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nds 3-2012
Für die Pragmatiker andererseits ist die
Welt insgesamt ganz in Ordnung. Die Aufga-
be der Lehrkräfte sehen sie vor allem darin,
SchülerInnen dabei zu helfen, zu erfolgrei-
chen LeistungsträgerInnen zu werden oder
zumindest in und mit der Gesellschaft ir-
gendwie klar zu kommen. Sie kritisieren Zif-
fernnoten vor allem deshalb, weil sie pädago-
gisch willkürlich, ungerecht und unzuverlässig
seien und zudem die „schlechten SchülerIn-
nen“ demotivieren, während den „guten
SchülerInnen“ signalisiert wird, sie müssten
sich nicht mehr anstrengen. So würden um ei-
Nicola Ruppik
Lehramtsstudentin an der
Universität Köln
Stefan Brackertz
Mitglied im Landesausschuss
der Studierenden GEW NRW
ner unnützen Pseudoobjektivität willen Po-
tenziale verschenkt.
Der Widerspruch zwischen diesen Positio-
nen konnte nur mühsam geglättet werden. In
einem Arbeitspapier aus dem Workshop zur
Laoborschule Bielefeld wurde zwar der Reform-
pädagoge Hartmut von Hentig mit seinem
berühmten Satz zitiert: „Die Menschen stärken
– die Sachen klären!”, gleichrangig daneben
stand aber auch das neoliberale Mantra der
extrinsischen Motivation: „Leistung muss sich
lohnen!” Der Versuch, hier Kompatibilität her-
stellen zu wollen, konnte nur misslingen.
Unerfüllte Wünsche
Die sehr fruchtbaren Diskussionen in den
Workshops führten zu zahlreichen wichtigen
Fragen, zum Beispiel: Welche gesellschaftli-
che Funktion soll Schule haben? Führt die In-
dividualisierung des Lernens zu einem Verlust
der solidarischen Bezugnahme? Führt „eigen-
verantwortliches Selbstmanagement“ zu er-
drückendem Ernst und macht Widerspruch
unmöglich? Wieso ist es Bremer Gymnasien
nicht erlaubt, auf Noten zu verzichten? Wie
kann man Inklusion erreichen, wenn nicht
einmal die Überwindung der auf Konkurrenz
zielenden Ziffernnoten realistisch sein soll?
Bei der von Manfred Diekenbrock mode-
rierten Podiumsdiskussion (Foto S. 8) einigten
sich Dorothea Schäfer, GEW-Landesvorsitzen-
de NRW, Werner Kerski, GGG NRW, Gisela
Gravelaar, Grundschulverband, und Hannah
Gnech, LandesschülerInnenvertretung NRW,
auf einen Minimalkonsens: Man wünschte
sich nach Bremer Vorbild, dass Schulen auf ei-
genen Wunsch bis zur Klasse 8 notenfrei ar-
beiten dürfen. Dorothea Schäfer ergänzte,
dass der zusätzliche Aufwand nicht ohne Ent-
lastung auf die LehrerInnen abgewälzt wer-
den dürfe. Weiter reichende Forderungen der
Schülervertreterin wurden als zu kontrovers
eingestuft. Trotz aller Bescheidenheit der Wün-
sche wiegelte Podiumsteilnehmer
Ludwig
Hecke,
Staatssekretär im MSW, ab: Man wolle
den Wünschen der Mehrheit entsprechen und
die sei eher mit einem bundesweiten Zen-
tralabitur zu begeistern. Wenn das anders
werden solle, müsse irgendjemand anfangen,
dafür zu kämpfen. Zwar wurde Hecke für die
bremsende Haltung des Schulministeriums
gescholten, dennoch hatte er den entschei-
denden Punkt angesprochen.
Stefan Brackertz/Nicola Ruppik
In den 15 Workshops wurden wichtige weiterführende Fragen diskutiert. Beispielschulen, die bereits ohne Noten
arbeiten, stellten ihre Konzepte vor. Wünschenswert erschien vielen das Bremer Vorbild, wonach Oberschulen auf
eigenen Wunsch bis zur Klasse 8 notenfrei arbeiten dürfen.
Alle Fotos: Bert Butzke
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