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nds 2-2013
Johanna und ihre Freundin Jagdip gehen
noch zur Schule und sind Fußballerinnen beim
TuS Eintracht Bielefeld. Seit zwei Jahren leiten
sie eigenständig die Mädchenfußball-AG an der
Osning-Schule in Bielefeld. Einmal in der Woche
finden sich bis zu 20 Dritt- und Viertklässle-
rinnen in der Turnhalle zusammen, um gemein-
sam Fußball zu spielen. Die Osning-Schule ist
eine von drei Grundschulen in Bielefeld, die an
dem Projekt „Mädchen mittendrin“ teilnimmt.
Das gute Gefühl von Zugehörigkeit
Das Projekt des Instituts Integration durch
Sport und Bildung der Carl-von-Ossietzky-
Universität und des Instituts für Sport- und
Bewegungswissenschaften der Universität
Duisburg-Essen wird vom Ministerium für
Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport
gefördert. Seit 2009 wird es in NRW an zwölf
Standorten erfolgreich durchgeführt und seit
2012 an acht weiteren Standorten ausgebaut.
Von Herford über Bottrop bis Siegen wird auf
Mädchenfußball gesetzt – also genau dort,
wo es besonders vonnöten ist.
In Bielefeld wurde der Stadtteil Sieker aus-
gewählt, der zum „Bund-Länder-Programm
Soziale Stadt“ gehört. Dort leben viele Men-
schen, die sozial benachteiligt sind und kaum
Möglichkeiten haben, an kulturellen oder sons-
tigen attraktiven Angeboten teilzunehmen. Der
Sport bietet jedoch vielfältige Chancen.
Er eröffnet Potenziale für eine gelingende
körperliche und motorische (Weiter-)Entwick-
lung. Anderseits sind daran auch Hoffnungen
auf Fortschritte bei sozialen Lernprozessen
Fußball-Projekt „Mädchen mittendrin“:
Infos zum Projekt sowie zu den
teilnehmenden Städten und Schulen
DFB-Mitglieder-Statistik 2000
DFB-Mitglieder-Statisik 2012
Fußball-Projekt „Mädchen mittendrin“
Mehr Chancen für Mädchen
Auf die Frage, was sie an der Mädchenfußball-AG besonders mag, antwortet die
17-jährige Leiterin Johanna: „Mir gefällt besonders gut, dass das hier ganz ver-
schiedene Kinder sind, also verschiedenes Alter, verschiedene Nationalitäten.
Dennoch wirkt es immer, als würden sie gar nicht richtig merken, dass sie so
verschieden sind. Sie spielen halt so, als wären sie alle gleich und das finde
ich gut.“
und persönlichen Kompetenzerfahrungen ge-
knüpft. Im sportlichen und sozialen Miteinan-
der können Kinder selbstbewusst handeln,
sich zugehörig fühlen, ihr Selbstwertgefühl
stabilisieren und sie lernen, mit Erfolgen und
Misserfolgen umzugehen. Soziale Anerkennung
gibt jedem einzelnen Kind das gute Gefühl von
Zugehörigkeit. Der individuelle Umgang mit
Leistung und Erfolg, mit Mängeln und Grenzen,
kann in gesicherter Gemeinschaft erprobt wer-
den (Schmidt 2008, S. 382).
Das Projekt spricht insbesondere Kinder an, die
im Sportverein unterrepräsentiert und auch sonst
eher selten sportlich aktiv sind. Es fällt auf, dass
vor allem Mädchen mit niedrigem Sozialstatus
und Migrationshintergrund die größten Aktivi-
tätsdefizite aufweisen. Während Mädchen mit
niedrigem Sozialstatus zu 40,2 Prozent weniger
als einmal in der Woche sportlich aktiv sind, sind
es nur 12,1 Prozent der Mädchen mit hohem
Sozialstatus. Fast die Hälfte der Mädchen mit Mi-
grationshintergrund (48,3 Prozent) ist seltener als
einmal wöchentlich sportlich aktiv (Lampert et al.
2007, S. 636 ff.). „Mädchen mittendrin“ erreicht
genau diese Mädchen und nutzt ihr steigendes
Interesse an Sport und Spiel, hier am Fußball.
Die Mitgliederzahlen des Deutschen Fuß-
ballbundes zeigen in den letzten zwölf Jahren
einen Anstieg um 64 Prozent bei den fuß-
ballspielenden Mädchen bis 16 Jahren (DFB
2000, S. 2; DFB 2012, S. 2). Um den Mädchen
einen Zugang zum Sport zu ermöglichen und
ihnen den Weg in den Sportverein zu erleich-
tern, wurden vier Bausteine entwickelt:
1. Die Mädchen Fußball-AG
Arbeitsgemeinschaften an Grundschulen
bieten den Schülerinnen den idealen Einstieg
in den Mädchenfußball. In ihrem unmittel-
baren Sozialraum und in einer vertrauten
Gruppe können die Mädchen erste Erfah-
rungen sammeln.
2. Die Fußballassistentinnen-Ausbildung
Interessierte jugendliche Schülerinnen wer-
den in dreitägigen Kursen zu Fußballassisten-
tinnen ausgebildet und in pädagogischen und
fußballerischen Themenbereichen geschult. Ei-
gene praktische Erfahrungen gehören ebenso
dazu wie eine selbst geleitete Übungsstunde
mit GrundschülerInnen. Die Jugendlichen sam-
meln so wertvolle Erfahrungen im Umgang mit
Kindergruppen.
3. Turniere
Fußballturniere bieten einen großen Anreiz
und die Gelegenheit, das Gelernte im Wett-
kampf umzusetzen. Die Mädchen finden sich
im Team zusammen und spielen gegen andere
Grundschulen. So z. B. auch beim GEW-Turnier
im Sommer 2011 auf dem Gelände des Instituts
für Sport- und Bewegungswissenschaften der
Universität Duisburg-Essen, an dem 130 Mäd-
chen aus zwölf NRW-Grundschulen teilnahmen.
4. Fußball-Camps
Camps ermöglichen es, Gemeinschaft zu
erleben und füreinander Verantwortung zu-
tragen. Die Mädchen spielen miteinander
Fußball und erleben darüber hinaus ein viel-
fältiges Rahmenprogramm.
„Mädchen mittendrin“ spricht Kinder mit niedrigem
Sozialstatus und Migrationshintergrund besonders an
und nutzt das steigende Interesse der Mädchen an
Sport und Spiel.
Foto: Uni DUE
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