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punktlandung2014.1
Personen lustig, dann verhalten sich auch ihre Schü­
ler_innen diskriminierender. Wichtig ist, dass Lehrkräfte
sichdieseEinflussmöglichkeitenbewusstmachenund sie
im Klassenzimmer und auf dem Schulhof nutzen. Dieses
Wissen und die dazugehörigen Fertigkeiten gehören ver­
pflichtend in das Lehramtsstudium und sollten natürlich
auch in Fortbildungen zu den ThemenMobbing, Vielfalt
und Inklusion behandelt werden.
Wie schätzen Sie die Bereitschaft von Lehrer_innen
und Schulleitungen ein, das Thema LSBTI* in denUn-
terricht einzubinden? Wie kann man ihre Motivation
verbessern?
Die Bereitschaft, sexuelle Vielfalt zu thematisieren und
bei Diskriminierung zu intervenieren, kann auf jeden Fall
dadurch gesteigert werden, dass diese Themen obligato­
risch indie Lehrpläneund Lehrmaterialienaufgenommen
werden. In der Berliner Befra­
gung thematisierten vor allem
die Lehrkräfte sexuelle Vielfalt
im Unterricht, die die entspre­
chendenRichtliniender Senats­
verwaltung kannten.
Zudem ist Qualifizierung wich­
tig: Jebesser sichdie Lehrkräfte
zu sexueller Vielfalt auskann­
ten, desto mehr thematisierten
sie sie imUnterricht und desto
eher intervenierten sie gegen Diskriminierung. Dabei ist
wichtig, deutlich zu machen, dass eine Thematisierung
in vielen Fällen keine zusätzliche Unterrichtszeit kostet,
indemeinfachganz nebenbei auchBeispielenicht hetero­
sexueller Personen gebracht werden.
Wie und ab welchem Alter sollte sexuelle Vielfalt in
der Schule thematisiert werden? Gehört das Thema
wie der Aufklärungsunterricht ins FachBiologie?
Homophobe Beschimpfungen sind bei den Sechstkläss­
ler_innenweiter verbreitet als bei denNeunt- und Zehnt­
klässler_innen. Sexuelle Vielfalt sollte daher möglichst
früh behandelt werden. Schon wenn Kinder lernen, was
Partnerschaft, Familie undGeschlecht bedeuten, können
sie lernen, dass esauchPaareaus zwei Frauen, Kindermit
zwei Vätern und Frauen, die früher mal einMannwaren,
gibt. Also nicht erst in der Schule, sondern bereits in der
Kita. Und nicht nur im Biologieunterricht, sondern in al­
len Fächern, in denen es umMenschen geht.
WiekanndasThemaLSBTI* fest inBildungundSchule
verankertwerden?Braucht esVerordnungenundErlas-
se auf politischer Ebene? Sollten Schulen das Thema
in ihren eigenen Leitbildern undRichtlinien festschrei-
ben?
Eine Legitimierung durch Autoritäten beziehungsweise
institutionelleUnterstützung sindwichtig, da Lehrkräfte
geradebei bisher tabuisiertenThemennicht gernalsEin­
zelkämpfer tätig werden. Wichtig ist also, dass sie sich
auf die Lehrpläneberufen können, beispielsweise falls es
zu Auseinandersetzungen mit besorgten Eltern kommt.
In den Schulen können Schulleitungen und Leitbilder
beziehungsweise die Schulordnung diese Funktion über­
nehmen. Die Berliner Studie zeigt die positive Wirkung
eines Anti-Mobbing-Leitbildes: War dies den Schüler_in­
nen bekannt, hatten sie positivere Einstellungen und
zeigten solidarischeres Verhalten gegenüber Lesben und
Schwulen.
Wichtig ist dabei, dass das Leitbild nicht nur auf dem
Papier steht. Es sollte regelmäßigmit den Schüler_innen
besprochen werden, beispielsweise durch die Klassen­
lehrer_innen. Sie könnten zunächst gemeinsammit den
Schüler_innen klären, was Mobbing bedeutet und Bei­
spiele sammeln, die diese selbst erlebt haben. Anschlie­
ßend könnte dann diskutiert werden, wasman tun kann,
wenn man selbst gemobbt wird oder mitbekommt, dass
andere gemobbt werden.
Wenn Lehrer_innen selbst LSBTI* sind – hilft das oder
macht es dieBehandlungdes Themas schwieriger?
Mittlerweile zeigen sehr viele Studien, dass persönlicher
Kontakt zuMitgliedern einer Fremdgruppe zupositiveren
Einstellungen gegenüber der ganzen Gruppe führt. Und
auch in der Berliner Studie verbesserte sich bei Jugend­
lichen, die wussten, dass es an ihrer Schule lesbische,
schwule oder bisexuelle Lehrkräfte gibt, die Einstellung
innerhalb der darauffolgenden neun Monate. Es hilft
also, wennnicht heterosexuelle Lehrkräfte offenmit ihrer
sexuellen Identität umgehen. Allerdings sollte niemand
zu einemOuting gedrängt werden. Sinnvoll ist, sich vor­
her der Unterstützung durch Schulleitung undKolleg_in­
nen zu versichern und selbstbewusst gegenüber den
Schüler_innen auftreten zu können.
Die Fragen für die punktlandung stellteAnjaHeifel.
UlrichKlocke: Wie könnenwir Homo- und Trans­
phobie bei Kindern und Jugendlichen abbauen?
Ein Faltblatt für pädagogische Fachkräfte.
UlrichKlocke: Akzeptanz sexueller Vielfalt an
Berliner Schulen: EineBefragung zuVerhalten,
EinstellungenundWissen zu LSBT undderen
Einflussvariablen.
MelanieBittner: Geschlechterkonstruktionenund
dieDarstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen,
Trans*und Inter* (LSBTI) in Schulbüchern
pluspunkt
Lehrer könnendurchaus etwasgegen
Homophobieunternehmen. Sie soll­
ten sich fortbildenoder Vertreter von
SchLAu in ihrenUnterricht einladen.
Das sindungefähr gleichaltrige
Homosexuelle, dieoffenüber ihre
eigenenErfahrungenberichtenund
Fragenbeantworten.
JanWeyer,
Schüler
Seminarausbilder_innen sollten positiveModelle sein und didaktische
Wege aufzeigen. Dies kann Lehramtsanwärter_innen zur Reflexion
ihrer eigenen (sexuellen) Identität führen, sie in ihrer Wahrnehmung
und ihrem Sprachverständnis sensibilisieren und so ihre Selbst- und
Fremdbewertungweiten. So können sie später als reflektierte
Lehrer_innen ihren Schüler_innen eher ermöglichen, sich selbst aus­
einanderzusetzen und sich im schulischen Kontext in ihrer (sexuellen)
Identität zu stärken und gestärkt zu fühlen.
Dagmar Alfes,
Kernseminarleiterin am ZfsL Hagen (Berufskolleg)
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