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nds 1-2013
Arbeitsplatz Schule – sehr ernüchternd
Nadine Himmighofen hat erst seit
einigen Monaten eine feste Stelle
an einer Oberhausener Grundschule,
aber sie ist keine blutige Anfängerin.
Die junge Kollegin hat nach der Re-
alschule eine Berufsausbildung als
Sozialversicherungsfachangestellte
absolviert, dann am Kolleg das Ab-
itur gebaut und schließlich Lehramt
studiert und ein zweijähriges Refe-
rendariat abgeleistet.
Diese zweite Berufsausbildung zur Lehrerin
sieht sie durchaus kritisch: „Sowohl das Studi-
um als auch die Referendarausbildung waren
leider sehr praxisfremd.“ Die Ausnahme
war für sie jeweils der Sportbereich. „Sowohl
im Studium als auch im Seminar habe ich
sehr praktische Anleitungen bekommen und
fühle mich so für einen guten Sportunter-
richt gerüstet“, erinnert sich die begeisterte
Fußballerin.
Den Frust des praxisfernen Studiums hat
Nadine nur ausgehalten, weil sie in Praktika
die Arbeit mit den Grundschulkindern lieben
gelernt hat.
Im Referendariat war die Erfahrung ähnlich:
„Wir wurden von Ausbildern oft so behandelt,
wie wir selbst Schüler nicht behandeln sollten.
Manchmal hatten wir den Eindruck, dass die-
se schon lange selbst nicht mehr unterrichtet
haben. Hochgehalten hat mich vor allem das
Sport-Fachseminar. Hier durften wir sehr viel
ausprobieren und haben praxisnah gelernt.“
Wie bei vielen jungen Kolleginnen und
Kollegen war dann der Übergang in das Lehr-
amt von Unsicherheit geprägt. Sie mussten
sich parallel zu den stressigen Prüfungen
auf Stellen bewerben und gleichzeitig beim
Arbeitsamt arbeitslos melden.
Nadine hat dann eine Pool-Stelle in Ober-
hausen bekommen und hier die Realität
kennengelernt: „Mir wurde genau wie den
anderen jungen Kolleginnen und Kollegen zu-
gesichert, dass wir als 'Springer' nur an einer
Schule pro Tag eingesetzt würden.“ Schnell
war diese Zusicherung nichts mehr wert: „Ich
hatte zeitweise kein Auto zur Verfügung und
konnte die Wege quer durch die Stadt und
diese Hektik nur bewältigen, weil meine Fami-
lie geholfen und mich immer wieder gefahren
hat. Wieder hat mich nur das Erleben der Kin-
der und die Unterstützung netter Kolleginnen
und Kollegen aufrecht gehalten.“
Das nächste ernüchternde Erlebnis scheint
der jungen Kollegin noch sehr präsent zu sein:
„Ich habe mit anderen jungen Lehrerinnen
eine Qualifizierung für den Englischunterricht,
den sogenannten C1-Schein, gemacht. Als wir
unsere Prüfungen abgeleistet hatten, gab es
einen Erlass, der rückwirkend dieses Verfahren
abschaffte. Das haben wir als höchst unge-
recht empfunden und uns sofort an den GEW-
Stadtverband und den örtlichen Personalrat
gewandt“.
Richtig, wie sich bald herausstellte. Nach
energischem Protest der Kolleginnen und
Kollegen bei der Bezirksregierung wurde der
Erlass nicht rückwirkend angewandt. Diese
positive Erfahrung der kollegialen Unterstüt-
zung macht die junge Grundschullehrerin
auch in ihrem Kollegium. „Den 28-Stunden-
Schock habe ich nur ausgehalten, weil ich
sehr gut von Kolleginnen und der Schulleiterin
unterstützt wurde.“
Dabei benötigen auch die anderen Lehre-
rinnen der Schule „moralische“ Unterstützung,
schließlich soll ihre Schule am Tackenberg
trotz guter Anmeldezahlen und trotz einer
gerade durchgeführten Sanierung des Gebäu-
des bald geschlossen und abgerissen werden.
Die verschuldete Stadt verkauft das Gelände
als wertvolles Bauland. Die Kinder müssen
größere Wege und Umstände in Kauf nehmen
und können das nicht nachvollziehen. Nadine
kennt das irgendwie.
BB
„Bei der Arbeit als ‚Springerin' in der Pool-Stelle hat mich die Nähe zu den Kindern sehr motiviert und durchhalten lassen.“