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Studie: Cybermobbing an Schulen
Amanda Todd: „My story: Strugg-
ling, bullying, suicide, self harm“
p us
Kinder und Jugendliche kämpfen gegen Cybermobbing
Opfern rechtzeitig helfen!
Cybermobbing unter SchülerInnen endet oft in Tragödien. Tim, Amanda und
Fleur waren Teenager, die dadurch in den Tod getriebenwurden. Auf den Internet-
plattformen Myspace und Facebook wurden sie schikaniert. Sylvia aus Reck-
linghausen dachte ebenfalls an Selbstmord. Doch ihre Geschichte ging ganz
anders aus.
Klaus D. Lange
nds-Redaktion
Der Fall von Amanda Todd aus Vancouver
löste im Oktober 2012 neue Diskussionen
über Mobbing im Internet aus: Die Schülerin
hatte mit einem Fremden gechattet und sich
für ihn vor der Kamera ausgezogen. Er spei-
cherte ein Nacktfoto der damals 13-Jährigen
und verschickte es an ihre Freunde. Danach
war das Mädchen im Netz Mobbingatta-
cken ausgesetzt. In einem Video rief Amanda
stumm um Hilfe, indem sie ihre Geschichte
geschrieben auf Zetteln in die Kamera hielt.
Nur einige Wochen später beging sie Suizid.
Von Jugendlichen für Jugendliche
Jugendliche wie Amanda suchen sich häu-
fig keine oder schlichtweg zu spät Hilfe. Dabei
gibt es viele Beratungsangebote – online
sowie offline. Hierzu zählt auch die Plattform
Ein Mädchen mit dem Pseu-
donym „felidae666“ berichtet von anonymen
Beschimpfungen über die Nachrichten-App
WhatsApp mit beleidigenden Inhalten: „Na,
bist du diese Hure aus Facebook?“ Juuuport
ist ein bundesweites Projekt, das SchülerInnen
helfen soll, sich vor Belästigungen zu schüt-
zen. Speziell ausgebildete Teenager antworten
auf die Hilferufe der Gleichaltrigen.
Der Fall Tim R.
Im Abschiedsbrief an seine Eltern schreibt
Tim R., 20 Jahre: „Liebe Pap und Mam, ich
wurde mein ganzes Leben lang verspottet, ge-
mobbt, gehänselt und ausgeschlossen. Ihr seid
fantastisch. Ich hoffe, dass ihr nicht sauer seid.
Auf Wiedersehen, Tim“ (übersetzt aus dem nie-
derländischen Original). Das Umfeld reagierte
fassungslos, doch keiner soll etwas von Tims
Leidensweg gemerkt haben, der bereits in der
Grundschule begann. Weiter ging es dann an
der Pädagogischen Hochschule, an der Tim
studierte. Doch auch dort war von Mobbing
nichts bekannt. Die Eltern meldeten der Polizei
Details erst nach dem Suizid ihres Sohnes. Tim
wollte Geschichtslehrer werden und bereitete
sich auf ein Auslandspraktikum vor.
Internet zieht MobberInnen an
Im Juli 2013 veröffentlichten die Universi-
täten Münster und Hohenheim die Umfrage
„Cybermobbing an Schulen“. Sie zeigt: Jeder
dritte Jugendliche ist von virtuellen Schikanen
betroffen. Doch ein Drittel von ihnen ist nicht
nur Opfer, sondern auch TäterIn. Beschimp-
fungen, Gerüchte streuen, peinliche Bilder
zeigen: Aus der Studie mit mehr als 5.600
SchülerInnen an 33 Schulen in Süddeutsch-
land geht hervor, dass beleidigende Nachrich-
ten am weitesten verbreitet sind. 14,5 Prozent
der Befragten gaben dies an. In 7,9 Prozent
der Fälle wurden vertrauliche Informationen
an Dritte weitergeleitet. Das Hochladen pein-
licher Bilder und Videos bei YouTube und die
Inhalte damit für die breite Öffentlichkeit
zugänglich zu machen, kommt hingegen eher
selten vor – lediglich in 1,9 Prozent der Fälle.
Cybermobbing ist auch schon bei Jüngeren
ein Thema, doch es nimmt mit dem Alter zu.
In Klasse 7 sind rund acht Prozent der Schüle-
rInnen TäterInnen, im zehnten Jahrgang sind
es etwa doppelt so viele. Laut der Studie ist ei-
ne klare Unterscheidung zwischen TäterInnen
und Opfern nicht immer möglich.
Der Fall Fleur
Die 15-jährige Fleur wurde schikaniert und
nahm sich deshalb das Leben. Vor den Augen
ihrer MitschülerInnen warf sie sich im nieder-
ländischen Meppel Ende 2012 vor einen Zug.
Die Eltern des Mädchens gehen seitdem ge-
meinsam mit Fleurs ehemaliger Schule gegen
Mobbing vor. Sie überließen der Schule auch
den Abschiedsbrief ihrer Tochter. Darin nann-
te Fleur die Namen ihrer Peiniger.
Von der Seele schreiben
Eines der vielen Mobbingopfer in Deutsch-
land ist Sylvia Hamacher (s. Interview Seite 21):
Eineinhalb Jahre lang litt sie unter Attacken
ihrer MitschülerInnen an einem Gymnasium im
Kreis Recklinghausen. Als sie nicht alle Klassen-
kameradInnen zu ihrem 14. Geburtstag einlädt
und sich damit dem Gruppenzwang widersetzt,
ändert sich von heute auf morgen ihr Leben.
Die Freundinnen ignorieren und beleidigen sie.
Bald macht die ganze Schule mit. Sylvia wird
zur Außenseiterin.
Sie übersteht den Angriff eines Mädchens
und eine Morddrohung und entschließt sich
für den Schulwechsel. Nur mithilfe einer Psy-
chologin und dem Rückhalt ihrer Familie
gelingt es ihr, das Erlebte zu verarbeiten. Die
Abiturientin nutzt ihre Erfahrungen heute,
um als Mobbingexpertin Präventionsarbeit
zu leisten: Sylvias Wissen hilft SchülerInnen
und LehrerInnen, Mobbingopfer rechtzeitig
zu erkennen, um schnelle Hilfe zu leisten.
Klaus D. Lange
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Foto: istockphoto.com