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nds 8-2014
Urteil des VerfassungsgerichtshofsNRW
DieNullrunde ist verfassungswidrig!
Erfolg für dieGEW:Die im letzten Jahr
mit Regierungsmehrheit beschlos-
senen Nullrunden für BeamtInnen im
höheren Dienst sind rechtlich nicht
haltbar. Das hat der NRW-Verfas-
sungsgerichtshof (VerfGH NRW) am
1. Juli 2014 in Münster entschieden.
Das Urteil betrifft sowohl aktive als
auch imRuhestand befindliche Beam-
tInnen, insgesamt etwa 80 Prozent
der Amtsträger in NRW. Das Land
mussnuneinneuesBesoldungsgesetz
machen.
Das Gesetz zur Anpassung der Dienst- und
Versorgungsbezüge 2013/2014 vom 16. Juli
2013hattedieGrundgehälter der Besoldungs-
gruppenA2 bis A10 entsprechend dem Tarif-
abschluss um 5,6 Prozent angehoben. Für die
BesoldungsgruppenA11 undA12 betrug die
ErhöhungderGrundgehälter zwei Prozent, alle
anderen gingen leer aus. Die Richter prüften,
ob diese Regelung das sogenannte Alimenta-
tionsprinzip verletzt, das in Landesverfassung
undGrundgesetz festgeschrieben ist.
Das Alimentationsprinzip verpflichtet den
Dienstherrn, BeamtInnen und deren Familien
lebenslang entsprechend der Entwicklung der
allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen
Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstan-
dards einen angemessenen Lebensunterhalt
zu gewähren. Der Gesetzgeber muss dabei die
Bedeutung des Berufsbeamtentums für dieAll-
gemeinheit, das Ansehen des Amts und die At-
traktivitätdesDienstverhältnisses für überdurch-
schnittlichqualifizierteKräfte berücksichtigen.
DasUrteil gibt derGEWRecht
DiegestaffelteAnpassungder Bezüge führt
zu einer Ungleichbehandlung von Angehö-
rigen bis Besoldungsgruppe A 10 und den
übrigen Besoldungsgruppen ohne einen sach-
lichenGrund. DieGEW hatte dies vonAnfang
an scharf kritisiert, nun folgteauchderVerfGH
NRW dieser Auffassung. Folgende Gründewa-
ren ausschlaggebend:
1. Überalimentation:
Der Gesetzgeber hat die
Übertragungdes Tarifergebnisses bisA10 für
richtig befunden. Dies ist zumindest ein Indiz
dafür, dass damit keine Überalimentation
vorliegt. Das schließt Unterschiede von 3,6
und zwei Prozent zwischen benachbarten Be-
soldungsgruppen aus.
2. Sparbeiträge:
Verlangt der Gesetzgeber von
EmpfängerInnen höherer Bezüge „Sparbeiträ-
ge“, so muss er diese zumindest staffeln, um
die Steigerung der Lebenshaltungskostenwei-
terhin zu berücksichtigen.
3. Abstandsgebot:
Der Abstand zwischen den
Besoldungsgruppen hat sich zwischen 2012
und 2014 erheblich und – sofern der der Ge-
setzgeber nicht eingreift –dauerhaft verringert,
nämlichum35Prozent. DieAufgabenbereiche
der beiden Besoldungsgruppen wurden wäh-
renddessen nicht geändert. Amtsangemes-
sene Bezüge müssen den AmtsinhaberInnen
in der Realität jedoch eine Lebenshaltung er-
möglichen, dieder Bedeutung ihres jeweiligen
Amts entspricht.
4. Schuldenbremse:
Die Haushaltslage kann
die vorgenommene Differenzierung nicht
rechtfertigen. Gleiches gilt für die Vorwirkung
der Schuldenbremse.
Wiegeht esweiter?
Nach dem Urteil des VerfGH NRW wird es
einneuesGesetzgebungsverfahrengeben. Die
Bezügemüssendarinan einepositiveGehalts-
entwicklung angepasst werden und könnten
nur im Fall einer negativen Entwicklung ge-
kürzt werden. Maßgeblich für die Bemessung
ist das Einkommen der ArbeitnehmerInnen im
öffentlichen Dienst sowie die Einkünfte, die
für vergleichbare und auf der Grundlage ver-
gleichbarer Ausbildung erbrachte Tätigkeiten
außerhalb des öffentlichen Dienstes erzielt
werden. Die amtsangemessene Versorgung
kann sich auch an den Einkommensverhält-
nissender RentenempfängerInnenorientieren.
Allerdings sind dabei die strukturellen Unter-
schiede zwischenden verschiedenenSystemen
der Altersversorgung zu beachten.
Ute Lorenz
Verfassungsgerichtshof NRW:
Urteil (Az.: VerfGH21/13)
GEWNRW: Besprechungdes
VerfGH-Urteils
pus
Mai 2013: KollegInnen demonstrieren vor demDüsseldorfer Landtag gegen das Spardiktat der Landesregierung –
dasUrteil des VerfGH gibt ihnen nun recht.
Foto: DGBNRW
Ute Lorenz
Referentin für Beamtenrecht,
Beamtenpolitik undMit-
bestimmung der GEWNRW
Brandaktuell
Welche rechtlichen Folgen das Urteil hat und
wie das neue Besoldungsgesetz aussehen kann,
diskutieren die Spitzen der Gewerkschaften, des
DGB und des Beamtenbundes mit Ministerprä-
sidentin Hannelore Kraft. Eine Einigung lag bis
Redaktionsschluss nicht vor.
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