche Entlastung zu sorgen, sind
aber aus meiner Sicht sehr begrenzt: Sollte
die Schulleitung mir etwa raten, die beschrie-
benen Arbeitsbereiche einer Klassenlehrerin
zu vernachlässigen? Selbst wenn ich an keiner
Konferenz oder Fortbildung mehr hätte teil-
nehmen müssen, hätte das noch nicht einmal
zu einer Reduzierung der Arbeitzeit um zwei
Wochen pro Jahr geführt. Ähnlich habe ich
dies auch ans Schulministerium zurückgemel-
det. Antwort: Die Schulleitung sei verpflichtet,
meinen Einsatz entsprechend auszugestalten.
„Dass dies nicht möglich sein sollte, [sei dem
Ministerium] bislang nicht bekannt geworden.“
Name der Redaktion bekannt.
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