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nds 3-2012
Arnold Evertz
Schulpsychologe im Kreis
Recklinghausen
Vorsitzender des Landes-
verbandes Schulpsychologie
NRW e.V.
Die soziale Integration muss gelingen!
Die soziale Integration von SchülerInnen mit problematischem Beziehungsverhalten ist eines
der kaum gelösten Schulprobleme. Die UN-Menschenrechtskonvention und der inzwischen an-
gestrebte Transformationsprozess hin zur inklusiven Pädagogik erhöhen den Handlungsdruck.
Die derzeitige Inklusionsdebatte sieht vor, den Förderbedarf dieser SchülerInnen in der Regel-
schule zu gewährleisten. Dies könnte dort auch gelingen – positive Verhaltensmodelle, an de-
nen sich MitschülerInnen orientieren können, sind in der Regelschule ausreichend vorhanden.
Vorrangig muss dabei natürlich sein, neben anderen Risiken auch neue soziale Außenseiterpo-
sitionen zu vermeiden.
Notwendige Bedingung für den gelingenden Umgang mit schwierigen SchülerInnen ist die
Bereitschaft der Lehrkräfte, sich auf diese jungen Menschen einzulassen, mit ihnen eine Bezie-
hung einzugehen und hinter dem aggressiven Verhalten die Not und die Ängste wahrzunehmen,
es nicht bei Bestrafung und Abgrenzung zu belassen. Diese Bereitschaft ist erfreulicherweise bei
der Mehrzahl der LehrerInnen (sowohl in der Regelschule als auch bei SonderschullehrerInnen)
zu beobachten. Leider wird diese allzu oft aufgrund fehlender Unterstützung und Ressourcen
auf eine überharte Probe gestellt und das allein wird die systembedingten Probleme auch nicht
lösen können. Ohne Ressourcen ist jede Lehrkraft überfordert und in der Gefahr „auszubrennen“.
Oft sind das gerade die, die ein Scheitern nicht hinnehmen wollen.
Da SchülerInnen mit einem sogenannten herausfordernden Verhalten den Anspruch auf Un-
terricht im Regelschulsystem schon haben, wird klar, dass an dem Auf- und Ausbau eines Un-
terstützungssystems für die Schulen mit Hochdruck gearbeitet werden muss. Einen nicht unwe-
sentlichen Beitrag können hier – abhängig von ihrer Personalausstattung – die in allen Kreisen
und kreisfreien Städten vorhandenen schulpsychologischen Dienste leisten. Diese mögliche
„schulpsychologische Unterstützung der Schulen und des Schulsystems in NRW auf dem Weg zu
einer inklusiven Schule“ wird auch in dem gleichlautenden Positionspapier des Arbeitskreises
Kommunale Schulpsychologie beim Städtetag NRW beschrieben.
Weitere wesentliche Unterstützungselemente sind: Fortbildungen zur inhaltlichen und me-
thodischen Unterrichtsgestaltung durch Inklusionsmoderator/innen aus den Kompetenzteams
(gegenwärtig werden dreihundert von ihnen landesweit ausgebildet); Teamteaching von Regel-
schul- und sonderpädagogische Lehrkräfte in Klassen, in denen Kinder ohne und mit sonder-
pädagogischem Förderbedarf gemeinsam unterrichtet werden (dabei sollen sich beide Lehrkräf-
te für alle Kinder verantwortlich fühlen); fachübergreifende Fortbildungen zu Themen wie etwa
„Umgang mit Disziplinproblemen“, „Techniken der Klassenführung“, „Konstruktive Elternarbeit”
(werden von den meisten Schulpsychologischen Beratungsstellen und von den örtlichen Kom-
petenzteams für Kollegien angeboten; viele SchulpsychologInnen oder auch die Fortbildungs-
dezernate bieten vor Ort Supervision für einzelne Lehrkräfte und Lehrergruppen an); Angebote
zum Belastungsmanagement; Einrichtung multiprofessioneller Teams, bestehend aus Sonder-
schullehrkräften, SchulsozialarbeiterInnen, SchulpsychologInnen, die die Lehrkräfte bei akuten
Lern- und Verhaltensproblemen im Einzelfall unterstützen; Unterstützung bei der Ausweitung
der Lernfortschrittsdiagnostik anstelle der stigmatisierenden Klassifikationsdiagnostik. Dies sind
einige Beispiele, die deutlich machen, wo die Problemfelder liegen.
Ein Unterstützungssystem, das die schulische Arbeit hilfreich begleitet und ergänzt, gibt es
nicht zum Nulltarif und wird nicht von heute auf morgen zu etablieren sein. Auch wenn Eltern ver-
ständlicherweise drängen, muss – und hier sei die Schulministerin zitiert – „Sorgfalt vor Schnellig-
keit” gehen. Ebenso müssen sich
alle
Schulformen dem Inklusionsauftrag stellen. Keine Schule
und keine Schulform darf zugunsten einer anderen überfordert werden. Letztendlich geht es, wie
Reinhold Eichholz, ehemaliger Kinderbeauftragter der Landesregierung NRW sagt, „nicht darum,
dass einzelne Schulen inklusiv werden wollen und andere wie bisher bleiben, sondern die Men-
schenrechtskonvention verlangt Inklusion auf Dauer von allen Schulen“.
Arnold Evertz