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nds 3-2012
Die Lehrerin war am Ende konsequent: Die
Konsequenz hieß „Nacharbeiten zu Hause“,
doch war dies für die Kinder nicht vorhersehbar.
Für sie war es, als stelle ein Polizist eine Radar-
falle für Tempo 30 auf, aber vorher kein ent-
sprechendes Schild. Die Lehrerin hat also nichts
für das Regelverhalten der Klasse erreicht.
ZweiflerInnen dürfen jetzt anmerken, die
Kinder hätten doch von vornherein gewusst,
wie die Regel lautet und auch die Lehrerin
habe nie etwas anderes kommuniziert als die
Erinnerung an diese Regel.
Eigentlich verboten, aber ...
Stellen Sie sich ein anderes Beispiel vor: Sie
haben Ihren ersten Tag an einer neuen Schu-
le mitten in der Kölner Innenstadt. Sie fahren
mit dem Auto hin, doch leider hat die Stadt
es versäumt, Parkflächen für Lehrkräfte vor-
zusehen. Zwar gibt es direkt vor der Schule ei-
ne Fläche, auf der man gut parken könnte,
aber dort ist es verboten.
Genervt fahren Sie weiter, suchen und fin-
den einen Parkplatz etwa einen Kilometer
weiter, laufen zurück zur Schule und sehen,
dass drei Kolleginnen ihre Autos auf der ver-
botenen Fläche vor der Schule geparkt haben.
Auf Ihre Nachfrage kommt die Antwort: „Ei-
gentlich darf man da nicht parken. Aber wir
machen das immer so.“
Die meisten parken weiterhin dort, bis sie
das erste Mal vom Hausmeister erwischt wer-
den. Der ermahnt freundlich: „Sie wissen
aber, dass Sie da nicht parken dürfen?” Vor-
sichtshalber parken Sie am Folgetag woan-
ders, dann aber wieder auf der verbotenen
Fläche, wie die anderen auch. So geht es
mehrere Monate und während Sie sich mit je-
der Ermahnung mehr an das Spiel gewöhnen,
schwillt dem Hausmeister – von Ihnen unbe-
merkt – mit jeder Ermahnung der Hals, weil
er sich nicht ernst genommen fühlt.
Dann aber ist Ihr Auto eines Tages abge-
schleppt. Und der Hausmeister weist auf das
Parkverbots-Schild und sagt: „Hab ich doch im-
mer gesagt, dass Sie hier nicht parken dürfen!“
Auch der Hausmeister hat stets betont,
dass man vor der Schule nicht parken darf.
Trotzdem bleibt am Ende das Gefühl, unfair
behandelt worden zu sein. Die regelmäßigen
Ermahnungen des Hausmeisters ohne jede
Konsequenz haben aus dem Parkverbot ein
Eigentlich-Parkverbot gemacht. Und ein
sprachgewandtes Kind würde so auch die Si-
tuation in dem Unterrichtsbeispiel erklären:
„Eigentlich sollen wir leise arbeiten. Aber
wenn wir mal zu laut werden, erinnert uns die
Lehrerin einfach und wir werden wieder lei-
ser.“ Und deshalb fallen die Kinder auch aus
allen Wolken, wenn die Lehrerin am Ende
plötzlich ausrastet.
Wie viele Ermahnungen machen Sinn?
Bei der wievielten Ermahnung darf die
Lehrkraft noch ernsthaft darauf hoffen, dass
die Kinder die Regel nun wirklich umsetzen?
Meine Beobachtung ist: nur bei der ersten.
Spätestens die zweite Ermahnung müsste
kombiniert werden mit einer Konsequenz-
Wie man mit Ermahnungen zum Regelverstoß auffordern kann
Ermahnen ist der natürliche Feind der Konsequenz
Eine Lehrerin fordert ihre Klasse zum Arbeiten auf: „Aber leise!” Die Kinder starten
auch mit leiser Arbeit, werden dann aber lauter. Die Lehrerin ermahnt freundlich:
„Denkt daran: Wir arbeiten leise.“ Die Kinder werden wieder leise – für einige Mi-
nuten. Dann wird es wieder lauter. Dieses Spiel wiederholt sich noch einige Male.
Am Ende reißt der Lehrerin der Geduldsfaden und sie wird selbst sehr laut: „Das
klappt ja gar nicht heute! Wir hören jetzt hier auf! Ihr macht das alles zu Hause!“
androhung: „Ich unterbreche jetzt zum zwei-
ten Mal, weil es zu laut ist. Wenn ich es noch
einmal tun muss, dann ... (z.B. wir brechen die
Phase ab, ihr müsst die Aufgaben zu Hause
bearbeiten).” Oder die Lehrkraft unterbricht
die Arbeit und schimpft wie bei einem „Don-
nerwetter“. Spätestens die dritte Unterbre-
chung müsste dann wirklich mit einer Konse-
quenz einhergehen.
Foto: C. Speckin
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