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BILDUNG
Gustav Horn ist wissenschaftlicher Direk-
tor der Hans-Böckler-Stiftung. Er machte in
seinem Buch „Des Reichtums fette Beute“ die
Ungleichheit für den ruinösen Zustand unse-
res Staates verantwortlich. Die nds hat ihn
nach Auswegen gefragt.
nds: Wie lange kann ein Staat funktionie-
ren, in dem (finanz-)wirtschaftliche Gewinne
privatisiert und Kosten sozialisiert werden?
Gustav Horn:
Das wird auf Dauer zu gra-
vierenden wirtschaftlichen und politischen
Verwerfungen führen. Die letzte Bankenret-
tung hat die Staatschuldenquote um ca. 20
Prozent vom BIP erhöht. Wir können uns dies
nicht noch einmal leisten.
nds: Ist allein eine „Schuldenbremse“ zur Sa-
nierung der Staatshaushalte der richtige Weg?
GH:
Nein. Ohne Wachstum wird man die
Verschuldung nicht reduzieren können. Wenn
die Regierung sich dann verpflichtet, diesen
einen vorgegebenen Ausgabenpfad einzuhal-
ten, gehen die Schuldenstände gleichsam au-
tomatisch zurück. Gleichwohl gilt, dass der
Staat derzeit unterfinanziert ist. Wir kommen
auf Dauer um Steuererhöhungen nicht herum.
nds: Leih- oder Zeitarbeiterinnen und
-arbeiter können immer häufiger von ihren
Jobs nicht leben. Um Mindestlöhne wird
gerungen und Tarifverträge werden um-
gangen. Wie sind Einkommensverluste und
die weitere Schröpfung der Beschäftigten
vermeidbar?
GH:
Man braucht auf dem Arbeitsmarkt
Regulierungen, die ein solches Lohndumping
verhindern. Alles andere führt letztlich immer
zu der Gefahr von Einkommenseinbußen.
nds: Was sind für Sie wichtige Eckpunkte ei-
ner Marschroute für eine stabile und gerechte-
re Zukunft? Welche Impulse wären nötig?
GH:
Wir brauchen stärkere Regulierungen
auf dem Finanz- und dem Arbeitsmarkt. Wir
müssen die Eurokrise rasch überwinden und
wir benötigen eine gerechtere und insgesamt
höhere Besteuerung.
nds: Die Kraft-Politik in NRW propagier-
te den „vorsorgenden Sozialstaat“. Die Bil-
dungspolitik war dabei ein wichtiger Bau-
stein. Zukunftsinvestitionen auch bei klam-
mer Kasse? Wo liegen Ihre Prioritäten?
GH:
Die vorsorgende Ausgabenpolitik war
völlig adäquat, denn sie kann künftige Aus-
gaben vermeiden helfen. Priorität sollte dabei
in der Tat Bildung und Erziehung haben.
nds: Vielen Dank.
Die Fragen stellte nds-Redakteurin Hanne Seiltgen.
Grund für das Ende der rot-grünen Minderheitsregierung in NRW nach 20 Mo-
naten war der Streit um den Haushalt. Überraschend kam das nicht. Zuspit-
zungen hatte es schon mehrfach gegeben. Das Thema Schulden wird im Wahl-
kampf zur Entscheidungsfrage stilisiert. Die staatlichen Kassen sind leer. Nach
der Bankenkrise sind die Schulden explodiert. FDP-Spitzenkandidat Christian
Lindner will jetzt „Entschuldung vor Steuerentlastung“. Nicht die Schulden-
bremse, nein „Entschuldung“ ist sein Ziel im NRW-Wahlkampf. Die amtierende
Ministerpräsidentin wird von der CDU als „Schuldenkönigin“ tituliert. „Sparen“
nach Gutsherrenart macht Finanzminister Schäuble vor: Er will den Bundeszu-
schuss zur Rentenversicherung kürzen, Milliarden aus der gesetzlichen Kran-
kenversicherung nehmen und „sparen“ beim Geld für die Bundesanstalt für Ar-
beit, um den Bundesetat aufzubessern. Die Kommunen in NRW arbeiten mit
Nothaushalten – seit vielen Jahren. Die soziale Marktwirtschaft hat sich vom
Sozialen befreit, Verwerfungen sind längst einkalkuliert.
Fragen an Professor Gustav Horn: Was braucht NRW?
Priorität für Bildung und Erziehung
Prof. Dr. Gustav A. Horn
Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für
Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK)
in der Hans-Böckler-Stiftung
p us
Zum Weiterlesen:
Gustav A. Horn
Des Reichtums fette Beute
Wie die Ungleichheit
unser Land ruiniert
Hardcover gebunden, 270 Seiten, 16-seitiger
farbiger Grafikteil, EAN 9783593393476,
Euro 24,90, Campus-Verlag Frankfurt 2011
Die wirtschaftliche und soziale Ungleich-
heit nimmt zu. Für die Bewältigung der Krise
haben die Niedrigverdiener die Zeche ge-
zahlt. Profitiert haben die Reichen. Das ist ein
ethischer und politischer Skandal. Und es ist
eine Katastrophe für die Wirtschaft. Denn oh-
ne stärkere Kaufkraft der niedrigeren Einkom-
mensschichten werden wir vor einem Ab-
grund stehen, wenn die Wirtschaftskrise
zurückkehrt. Und mit dieser Rückkehr müssen
wir trotz aller Jubelrufe über das aktuelle
Wachstum rechnen, denn die internationalen
Märkte sind instabil. Wie können wir uns ret-
ten? Für Gustav A. Horn gehen die Stabilisie-
rung der Wirtschaft und die Bekämpfung der
Ungleichheit Hand in Hand. Er liefert eine
klare Marschroute für eine stabile und ge-
rechte wirtschaftliche Zukunft.
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