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bildung
Ellen Köttelwesch
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
am Institut für Sport- und Bewe-
gungswissenschaften Universität
Duisburg-Essen, Ansprechpart-
nerin für die Region Westfalen,
Kontakt: ellen.koettelwesch@
uni-due.de
Katharina Althoff
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
am Institut für Sport- und Bewe-
gungswissenschaften Universität
Duisburg-Essen, Ansprechpart-
nerin für die Regionen Nieder-
rhein und Mittelrhein, Kontakt:
Schule in Finnland
Ein finnisches Bildungserlebnis
Die Deutsche Schule in Helsinki (DSH) ist Anlaufpunkt für viele deutsche
Bildungsreisende, die oftmals kommen, da hier auch viele Segnungen der fin-
nischen Bildungsphilosophie umgesetzt worden sind, angefangen vom gemein-
samen kostenlosen Mittagessen, von der Gesundheitsfürsorge über die Schü-
lerbetreuungsgruppe bis hin zum kostenlosen und schulinternen Fördersystem
bei Schulschwierigkeiten. In den Gesprächen geht es häufig um die Frage nach
dem Geheimnis der finnischen Methode, die sie zum PISA-Primus macht. Was ist
der Kern des finnischen Bildungserfolges? Was bedeutet es im Alltag, wenn der
Fokus der Bildung nicht auf Selektion ausgerichtet ist, sondern die Bildungsein-
richtungen tatsächlich dem Credo folgen: Kein Kind darf zurückbleiben?
Die Bausteine werden in enger Kooperation
mit einem schulnahen Fußballverein realisiert.
Turniere werden auf dem Vereinsgelände ge-
spielt, Fußballassistentinnen helfen bei Organi-
sation und Durchführung und unterstützen die
AG-Leitung. Diese kann den Mädchen Freude
an der Bewegung, am Fußball vermitteln und zur
regelmäßigen Sport(vereins)teilhabe motivieren.
Unsere Erfahrungen zeigen, dass mit dem
Projekt besonders Mädchen mit Migrationshin-
tergrund erreicht werden, die nicht in einem
Sportverein angemeldet sind. Der durch-
schnittliche Anteil dieser Mädchen liegt in den
Mädchenfußball-AGs bei 73,9 Prozent und
damit oberhalb des schulischen Durchschnitts
von 66,2 Prozent. Fast 80 Prozent der AG-
Teilnehmerinnen sind nicht Mitglied in einem
Sportverein. (Gebken und Vosgerau 2012, S.
32, S. 99). Sie trauen sich endlich etwas zu und
erleben Spaß am gemeinsamen Fußballspielen.
Katharina Althoff/Ellen Köttelwesch
Literatur
Gebken, Ulf; Vosgerau, Söhnke (2012)
:
Soziale Integration von Mädchen durch Fuß-
ball – Evaluationsbericht zum Stand der bun-
desweiten Projekt-Implementierung, vorgelegt
am 20.01.2012
Lampert, Thomas; Mensink, Gerd; B. M.;
Romahn, Natalie; Woll, Alexander. (2007)
:
Körperlichsportliche Aktivität von Kindern
und Jugendlichen in Deutschland. In: Bundes-
gesundheitsbl. 50 (5-6), S. 634–642.
Schmidt, Werner (2008):
Zur Bedeutung
des Sportvereins im Kindesalter. In: Werner
Schmidt und Renate Zimmer (Hrsg.): Zweiter
Deutscher Kinder- und Jugendsportbericht.
Schwerpunkt Kindheit. Schorndorf: Hofmann,
S. 373 - 390.
Gemeinsam Essen – Grundlagen schaffen
Jede Einrichtung in Finnland, die sich um
Kinder kümmert, muss nicht nur Räume und
pädagogisches Personal zur Verfügung stellen,
die Kinder haben auch einen Anspruch auf
Verpflegung. Alle Schüler der DSH bekommen
ein kostenloses Mittagessen in unserer Mensa.
Dieses Essen muss nicht die Schule bezahlen,
sie bekommt das Geld von der Stadt Helsinki.
Von klein auf sind die Kinder so gewohnt,
dass sie sich ihr Essen selbstständig am Buffet
holen, gemeinsam mit ihren Klassenameraden
und den Lehrern essen und am Ende Geschirr
und Tablett wieder abgeben. Täglich gibt es
Hinweise, wie die ideale Zusammensetzung
des Essens aussehen sollte. Das gemeinsame
Essen trainiert sinnvolle Ernährungsgewohn-
heiten und soziale Fähigkeiten, die die Grund-
lage für zufriedenstellenenden Unterricht sind.
Die Gesundheitsfürsorgerin –
Vorsorge, Rat und Verständnis
An jeder Schule arbeitet eine Gesund-
heitsfürsorgerin. Sie ist nicht Angestellte der
Schule, sondern der Gemeinde. Sie sorgt
sich um den Gesundheitszustand der Schü-
lerInnen, führt Reihenuntersuchungen der
Klassen durch, verabreicht Impfungen und ist
Ansprechpartnerin in allen gesundheitlichen
Fragen. Sie darf zudem Atteste schreiben und
Schüler zu Fachärzten und Krankenhäusern
überweisen. Im Schulalltag ist das für Schüler
wie Lehrer eine große Hilfe und Entlastung.
Lernmittelfreiheit –
Investition in die Zukunft
Alle Lernmittel, angefangen von Büchern
über Hefte bis hin zum einzelnen Radiergum-
mi, sind in den Klassen 1 bis 9 frei. Jedes
Buch, das angeschafft wird, bekommen die
Kinder umsonst in die Hand. Teilweise dürfen
sie die Bücher jedoch nicht behalten, sondern
müssen sie in gutem Zustand am Ende des
Jahres wieder abgeben. Bei Verlust oder Be-
schädigung des Buches müssen es die Eltern
des Kindes ersetzen. Die Bestände verwaltet
eine Sekretärin.
Autonomie von Schule –
Vertrauen statt Kontrolle
Das Sozialprestige der LehrerInnen in Finn-
land ist sehr hoch. Die Eltern, aber auch die
Behörden vertrauen darauf, dass sie gut aus-
gebildete Lehrkräfte haben, die ihr Handwerk
verstehen. Lehrer zu werden ist in Finnland
eine Auszeichnung. Nur zehn Prozent der
BewerberInnen werden zu einem Lehramtsstu-
dium zugelassen.
Die Schulinspektion, wie sie gerade in
Deutschland wieder verstärkt eingeführt wird,
ist in Finnland bereits 1995 abgeschafft wor-
den. Das heißt nicht, dass jede Schule unkon-
trolliert vor sich hin werkeln darf. Den Schulen
wird ein vielfältiges Evaluationsinstrumentari-
um zur Verfügung gestellt, mit dem sie selber
feststellen können, an welcher Stelle Entwick-
lungsbedarf vorliegt. Beispielsweise wird an der
DS Helsinki jedes Jahr die STAKES-Befragung
in dem 8. und 9. Jahrgang vorgenommen,
die vom Sozial- und Gesundheitsministerium
durchgeführt wird. Die eigenen und die Ver-
gleichswerte der Schulen in Helsinki werden
der DSH zur Verfügung gestellt. Mit Hilfe
der Umfrage erwirbt die Schule umfassende
Kenntnisse über das Leben und Fühlen der
SchülerInnen in und außerhalb der Schule.
Abgefragt werden Ernährungsgewohnheiten,
Erfahrungen mit Drogen und Suchtmitteln,
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