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arbeitsplatz
GeW-tagung „Herkunftssprachlicher Unterricht“
Potenzial erkennen,
Lehrkräfte gleichstellen
Der landesausschuss für multikulturelle politik (laMp)
der GeWNrW lud zur Fachtagung „Mehrsprachigkeit –
sprachvielfalt erleben“ nach bochum ein. Mit rund 50
lehrkräften für HerkunftssprachlichenUnterricht (HsU)
aus zehn verschiedenenHerkunftssprachen und interes-
sierten wurden die beschäftigungsverhältnisse und die
perspektive des Unterrichtsfachs innerhalb eines ganz-
heitlichen sprachlichen schulkonzepts diskutiert.
Um die Relevanz des HSU und seiner Lehr-
kräfte zu verdeutlichen, stellte Erkan Gürsoy,
Mitarbeiter im Projekt ProDaZ (Deutsch als
Zweitsprache in allen Fächern) der Universität
Duisburg-Essen (UDE), denUmgangmitMehr-
sprachigkeit im bildungspolitischen Kontext
vor. Er unterstreicht deutlich die Relevanz von
Sprache für die Persönlichkeitsentwicklung so-
wiedie Identitätsbildung vonmehrsprachigen
SchülerInnen und plädiert für die Einordnung
desHSU indasKonzept der schulischenFörde-
rung von Mehrsprachigkeit: Sprachförderung
muss inallen Fächerngelingen –auch imHSU
und den „Lehrkräften sollte dabei eine Ver-
mittlungsinstanz übertragenwerden“.
ImKollegiumnicht integriert
In Workshops vertieften die TeilnehmerIn-
nen die Themen „Stand und Perspektive des
HSU und Einstellungspraxis“, „Best practice
imHSUundSprachlicheBildungunter Berück-
sichtigung des HSU“ und „Anerkennung von
im Ausland erworbenen Lehrbefähigungen“.
Fragen und Anregungen aus den Workshops
wurden inder anschließenden Podiumsdiskus-
sion diskutiert mit Christiane Bainski, Leiterin
der Koordinierungsstelle Kommunale Inte-
grationszentren, Hasan Taskale, LAMP, Erkan
Gürsoy, UDE, und Sebastian Krebs, stellvertre-
tender Vorsitzender GEWNRW.
Im Mittelpunkt der Diskussion standen
die prekäre Situation der HSU-Lehrkräfte und
der Stellenwert des Unterrichtsfachs: HSU-
Lehrkräfte werden immer noch sehr schlecht
bis kaum in das Kollegium integriert und nie-
mand fühlt sich für sie zuständig. Besonders
hinderlich ist dabei dieArbeit anbis zu sieben
verschiedenen Schulen. EinigeHSU-Lehrkräfte
beschrieben den Umgang mit ihnen als min-
derwertig und rassistisch: „Sie gehören nicht
Foto: fotolia.com/kbuntu
in das Kollegium unserer Schule. Sie dürfen
nicht kopieren, nicht die Kreide benutzen.“ Es
ist nicht hinnehmbar, als Lehrkraft mit einer
solchenReaktion konfrontiert zuwerden.
Potenzial derMehrsprachigkeit
Den HSU-Unterricht „Türkisch“ durch das
Fach „Islamische Unterweisung“ zu ersetzen,
ist unzulässig, stellte Christiane Bainski nach
dem Bericht der betroffenen Lehrkraft klar.
Dass der HSU nicht Teil des ganzheitlichen
Schulkonzepts ist unddiePotenziale vonmehr-
sprachigen SchülerInnen nicht als Mehrwert
betrachtet werden, ist das Versäumnis des
Systems: „Nicht die Kinder sind das Problem,
das System ist das Problem. Mehrsprachigkeit
konnte immer noch nicht ausreichend inte-
griert werden“, sodieKoordinierungsstellenlei-
terin. VoneinerGleichstellungdesHSUmit an-
deren Fächern kann nicht gesprochenwerden.
HSU-Lehrkräftegleichstellen
Von 180.000 Lehrkräften in NRW sind nur
900StellendemHSUzugeteilt.Bei einer stetig
steigendenAnzahl von SchülerInnenmit einer
anderen Erstsprache alsDeutsch ist der Anteil
mit 0,5 Prozent viel zu gering. Folgt man dem
Vorschlag Erkan Gürsoys, HSU-Lehrkräfte als
Vermittlungsinstanz innerhalb sowie zwischen
den Fächern und Sprachen einzusetzen, muss
das Deputat bundesweit ausgebaut werden.
Ein solcher Status würde den Herkunftsspra-
chen einen höherenWert beimessen.
UmHSU-Lehrkräftemit inDeutschlandaus-
gebildeten Lehrkräften gleichzustellen, muss
der Zugang zuQualifizierungsmaßnahmenge-
öffnet werden. „Mit einer solchen Öffnung ist
auch eine Verbesserung der Eingruppierung
und Bezahlung verbunden. Die GEW setzt
sich im Rahmen der Tarifverhandlungen für
einebessereBezahlung ein“, betont Sebastian
Krebs. „DienatürlicheMehrsprachigkeit ist für
den schulischen Alltag sehr wichtig und die
Bemühungen, für den HSU die erforderliche
Akzeptanz für die Eingliederung in das Schul-
system zu schaffen, dürfen nicht abreißen“,
so Christiane Bainski. Auch das Schulministe-
rium würde dies durch die Einrichtung einer
Arbeitsgemeinschaft unterstützen.
SprachdidaktischesProfil für denHSU
Um den Status des HSU und die missliche
Situation der betroffenen Lehrkräfte zu ver-
bessern, fordert die GEW eine gleichwertige
Stellung des Fachs sowie die Akzeptanz der
Sprachenvielfalt. Mehrsprachigkeit kann als
Ressource nutzbar gemacht werden und da-
für muss der HSU eine reguläre Stellung im
Gefüge der Schulfächer erhalten. Dazu gehört
auch, denHSUals Sprachunterrichtmit einem
klaren sprachdidaktischen Profil als Teil des
Bildungsangebotes zu etablieren. DemUnter-
richtsfach HSU die notwendige Anerkennung
beizumessen, kann nur durch seine Integrie-
rung in das ganzheitliche Sprachenbildungs-
system geleistet werden. All diese Forde-
rungenmüssen im Interesse der SchülerInnen
sowie der Schulen und Lehrkräfte dringend
ernst genommenwerden.
Tülay Altun
tülayaltun
Landesausschuss fürmultikultu-
relle Politik der GEWNRW
pus
resolutionder HsU-tagung
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