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punktlandung2014.1
„Daging so viel Kraft verloren“
irgendwannhatte ich keineKraftmehr. Meine Fassade aufrechtzuerhalten. Meinen
Schüler_innen etwas vorzumachen. Meine identität zu verraten. daging so viel Energie
verloren. lieber, dachte ich, verwendete ichmeineKraft für denunterricht. bringe den
Mut auf, authentisch zu sein. undbindas, was ichmir früher selbst so sehr gewünscht
habe: einVorbild für die Schüler_innen, die es brauchen, eine offen lebende lesbe.
d
as Klima im Kollegium schien mir geeignet, das priva-
te Umfeld war stabil undmein persönliches Coming-out
über die Bühne, also erzählte ich befreundeten Kollegin-
nen bei passenden Gelegenheiten vonmeiner Partnerin.
Ein nächster Schritt war, mich auch in den Klassenzim-
mernderHauptschule zuouten –wenn sichdieSituation
ergab. Klar, den Stempel hatman bis zur Pensionierung.
i
ch kann diejenigen verstehen, die sich dieser Leucht-
turmfunktion verweigern. Aber manchmal sind die Be-
fürchtungen schlimmer, als es hinterher wirklich ist. Vie-
les muss manmit Humor sehen, vor allem die Klischees.
Wenn ein Schülermutmaßt, dass LehrerinXY keine Lesbe
sein könne, weil sie doch Röcke trage. Oder ein anderer
fragt, ob ein Arzt da nichts machen könne. Ich habe die
Erfahrunggemacht, dass das Verständnis der Schüler_in-
nenmit demGradmeiner Offenheit wuchs.
M
eine Devise war stets: Ich drücke ihnen das Thema
nicht auf, aber wenn sie fragen, antworte ich ehrlich.
Wenn ichbeleidigt werde, oderMitschüler, dann verbitte
ichmir das nachdrücklich. Undwenn ichmit Vorurteilen
konfrontiertwerde, versuche ich, sieaus demWeg zu räu-
men. Meist genügte eine Gegenfrage. Wollte eine Schü-
lerin wissen, ob ich mein Begehren nicht unterdrücken
könne, fragte ich zurück, ob sie dennmit dem Kopf ent-
scheiden könnte, inwen sie sich verliebt.Manchmal erga-
ben sich daraus fruchtbareDiskussionen. So viel zu dem,
was ichpersönlich einbringen konnte. AnmeineGrenzen
stieß ichbei denjenigen, die ihreVorurteile partout nicht
hinterfragenwollten. Dafür fehlte ihnendasWissen. Und
mir das strukturelleUmfeld.
E
s gab keine Schulbücher, die es ermöglicht hätten, Ho-
mosexualität auch in anderen Fächern als in Biologie zu
thematisieren. Klar, man kann das Thema in aktuellen
Kontexten aufgreifen. Aber ob undwie hängt allein vom
Engagement des Einzelnen ab, von seiner Qualifizierung
und dem Klassenklima. Weil das nicht genügt, setze ich
mich seit 15 Jahren unter anderem in der Gewerkschaft
dafür ein, dass Homosexualität als einer von vielen Le-
bensentwürfen im Lehrplan verankert wird. Dann könnte
man uns niemalsmehr persönlicheMotive unterstellen.
JoAnngrond
imgesprächmit CarolineKron (Text und Protokoll)
Erstveröffentlichung: Kölner Stadt-Anzeiger, Magazin,
AusgabeNr. 21 vom25./26. Januar 2014
Lehrer_innen? Schüler_innen? Nein, das ist kein Tippfehler. Wir
verwenden in dieser Ausgabe der punktlandung den Gender-Gap.
Diese nichtdiskriminierende, queer-feministische Schreibweise stellt
Geschlechter und Geschlechtsidentitäten auch jenseits des üblichen
Mann/Frau-Schemas dar. Der Unterstrich symbolisiert alle Personen,
dieweiblich, männlich, trans, intersexuell oder nicht-ident sind.
Dumöchtestmehr darüber wissen?
JoAnn Grond, 66, outete sich, um Vorbild zu sein.
Foto: J. Neumann
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