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kaum verhohlene Finanzeinsparungen sind“.
Dabei werden mit der geplanten Einführung
der Inklusion möglicherweise Weichen für ei-
ne Entwicklung gestellt, die nicht nur Schule,
sondern die ganze Gesellschaft betreffen.
Beispielhaft nimmt Klein Bezug auf die fin-
nische Debatte: „Unabhängig von der Partei-
enzugehörigkeit wurde dort das alte, selekti-
ve Schulsystem als Mangel empfunden. Man
wollte einfach die Eingliedrigkeit. Es wurde
damals auch der Vergleich zum Drei-Klassen-
Wahlrecht gezogen und die Frage gestellt,
welchen Sinn drei unterschiedliche und ne-
beneinander herlaufende Schulformen ha-
ben. Wenn also umgekehrt die Gesellschaft
nicht dreigeteilt und dies durch die Schule
vorbereitet werden soll, dann müsste ein an-
deres Bildungssystem die Folge sein. Die
Grundsatzfrage war: Welche Gesellschaft wol-
len wir und was für eine Art von Schule ist
dafür die sinnvollste?“
Anne Klein auf die Frage, wie es in NRW
weitergehen sollte: „Bedarfsorientierung ist für
mich ein Stichwort. Dabei muss auch klar wer-
den, dass ‘Inklusion’ nicht automatisch ‘eine
Schule für alle’ bedeutet. Der Inklusionsprozess
muss partizipativer gestaltet werden. Eltern,
Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und
Schüler müssen einbezogen werden. Ein Mora-
torium könnte helfen, Zeit zu gewinnen für ei-
ne vernünftige Einführung der Inklusion.“
Guido Schönian
Mitglied im Ausschuss junge GEW NRW
und Mitglied der GEW Köln
Eine inklusive Schule betrifft die ganze Gesellschaft:
Was für eine Gesellschaft wollen wir?
Am 16. August 2011 starb Rainer Domisch. Alle, die sich in den vergangenen
Jahren in Finnland über das dortige Schulsystem informiert haben, dürften da-
bei auch mit ihm zusammengekommen sein, denn er war maßgeblich an der
Durchführung der finnischen Schulreform beteiligt. Aber auch hierzulande war
er auf sehr vielen Bildungsveranstaltungen zum Thema Schulentwicklung und
gemeinsames Lernen ein gefragter Gesprächspartner. Im Februar 2012 ist sein
Buch „Niemand wird zurückgelassen. Eine Schule für alle“ erschienen, das in
Zusammenarbeit mit der Kölner Politik- und Erziehungswissenschaftlerin Anne
Klein entstanden ist.
Rainer Domisch war in den 1970er Jahren
über den Auslandsschuldienst nach Finnland
gekommen und dort an dem Prozess der
Schulumgestaltung von Beginn an beteiligt.
Spätestens nach PISA wurde er dann zu ei-
nem gefragten Experten für inklusive Schul-
formen und Methoden, auch in Deutschland.
Sein eigenes Resümee zu diesen Erfahrungen
fällt eher kritisch aus. So sehr ihn das große In-
teresse an dem finnischen Bildungssystem freu-
te, so irritiert war er darüber, als er feststellen
musste, dass in Deutschland nur sehr zögerlich
und unsystematisch Konsequenzen aus den ge-
wonnenen Erkenntnissen gezogen wurden.
Bildung als Menschenrecht
Das Buch „Niemand wird zurückgelassen.
Eine Schule für alle“ kann wohl als ein bil-
dungspolitisches Vermächtnis von Rainer Do-
misch angesehen werden. Ganz sicher ist es
eine wichtige Orientierungshilfe in der aktu-
ellen Inklusionsdebatte in NRW.
Auf über 230 Seiten wird nicht nur das
„finnische Modell“ erläutert und der Frage
nach den Konsequenzen aus PISA nachge-
gangen. Vielmehr handelt es sich um den
dringenden Appell, Schule auch bei uns zu
demokratisieren. „Das Buch richtet sich nicht
primär an ExpertInnen, sondern an eine an
Bildung interessierte Öffentlichkeit“, so die
Ko-Autorin Anne Klein. Sie plädiert dafür, die
Grundannahme, dass Menschen grundsätz-
lich gerne lernen und „nur“ die angemesse-
nen Bedingungen dafür geschaffen werden
müssen, zum Ausgangspunkt zu machen.
Klein und Domisch kritisieren, dass es drin-
gend zu Verbesserungen im deutschen Bil-
dungssystem kommen muss, dass „aber we-
nig geschieht, außer kleineren Reformen, die
Anne Klein, Rainer Domisch
Niemand wird zurückgelassen
Eine Schule für Alle
Erscheinungsdatum: 27.02.2012
240 Seiten, 16,90 Euro, Hanser Verlag
ISBN 978-3-446-23878-7
Zum Weiterlesen
mittendrin e.V. (Hrsg.)
Eine Schule für alle:
Inklusion umsetzen
in der Sekundarstufe
359 Seiten, 26,90 Euro, Verlag an der
Ruhr, ISBN 978-3-8346-0891-8
Das Thema der inklusiven Schulform
wirft angesichts des bestehenden Schul-
systems in Deutschland viele Fragen auf.
Dass es auch in der Sekundarstufe erfolg-
reich sein kann, zeigt dieser Ratgeber.
Denn es gibt Schulen, die den inklusiven
Ansatz bereits erfolgreich verwirklichen.
Wie diese die schulischen Strukturen, das
Lernen, das soziale Miteinander der
Schüler und auch die Vernetzung der
Pädagogen organisieren, davon berichtet
das Buch.
Se
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