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Helle Timmermann
Leitungsteam der Fachgruppe
Erwachsenenbildung der GEWNRW
denTabletkurs, sonderndenGesprächskreis für
AngehörigepsychischKrankeranzubieten?Die
Herangehensweise derWeiterbildung ist eben
nicht nur marktorientiert. Sie bietet nicht nur
das an, wofür dieNachfrage andie Tür klopft.
Sie versucht ebenso diejenigen zu erreichen,
für die Bildung keine Selbstverständlichkeit
ist, sucht nach versteckten Bildungsbedarfen,
entwicket entsprechende Angebote und sucht
denKontakt vor Ort.
WenndieWeiterbildung ihremBildungsauf-
traggerecht werdenwill, braucht sie Entgelte,
die es Teilnehmenden auch bei geringem Er-
werbseinkommen ermöglichen einen Kurs zu
besuchen. Und sie braucht Entgeltordnungen,
dieesdenEmpfängerInnenvonSozialleistungen
ebenfallsermöglichen. Siebrauchtgutausgebil-
detesundentsprechendbezahltesPersonal,das
ihrenBildungsauftrag erkennt und vermittelt.
Dennandernfallsgilt,wasdiePIAACStudie
im Jahr2013 fürdiegesamteundvorallemdie
beruflicheWeiterbildung festgestellthat:Dann
entscheidet soziale Herkunft in in besonderer
Weise über die Kompetenzen. Dann fehlen im
ErwachsenenalterChancen, vorhernichterwor-
beneKompetenzenauszugleichen.Dannwirddie
Personengruppe,die inderSchulegeringeKom-
petenzenerworbenhatund inderPIAAC-Studie
am schlechtestenabschneidet, vergleichsweise
wenig anWeiterbildung beteiligt.
SteigendeBildungsbedarfe
für eine friedlicheGesellschaft
Rund drei Viertel der in den letzten Jahren
zu uns Geflüchteten sind älter als 15 Jahre
und fallen damit unter den Förderbereich des
Weiterbildungsgesetzes. Doch nur ein Teil von
ihnenkannaufgrundgesetzlicherVorgabenan
IntegrationskursenoderandurchdieAgentur für
ArbeitgefördertenMaßnahmenderberuflichen
Weiterbildung teilnehmen.BeieinemgroßenTeil
der neuZugereisten ist aber voneinem langen
Aufenthalt in Deutschland auszugehen und
alle haben ein Recht auf Bildung. Dabei geht
esnichtnurumDeutschkurse, sondernumalle
Angebotsbereiche–vonderpolitischenBildung
bis zuAngeboten der Familienbildung.
Die steigenden Bildungsbedarfe betreffen
jedoch nicht nur die Geflüchteten direkt. An-
gebote wie Argumentationstrainings gegen
rechte Stammtischparolen oder die Stärkung
des bürgerschaftlichen Engagements in der
Flüchtlingshilfe tragennichtnur zurEntlastung
der Systeme bei. Sie bieten die Voraussetzung
für dengesellschaftlichen Friedenund Zusam-
menhalt ineinerGesellschaft, dievonPluralität
geprägt ist und von Solidarität lebt.
Weiterbildung endlichals
Hauptberuf anerkennen
Ein Prozent des Bildungsetats für die Wei-
terbildung – das heißt nicht nur mehr Geld
für zusätzliche Stellen beim festangestellten
Personal unddie Sicherung eines bezahlbaren
und bedarfsgerechten Angebots. Es heißt vor
allemauch,dieAussichtaufeineentsprechende
Bezahlungder Lehrkräfte. Langevorbei sinddie
Zeiten, in denen man mit Fug und Recht von
nebenamtlichenKursleitendensprechenkonnte.
Nichtnur inden Integrationskursen, sondern in
allenBereichenderErwachsenenbildung, inden
FremdsprachenundderpolitischenBildung, im
Gesundheitsbereich, inder kulturellenBildung
und inder Umweltbildunghaben immermehr
Lehrkräfte ihreTätigkeit inderErwachsenenbil-
dung zu ihremHauptberuf gemacht. Sie sind
professionelleErwachsenenbildnerInnen–und
genauso soll es auch sein.
DemverändertenBerufsbild trägtdieHono-
rarstruktur jedoch inkeinsterWeiseRechnung.
Nach wie vor orientieren sich die Honorar-
sätze am Bild der nebenamtlichen Lehrkraft,
für die dasHonorar einnetter Zusatzverdienst
ist. Krankenkassenbeiträge in voller Höhe,
Rentenversicherung in voller Höhe oder eine
Absicherung für Zeiten der Erwerbslosigkeit
sind nicht vorgesehen. Die sollen ja durch die
hauptamtlicheTätigkeit ineinemanderenBeruf
abgedeckt werden.
WenndieMittel fürdieWeiterbildunggleich
bleiben, so wirkt sich das direkt auch auf die
Honorareaus.EineDeckelungderFördersummen
heißt in vielen FällenaucheineDeckelungdes
Honorars. Eine kontinuierliche Erhöhung des
Honorarsanalogzuden tariflichenSteigerungen
imöffentlichenDienst ist invielenEinrichtungen
unvorstellbar, inanderenEinrichtungenwirdsie
durch erhöhte Entgelte aufgefangen. Die nun
erfolgteMittelsteigerung ist für diesenBereich
nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Wir dürfen es nicht vergessen: Die Unter-
finanzierung der gemeinwohlorientierten
Erwachsenenbildung geht zulasten eines be-
darfsorientierten und langfristig angelegten
nachhaltigen Angebots. Und sie erfolgt im
Wesentlichen auf dem Rücken der Honorar-
kräfte. Wir brauchen ein Prozent und wir sind
weit davon entfernt.
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