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Die Exzellenzinitiative
Ungleichheit als politisches Projekt
Seitdem am 15. Juni 2012 die Förderentscheidung für die zweite Programmpha-
se (2012–2017) der sogenannten Exzellenzinitiative durch den gemeinsamen
Bewilligungsausschuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des
Wissenschaftsrates bekannt gegeben wurden, ist es offiziell, dass NRW eine
zweite „Eliteuniversität“ bekommen hat. Zur RWTH Aachen, deren Elitestatus
erwartungsgemäß aus der ersten Programmphase (2006–2011) verlängert
wurde, gesellt sich jetzt die Universität zu Köln. Die Ruhr-Uni Bochum, welche
auch für die Endrunde um dieses Prädikat zugelassen war, verfehlte knapp.
Worum geht es eigentlich bei diesem Programm, das seit seiner Ausrufung im
Rahmen einer Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern (2005)
bis weit ins konservative Wissenschaftsspektrum heftigst umstritten ist?
Verteilungspolitische Steuerung
Rein technisch betrachtet ist die Exzellenz-
initiative ein wettbewerbliches Antragsver-
fahren, in dem sich die Universitäten für drei
Förderlinien bewerben können: für Graduier-
tenschulen (1 bis 2,5 Mio. Euro pro Jahr), für
sogenannte Exzellenzcluster, d.h. Forschungs-
verbünde auch unter Einbeziehung der hoch-
schulfreien Forschung (3 bis 8 Mio. Euro pro
Jahr), und drittens (auf die gesamte Hoch-
schule bezogen) für Zukunftskonzepte zum
Ausbau der Spitzenforschung (ca. 10 bis 20
Mio. Euro pro Jahr).
Die dritte Förderlinie ist nicht nur die
finanziell lukrativste, sondern auch der ei-
gentliche Ritterschlag der Exzellenzinitiative.
Hier können nur solche Hochschulen punkten,
die auch in den ersten beiden Antragslinien
erfolgreich waren. Die Medien haben schließ-
lich für diese Sieger das – aus der öffentlichen
Debatte nicht mehr weg zu bekommende
– Prädikat „Eliteuniversität“ verliehen. Für
das gesamte Programm wurden in der ersten
Förderphase 1,9 Mrd. Euro bewilligt, in der
jetzt anlaufenden zweiten Phase sogar 2,4
Mrd. Euro. Das ist angesichts der allgemeinen
Finanznot der Hochschulen nicht wenig. So
richtete sich denn auch gegen die Exzellenz-
initiative seit Anbeginn der Verdacht, weniger
ein fairer und neutraler wissenschaftlicher
Leistungsvergleich zu sein als vielmehr im
Kern eine verteilungspolitische Weichenstel-
lung mit dem Ziel, finanzielle Zuwächse in
einem seit mehr als zwei Jahrzehnten struk-
turell unterfinanzierten Hochschulsystem nur
noch an wenigen, mit dem Prädikat „Exzel-
lenz“ symbolisch aufgewerteten Standorten
zu konzentrieren.
Analyse der Verteilungsstruktur
Dieser Verdacht wird durch eine Analyse
der Verteilungsstruktur der Exzellenzfinanzen,
die weitgehend der Drittmittelkonzentration
der jüngeren Vergangenheit folgt, bestätigt.
2009 bestanden 26 Prozent des Gesamtbud-
gets der Hochschulen (1998: 16 Prozent) aus
Drittmitteln im Gesamtumfang 5,3 Mrd. Euro.
Diese befristeten Zusatzfinanzen verteilen sich
allerdings nicht gleichmäßig über das System.
Über 60 Prozent davon konzentrieren sich auf
eine in ihrer Zusammensetzung relativ stabile
Spitzengruppe von 20 Universitäten bei einer
Gesamtzahl von knapp über 100. DFG und
Wissenschaftsrat melden selbst, dass diese
Top-20-Liga auch 80 Prozent der Exzellenzfi-
nanzen unter sich aufteilen.
An der Spitze der Spitze nimmt dieser Kon-
zentrationseffekt noch einmal zu: Die ersten
vier Hochschulen des DFG-Förderrankings
2009 – die beiden Münchener Universi-
täten, die RWTH Aachen und die Universität
Heidelberg – erhielten alleine mit 650 Mill.
Euro, ein Drittel des gesamten Exzellenzbud-
gets. Dass alle vier in der dritten Förderlinie
auch zu „Eliteuniversitäten“ in beiden Pro-
grammphasen erhoben wurden, liegt in der
Logik des Vorganges einer offenbar bewusst
in Kauf genommenen Verteilung nach dem
Matthäus-Effekt.