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Thema
AlphabetisierungundGrundbildungmit der VHS
Daueraufgabe statt Trendthema
Spätestens seit der Veröffentlichung der leo.-Ergebnisse ist Alphabetisierung
ein vieldiskutiertes bildungspolitisches Thema. Dabei gehört es seit 30 Jahren
zum Engagement und Portfolio der gemeinwohlorientiertenWeiterbildung und
insbesondere der kommunalen Volkshochschulen (VHS). Ein Dauerthema also,
das als kontinuierliche gesellschaftlicheAufgabe verstandenwerdenmuss.
Die Bedeutung, die den Kursen und Pro-
jekten in der Alphabetisierungsarbeit beige-
messen wird, war in den vergangenen Jahr-
zehnten starken Schwankungen unterworfen:
Hochkonjunktur und relative Ernüchterung
wechselten sich ab. Das änderte sich gründ-
lich mit der leo. – Level-One Studie, die 2011
ans Licht brachte, dass funktionaler Analpha-
betismus alles andere als eine Randerschei-
nung ist. Wenn ein Anteil von 14,5 Prozent
der Bevölkerung nicht in der Lage ist, kurze
Texte sinnerfassend zu verstehen und von die-
sen 7,5 Millionen Menschen circa Zweidrittel
erwerbstätig sind, beginnt die längst überfäl-
lige Debatte darüber, wie ehrlich die Gesamt-
gesellschaftmit dem Thema umgeht.
EinekomplexeAufgabe
Im Rahmen der Weiterbildungsförderung
des Landes NRW – zusätzlich flankiert durch
denEuropäischenSozialfonds –bietet dieVHS
viele Kurse an. In 2012 waren es allein 568
Grundbildungskurse, 89,6Prozent davon Lese-
und Schreibkurse. Jedoch sind hiermit weder
quantitative noch qualitative Erkenntnisse zu
den Zielgruppen evaluiert, noch ist die Frage
beantwortet, welcheWirkungen die öffentlich
geförderten Angebote entfalten. Jenseits der
bildungspolitischen Rahmenbedingungen fra-
genWissenschaft und Praxis:
◆◆
Wie kann es gelingen, dass Alphabetisie-
rung als Ausgangspunkt der Grundbildung
begriffenwird?
◆◆
Wie werden Zielgruppen identifiziert und
differenziert?
◆◆
Wie werden Zugänge erschlossen, um es
Menschen leicht zu machen, sich für eine
„Lerner-Karriere“ zu entscheiden?
Foto: istockphoto.com/TommL
◆◆
Wie werden Maßnahmen zur Prävention
bereits in der Elementar-, Primar- und Se-
kundarbildung implementiert?
◆◆
Welche zusätzlichen Angebote werden
für junge Menschen im Übergangssystem
entwickelt, die notwendige Grundbildung
nachholend erwerbenwollen?
◆◆
Wie lassen sich die gesellschaftlichen Kräf-
te bündeln, um Grundbildung und Alpha-
betisierung quer durch die Politikbereiche
als gemeinsame Aufgabe wahrzunehmen?
Der Fragenkatalog, der sichdurchaus erwei-
tern ließe, macht deutlich, wie komplex sich
dieAufgabe stellt undwiewichtigeineumfas-
sendeStrategie ist.Hierbei kanndieVHSauch
in Zukunft zentraleAufgabenwahrnehmen.
DieVHSals tragendeSäule
Schon jetzt finden in Volkshochschulen
über 90 Prozent aller Grundbildungskurse in
NRW statt. In2012besuchten laut einer Erhe-
bung der Universität Münster 4.628 Teilneh-
merInnen ein Angebot der 91 grundbildungs-
aktiven Volkshochschulen. Durchschnittlich
unterrichtete demnach jede grundbildungs-
aktive VHS in NRW 50,9 Lernende. 82 Pro-
zent – also 3.800 – aller Teilnehmenden an
Grundbildungskursen in NRW erhalten eine
Ermäßigung auf die Kursgebühr, was darauf
hinweist, dass sie überwiegend über niedrige
Einkommen verfügen.
45,1 Prozent der grundbildungsaktiven
Volkshochschulen in NRW halten ein niveau-
stufendifferenziertes Kursangebot vor, wobei
sich eine exakte Ausdifferenzierung nach
Alpha-Levels nur in wenigen Einrichtungen
finanzieren lässt. Häufig können Alphabeti-
sierungs- und Grundbildungskurse nur durch
Querfinanzierungen aus anderen Bildungsan-
geboten realisiert werden, die höhere Teilneh-
merentgelte einbringen.
Unterstützungdarf keinZufall sein
Seit vielen Jahren lebt die Alphabeti-
sierungsarbeit vom Engagement der Kurs-
leiterInnen, die mit oft unzureichender
HonorierungpassgenaueCurricula für dieTeil-
nehmerInnen erarbeiten. Der Deutsche Volks-
hochschulverband arbeitet an einem durch
das Bundesministerium für Bildung und For-
schunggefördertenRahmencurriculum für die
Alphabetisierung und Grundbildung und hat
die kostenfreien Lernportale ich-will-lernen.de
und ich-will-Deutsch-lernen.de entwickelt. Hier
werden KursleiterInnen und TeilnehmerInnen
Lernstandards undUnterrichtsmodule zur Ver-
fügung gestellt und Lernfortschritte transpa-
renter gemacht.
Alpha-Level
Die niedrigste Kompetenzstufe des Lesens und
Schreibens –das Level-One–umfasst vier Stufen:
Alpha-Level 1 – Buchstabenebene:
Einzelne
Buchstaben werden erkannt und geschrieben,
dieWortebene jedoch nicht erreicht.
Alpha-Level 2 –Wortebene:
EinzelneWörter kön-
nen gelesen oder geschrieben werden, jedoch
keine ganzen Sätze.
Alpha-Level 3 – Satzebene:
Einzelne Sätze kön-
nen gelesen oder geschrieben werden, zusam-
menhängende Texte überfordern jedoch.
Alpha Level 4 – fehlerhaftes Schreiben auf
Textebene:
Bei Verwendung eines alltäglichen
Wortschatzes gelingendas Lesen und Schreiben
auch auf Textebene. Die Rechtschreibung weist
jedoch sehr viele Fehler auf.
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