BILDUNG
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Unterricht in drei Anforderungsbereichen – mit allen SchülerInnen
Anspruchsvoll unterrichten
Wenn wir mit Kolleginnen und Kollegen ins Gespräch kommen, dann äußern sie
nicht selten die Sorge, ob sie mit dem Kooperativen Lernen in ihrem Unterricht
auch weiterhin in die „Tiefe“ gehen können. Sie betonen zu Recht: Die Schülerin-
nen und Schüler sollen anspruchsvolle Aufgaben bearbeiten. Diese Vorstellung
von niveauvollem Unterricht ist unverzichtbar. Dahinter steht das Ziel, dass sich
die Progression des Unterrichts über alle drei Anforderungsniveaus (Übersicht 1)
erstreckt – und nicht etwa auf der Ebene der Reproduktion stehenbleibt. Die
Schülerinnen und Schüler sollen auch selbstständig Zusammenhänge herstellen,
Muster erkennen, Probleme lösen und begründete Urteile fällen. All diese Ziele
können in einem Unterricht, der auf den Prinzipien des Kooperativen Lernens
basiert, erreicht werden – ohne Schülerinnen und Schüler zurückzulassen.
Mit Blick auf die Anforderungsbereiche
kann das kognitive Niveau des Unterrichts
sehr genau bestimmt werden, wobei es in je-
dem der drei Bereiche eher leichte und eher
schwere Anforderungen gibt:
Sind die Schüler im Unterricht aufgefor-
dert, Dinge auswendig zu lernen? Sollen sie
erworbenes Wissen und bekannte Methoden
anwenden und miteinander verknüpfen?
Oder sollen sie Schlussfolgerungen ziehen,
Probleme lösen und Sachverhalte beurteilen?
(Vgl. Leisen 2011)
Das Anforderungsniveau im fragend-
entwickelnden Unterricht
Im fragend-entwickelnden Unterricht wird
in der Regel zunächst eine Aufgabe von den
SchülerInnen bearbeitet und anschließend
findet ein Unterrichtsgespräch statt (vgl.
Wahl 2006, 13). Die SchülerInnen stellen
dann ihre Ergebnisse vor und werden ggf.
durch die MitschülerInnen ergänzt oder von
der Lehrkraft korrigiert. Das Anforderungsni-
veau wird zuerst durch die Arbeitsaufträge
der anfänglichen Aufgabe bestimmt – nicht
selten geht es um die Aneignung von Wissen
(AF 1).
In dem sich anschließenden Gespräch
lenkt der Unterrichtende durch eine geschick-
te Fragetechnik den Blick der SchülerInnen
auf Probleme aus den Anforderungsberei-
chen 2 und 3. Der Unterricht gewinnt jetzt an
„Tiefgang“ (Übersicht 2).
Am Ende eines solchen Gesprächs wird das
Ergebnis gesichert und der Unterrichtende
hat häufig den Eindruck, mit den Schülerin-
1. Aneignung und Reproduktion von Wissen
Der
Anforderungsbereich I
umfasst die Wieder-
gabe von Sachverhalten aus einem begrenzten
Gebiet und im gelernten Zusammenhang sowie
die Verwendung gelernter und geübter Arbeit-
stechniken und Methoden.
2. Reorganisation und Anwendung
Der
Anforderungsbereich II
umfasst das selbst-
ständige Bearbeiten, Ordnen und Erklären be-
kannter Sachverhalte sowie das angemessene
Anwenden gelernter Inhalte und Methoden auf
andere Sachverhalte.
3. Reflexion, Problemlösung und Beurteilung
Die Reflexion und Problemlösung gehört zum
dritten Bereich. Der
Anforderungsbereich III
umfasst den reflexiven Umgang mit neuen Pro-
blemstellungen sowie das selbstständige An-
wenden von Methoden mit dem Ziel, zu eige-
nen, begründeten Urteilen zu gelangen.
Anforderungsniveaus in allen Schulformen und -stufen
Quelle:
nen und Schülern sehr niveauvollen Unter-
richt zu realisieren. Das ist hinsichtlich des
Gesprächsinhaltes auch zutreffend. Und doch
ist bei dieser Form des Unterrichts zu fragen:
u
Haben die SchülerInnen dieses Niveau
wirklich kognitiv erreicht oder hat der Un-
terrichtende durch seine Fragetechnik ein
Unterrichtsergebnis geschaffen und viel-
leicht in Form eines Tafelbildes gesichert,
welches von vielen nicht wirklich verstan-
den wurde?
u
Haben sich alle SchülerInnen aktiv mit den
Fragen der Anforderungsniveaus 2 und 3
auseinander gesetzt oder wurde das Ge-
spräch nur mit einigen geführt?
u
Können die SchülerInnen auch selbststän-
dig in den Anforderungsbereichen denken
oder benötigen sie sowohl das Wissen der
ganzen Klasse als auch die Steuerung
durch den Lehrer?
Eine Lehrerin beklagte sich einmal, dass ih-
re Schülerinnen und Schüler die Dinge
im Un-
terricht
immer können,
bei der Klausur
aber
nicht mehr. Warum dies häufig so ist, wird
nun klar: Im Unterricht hat nur die Lehrper-
son ein Bild vom Ganzen, die Schülerinnen
und Schüler aber steuern an verschiedenen
Stellen einzelne Gedanken bei, entsprechend
dem, was gerade erfragt wird. Sie müssen
nicht den ganzen Weg gehen, sondern jeweils
nur einzelne Schritte. Lernprogression des Ein-
zelnen findet so häufig zu wenig statt – was
aber erst deutlich wird, wenn bei der Lerner-
folgskontrolle der ganze Weg einmal alleine
gegangen werden muss.
Foto: Ludger Brüning
Übersicht 1
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