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BILDUNG
Eigenständige Bildungsinstitutionen oder Anhängsel der Gymnasien?
Weiterbildungskollegs NRW
Viele Wege führen zum Ziel
Zu Zeiten ihrer Gründung boten Weiter-
bildungskollegs ArbeiterInnen, Hausfrauen,
HandwerkerInnen, einfachen Angestellten
und ähnlichen Bevölkerungsgruppen die Mög-
lichkeit, nach (erfolglosem) Durchlaufen der
Schulpflicht einen höheren Bildungsabschluss
auf dem zweiten Bildungsweg zu erreichen.
Die heutigen Studierenden des zweiten Bil-
dungswegs kommen aus Mangel an den Zu-
gangsvoraussetzungen vielfach gar nicht in
ein festes Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis
und versuchen deshalb auf den WBKs doch
noch eine „Eintrittskarte zum Arbeitsmarkt“ zu
erhalten. Die heutige Schülerschaft setzt sich
also vielfach aus denjenigen zusammen, die
der erste Bildungsweg „ausgespuckt“ hat. Das
heißt nun aber nicht, dass sie nicht die Fähig-
keiten hätten sich zu bilden, sondern – wie es
die WBKs immer wieder erleben – dass sich
das Regelschulsystem als ungeeignet erwiesen
hat, ihren Anspruch auf Bildung einzulösen.
Ihr Scheitern ist nicht ein persönliches, sondern
in vielen Fällen ein systemisches und gesell-
schaftliches.
Eine didaktische Allerweltsweisheit, dass
sich der Unterricht und seine Planung an der
Zusammensetzung der (heterogenen) Lern-
gruppe, ihrem Verhalten und ihren Erfah-
rungen auszurichten hat, scheint im Schulmi-
nisterium in Vergessenheit geraten zu sein.
Unterricht für Erwachsene
An den WBKs werden Erwachsene unterrichtet,
an den Gymnasien Heranwachsende. In ihrer sozi-
alen Herkunft unterscheiden sich die Studierenden
von den SchülerInnen an Gymnasien vielfach.
Die administrative Zuordnung und Steue-
rung der WBKs verlief in NRW uneinheitlich.
Lange Zeit waren sie mit einem eigenen Re-
ferat „Zweiter Bildungsweg“ der Abteilung
Weiterbildung im Schulministerium zugeord-
net. Dann wurden sie dem Arbeitsministerium
unterstellt, was sich jedoch als Fehlentschei-
dung erwies. Nun sind sie wieder dem Schul-
ministerium eingegliedert und gehören zum
Gymnasialbereich. Diese organisatorische und
verwaltungstechnische Ausrichtung führt dazu,
dass die WBKs seitdem wie ein Anhängsel der
Gymnasien behandelt werden.
Ganz praktisch bedeutet das, dass die Vor-
gaben für das Zentralabitur ebenso wie die ent-
sprechenden Aufgaben weitestgehend von den
WBKs übernommen werden müssen. Ähnliches
wird für die Kernlehrpläne gelten, die derzeit
neu erarbeitet werden. Die Curricula sind fast
vollständig von den Vorgaben zum Zentralabi-
tur bestimmt und ein Instrument, den Unter-
richt bis ins Detail inhaltlich festzulegen.
Wie stark sich das Schulministerium bei der
Ausrichtung der Weiterbildungskollegs an den
Vorgaben für Gymnasien orientiert, zeigt die
Auseinandersetzung um die sog. FHR-Kurse.
Verschiedene WBKs haben diese Kurse für Stu-
dierende eingerichtet, die zwar die Vorausset-
zungen zur Fachhochschulreife besitzen, nicht
aber für das Abitur. Der Gedanke dabei ist,
da keine zentrale Prüfung abgelegt wird, den
Unterricht besser an die Bedürfnisse der Studie-
renden anpassen zu können. Das Schulministe-
rium versucht seit einiger Zeit, die Einrichtung
solcher FHR-Kurse zu erschweren.
WBKs sind kein Anhängsel!
Auf den ersten Blick scheint die verwal-
tungstechnische Anbindung der WBKs bei
den Gymnasien sinnvoll. Ziel ist hier wie dort
das Abitur. Um Vergleichbarkeit zu erzielen,
sind die gleichen Prüfungen abzulegen. Was
könnte also dagegen sprechen, eine Verwal-
tung zu verschlanken, wenn sich die Möglich-
keit bietet? Auf den zweiten Blick werden die
unterschiedlichen Voraussetzungen sichtbar,
die – aus pädagogischer Sicht – unterschied-
liche Lernwege und Didaktiken erfordern, um
das Anforderungsniveau zu erfüllen. Wohl-
gemerkt, es geht nicht um die Absenkung
der Anforderungen, wie manche vielleicht
vermuten, sondern darum, diese zu erreichen.
Es ist aber absurd, denselben Menschen, die
bereits vom Schulsystem „aussortiert“ wur-
den, eine zweite Chance damit zu eröffnen,
dass sie unter denselben Bedingungen wieder
anzutreten haben. Dies ist nicht einmal im
formalen Sinn eine zweite Chance. Denn es
sind Menschen, die die Erfahrung des Schei-
terns an der Institution Schule bereits einmal
hinter sich haben, die aber ihr Recht auf
Bildung wahrnehmen wollen. Um ihnen den
Abschluss zu ermöglichen, den sie verdienen,
brauchen Weiterbildungskollegs eine eigene
pädagogische Konzeption!
Bessere Rahmenbedingungen
Um eine solche Konzeption zu entwickeln,
bedarf es entsprechender Rahmenbedin-
gungen, nämlich einer Verwaltung, die die
Kooperation der Weiterbildungskollegs zentral
koordiniert, statt ihnen zentralistisch unter
Negierung der wesentlichen Unterschiede der
Schulformen Vorgaben zu oktroyieren. Nötig
ist dazu allerdings auch, dass die Lehrenden
und Studierenden an den WBKs sich dieser
Ausgangslage bewusst sind und sich weder
einreden lassen, sie seien an einem Gymnasi-
Weiterbildungskollegs (WBKs) sind ein Schulangebot des Zweiten Bildungs-
weges. Sie führen ebenso wie Gymnasien zum Abitur, haben aber eine wesent-
lich andere Schülerschaft. Da sie organisatorisch und verwaltungstechnisch
dem Gymnasialbereich zugeordnet sind, gelten die curricularen Vorgaben dort
auch für sie, beim Zentralabitur ebenso wie bei den Kernlehrplänen, die derzeit
neu erarbeitet werden. Das führt zu pädagogischen Problemen.
Weiter- und Erwachsenenbildung
in der GEW NRW
GEW: Schwarzbuch 2 –
Arbeit in Integrationskursen
GEW: Schwarzbuch –
Beschäftigung in der Weiterbildung
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