punktlandung 2013.1
Das Clearinghaus ist eine Einrichtung speziell für unbe-
gleitete minderjährige Flüchtlinge. Warum braucht diese
Zielgruppe eine eigene Versorgung?
Jörg Loose:
Oft sind die Jugendlichen aufgrund der Ursa-
chen oder Umstände ihrer Flucht traumatisiert. Sie befin-
den sich in einem fremden Kulturkreis, sprechen nicht die
Sprache und sind auf Hilfe und Unterstützung angewiesen.
Es gibt keine Sorge- bzw. Erziehungsberechtigten, die für
ihr Wohl garantieren können. Das Clearinghaus ist für die
Jugendlichen ein Schutzraum, in dem sie ihre grundlegen-
den physischen und emotionalen Bedürfnisse befriedigen
können.
Wie lange bleiben die Jugendlichen bei Ihnen? Und wie
werden sie in dieser Zeit im Clearinghaus begleitet und
unterstützt?
F
ür das Clearingverfahren ist ein Zeitraum von drei Mona-
ten festgelegt. Währenddessen geht es darum, die Grund-
bedürfnisse der Jugendlichen unmittelbar zu gewähren
und sicherzustellen. Gleichzeitig wird eine pädagogische,
psychologische und ärztliche Diagnostik erstellt, um über
den weiteren Jugendhilfebedarf für die jungen Menschen
entscheiden zu können. Auch ihre aufenthaltsrechtliche Si-
tuation muss geklärt werden. Dazu bieten wir unter ande-
rem eine Asylverfahrensberatung an.
D
iese vielfältigen Aufgaben erfordern qualifiziertes Perso-
nal: Psychologen, Sozialarbeiter, Erzieher, Gruppenhelfer
und viele andere unterstützen die Jugendlichen im Alltag
mit einer Fülle an fachlicher und interkultureller Kompetenz.
Das Bezugsbetreuersystem ermöglicht eine intensive Beglei-
tung der Jugendlichen und gewährleistet auch eine Heran-
führung an das Normen-, Werte- und Regelsystem.
Welche Rolle spielt Bildung für die jungen Flüchtlinge?
Und welche Unterstützung kann das Clearinghaus in
Hinblick auf schulische und berufliche Bildung bieten?
D
ie Vermittlung der deutschen Sprache und die Heran-
führung an das Bildungssystem ist den Jugendlichen sehr
wichtig. Sie sind sehr daran interessiert, schnell Deutsch zu
lernen und sich damit unabhängig von Dolmetschern mit
ihrer Außenwelt zu verständigen und ihre Anliegen selbst
zu benennen.
U
m ihre Sprachkompetenz von Beginn an zu fördern, nehmen
die Jugendlichen bereits in den ersten Tagen im Clearinghaus
an einem hausinternen Sprachkurs teil. Dabei wird zum einen
die bis dahin im Heimatland erworbene Schulbildung über-
prüft und zum anderen eine erste Alltagsstruktur vermittelt.
Anschließend wechseln die Jugendlichen in eine externe
Sprachschule. Auf diese Weise fördern wir auch eine Außen-
anbindung und tragen dem Integrationsgedanken Rechnung.
Und was kommt nach dem Aufenthalt bei Ihnen?
A
m Ende des Clearingverfahrens steht eine Empfehlung für
den weiteren Hilfebedarf. Das Jugendamt entscheidet dann
über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch
VIII oder übergibt die Jugendlichen an Personensorgebe-
rechtigte – meist sind das eigene Verwandte. Mit der Unter-
bringung bei einem Jugendhilfeträger endet die Arbeit des
Clearinghauses und die Inobhutnahme.
Ämter und Behörden, Politik und Justiz, ehrenamtliche
Unterstützer und soziale Organisationen – sie alle sind
am Clearing beteiligt. Wie läuft die Zusammenarbeit?
N
ach knapp drei Jahren Clearing wird vor allem eines deut-
lich: Transparenz über die einzelnen Verfahrensschritte ist
für alle Beteiligten enorm wichtig, um im Interesse der
Jugendlichen den Hilfebedarf rasch zu klären. Gerade im
Zusammenspiel mit anderen Trägern brauchen wir einen en-
gen und kontinuierlichen Austausch. Wir sind deshalb sehr
daran interessiert, die Zusammenarbeit mit den Ausländer-
behörden und dem Jugendamt weiter zu intensivieren. Nur
so können wir die Hilfen für die Jugendlichen in Zukunft
noch passgenauer und am Kindeswohl orientiert gestalten.
Jörg Loose
ist Diplom-Sozialpädadoge, Leiter der Jugendhilfe
der AWO Dortmund und des Dortmunder Clearinghauses.
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Ein Ort zum Ankommen
Wenn Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ohne Begleitung eines Familienangehörigen
sind, gilt das als eine Gefährdung des Kindeswohls. Jede Kommune muss in dieser Situation
Schutz bieten – auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Im Clearinghaus in Dort-
mund finden sie ein erstes, vorübergehendes Zuhause.
Das Clearinghaus in Dortmund-Eving ist eine Inobhutnahme-
und Diagnostikeinrichtung der Jugendhilfe. Das Projekt startete
im Juni 2010 und bietet Platz für 30 Jugendliche im Alter von
16 bis 18 Jahren, die unbegleitet – ohne Sorge- bzw. Erziehungs-
berechtigte – in Deutschland eingereist sind. Die unbegleiteten
minderjährigen Flüchtlinge werden hier nach § 42 SGB VIII für
drei bis sechs Monate in Obhut genommen. In NRW gibt es
zwei weitere Clearinghäuser in Dortmund, fünf in Bielefeld und
eins in Düsseldorf.
Clearinghaus Dortmund gibt jungen Flüchtlingen
Sicherheit und Orientierung (WAZ, 7. Juni 2011)
punktgenau
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