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nds 3-2012
SchülerInnen, die Probleme machen, haben welche
„Cool ist, wer viel Mist baut”
Peter, 14 Jahre, Hauptschule Klasse 7
Liest man Peters Akte (Name geändert),
dann könnte man denken, Peter sei ein völlig
autonomer, antisozialer, gewaltbereiter Ju-
gendlicher, der sich mit allen destruktiven Mit-
teln durchzusetzen versucht. Aggressives, un-
flätiges und unverschämtes Verhalten, res-
pektlos, nötigend, auch schlagend, provokativ,
droht und stiehlt, ignoriert Lehreranweisungen,
Verweigerung der Arbeitsaufnahme – Stich-
worte, mit denen unser Beispiel-Peter beschrie-
ben werden kann.
Peter hat aber zwei Gesichter. Er kann nett
sein, wechselt jedoch oft unvermittelt in ein
aggressives, verletzendes und auch brutales
Verhalten. Diese Unberechenbarkeit hat ihn
in seiner Klasse zum Außenseiter gemacht. Ei-
ne fragwürdige „emotionale Heimat“ findet
Peter nur bei delinquenten Jugendlichen, die
in ihrer eigenen Wertekonstruktion antisozia-
les Verhalten als Stärke umdefinieren. „Cool“
ist, wer möglichst viel „Mist baut“. Für Peter
wird die Überprüfung des sonderpädagogi-
schen Förderbedarfs beim Schulamt bean-
tragt. Aufgrund seiner Verhaltensprobleme
hat er vom Unterrichtsstoff nichts mitbekom-
men, obwohl er über eine völlig normale In-
telligenz verfügt. Peter muss die Klasse wie-
derholen.
Orientierung und Verläßlichkeit
Im neuen Schuljahr trifft er auf einen Leh-
rer, den er zunächst „sehr streng“ findet. Die-
sen Kollegen lehnt Peter aber nicht ab, ihm
liegt vielmehr sehr viel daran, ein gutes Ver-
hältnis zu seinem neuen Klassenlehrer aufzu-
bauen. Dieser Lehrer ist bereit, Peter in der
allgemeinen Schule im Gemeinsamen Unte-
richt (GU) zu fördern.
Gemeinsam besteht nun die Möglichkeit,
Peters Auffälligkeiten in Interaktionskontex-
Seit 20 Jahren arbeite ich als Sonderpädagoge integrativ mit „erziehungs-
schwierigen“ Kindern und Jugendlichen in Regelschulen. Dabei stelle ich fest,
dass die Kolleginnen und Kollegen im Unterricht täglich die „prekären“ Pro-
blemlagen, die in unserer Gesellschaft existieren, gleichsam „all inclusive“ mit-
geliefert bekommen, obwohl unser Bildungssystem derzeit noch weit von den
notwendigen Veränderungen entfernt ist, die zur Realisierung einer „inklusiven
Bildung“ zwingend notwendig wären.
ten zu verstehen. Erst jetzt zeigen sich Peters
unterschiedliche „Gesichter“. Neben seiner
inszenierten Härte kann er auch vollkommen
weich sein. Als wir ihn in einem gemeinsa-
men Gespräch mit seinem Fehlverhalten kon-
frontieren, beginnt er zu weinen. Es zeigt sich,
dass er ein feines Gespür für authentisches
Verhalten, für Ehrlichkeit und Gerechtigkeit
hat. Auch im diagnostischen Einzelgespräch
weint er, als es um seine familiären Belastun-
gen geht.
Mittlerweile wissen wir, dass Peter in seiner
Herkunftsfamilie zwar auch völlig normale
Zeiten erlebt hat, dann aber die Arbeitslosig-
keit und Krankheit seines Vaters, die Tren-
nung seiner Eltern, den psychischen Zusam-
menbruch mit Suizidversuch der Mutter ver-
kraften musste.
Peter sucht in seinem Verhaltenschaos
nach Orientierung. Die Schwäche seiner El-
tern erlebt er als bedrohlich. Einerseits strebt
er nach Normalität und Verlässlichkeit, ande-
rerseits hasst er alles, was seine Dominanz
beeinträchtigt. Seine Eltern liebt er, empfin-
det sie aber nicht als konsequenten Halt.
Zur Zeit orientiert sich Peter an der klaren
Struktur seines Klassenlehrers und kann die
authentischen Beziehungsangebote, die er
bekommen hat, positiv für sich nutzen. Peter
arbeitet im Unterricht wieder mit, erlebt sich
auch durch Leistungen als selbstwirksam und
zeigt viele seiner destruktiven Verhaltenswei-
sen nicht mehr.
Wer sich ändern soll, muss wissen wofür
Es ist in der gemeinsamen pädagogischen
Arbeit mit ihm gelungen, zunächst einmal
mögliche konstruktive Verhaltensalternativen
zu erarbeiten.
Diese kann er praktisch realisieren. Er
kann wiederentdeckte und bewusst gemach-
te Ressourcen für sich nutzen und erhält
konsequentes Feedback sowohl über gelun-
gene Versuche als auch über eher kontra-
produktive Rückfälle in alte Verhaltensmus-
ter. An diesem Punkt der gemeinsamen Ar-
beit werden positive Entwicklungen mög-
lich.
Der Gemeinsame Unterricht, wie hier in Klasse 5 der Hauptschule Wegberg, erfordert zusätzlichen Personaleinsatz:
Hauptschullehrer, Förderschulkollegin und Integrationshelfer (nicht im Bild) arbeiten gemeinsam in einer Klasse.
Foto: Bert Butzke
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