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nds 2-2013
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Qualität hat ihren Preis: Gemeinsamer
Appell der kommunalen Spitzenverbände
und der Lehrerverbände zu den unzurei-
chenden Finanzmitteln für Inklusion
GEW NRW: Offener Brief an
Schulministerin Löhrmann
GEW-Infos zu Inkusion
p us
Dorothea Schäfer
GEW-Landesvorsitzende NRW
Beispiel Gesamtschule
Die Schule hatte sich nach Diskussion im
Kollegium und in der Schulkonferenz dafür
ausgesprochen, zum nächsten Schuljahr eine
neue integrative Lerngruppe einzurichten. Die
Klasse sollte fünf Kinder mit sonderpädago-
gischem Förderbedarf aufnehmen, und es
sollten insgesamt nur 23 Kinder in diese
Klasse eingeschult werden. Wegen des Anmel-
deüberhangs der Schule hieß es kurz vor den
Sommerferien, dass die Schule sieben Förder-
kinder aufnehmen und die Klassengröße auf
28 Kinder angehoben werden müsse. Eine
Fortbildung für die Kolleginnen und Kollegen
des Klassenteams hatte bis zum Beginn des
neuen Schuljahres nicht stattgefunden.
Herausforderungen und Grenzen
Anfang Februar zeigte das WDR-Fernsehen
einen Film unter dem Titel „die story: Lesen,
schreiben, stören.“ Drei Kinder mit sonder-
pädagogischem Förderbedarf, die nach der
Grundschule in eine weiterführende allgemei-
ne Schule eingeschult worden sind, wurden
über mehrere Monate begleitet.
Der Film belegt sehr eindrucksvoll, wie groß
das Engagement der beteiligten Schulen ist,
welche Herausforderungen alle zu meistern
haben und wo die Grenzen liegen. Deutlich
wurde, dass wir neben den Forderungen nach
kleineren Klassen, einer sinnvollen Doppelbe-
setzung, einer vorlaufenden Fortbildung sowie
der räumlichen und sächlichen Ausstattung
auch mehr Zeit für die Beratung und den
fachlichen Austausch untereinander brau-
chen. Das gilt nicht nur für die Zeiten, in
denen sonderpädagogische Fachkräfte in den
allgemeinen Schulen zur Verfügung stehen,
sondern auch für Gespräche innerhalb des
Klassenteams und zwischen Förderschullehr-
kraft und Regelschullehrkräften.
Das Problem der „Inklusion in einer Ge-
sellschaft der Exklusion“ wurde bereits in der
Septemberausgabe der nds (9-2012) sehr
eindrücklich von der Kollegin Uschi Nienhaus-
Böhm angesprochen. Lehrkräfte müssen selek-
tiv handeln, sollen aber inklusiv denken. Sie
sollen alle Kinder gleichermaßen individuell
fördern und jedem Kind gerecht werden.
Sie sollen dabei die Lehrpläne erfüllen, die
Vorbereitungen auf Lernstandserhebungen
und Schulabschlüsse leisten und all das tun,
was schon immer zum LehrerInnenberuf da-
zu gehörte. Viele Lehrkräfte fühlen sich mit
dieser Aufgabe überfordert – da hilft es
auch nicht, darauf hinzuweisen, dass ein
Paradigmenwechsel pro Inklusion nur mit
einer Einstellungs- und Verhaltensänderung
aller Lehrkräfte gelingen kann. Das ist richtig,
schiebt aber gleichzeitig die Verantwortung
für das Gelingen des Inklusionsprozesses auf
den Einzelnen ab.
Zur Transparenz des Prozesses hatte die
GEW frühzeitig die Einrichtung eines Inklu-
sionsbeirats beim Schulministerium (MSW)
eingefordert. Im Dezember hat sich beim Mi-
nisterium für Arbeit, Integration und Soziales,
das die Federführung für den Aktionsplan der
Landesregierung „Eine Gesellschaft für alle –
Förderschüler und Inklusionsklassen
Förderschüler in Inklusionsklassen
2006/2007
2010/2011
2011/2012
NRW
11.765 (10,27 %)
18.916 (16,14 %)
22.584 (19,28 %)
Westfalen 4.771 (8,45 %)
8.486 (14,77 %)
10.614 (18,50 %)
Förderschüler in Förderschulen
2006/2007
2010/2011
2011/2012
NRW
102.814 (89,73 %)
98.290 (83,86 %)
94.532 (80,72 %)
Westfalen 51.718 (91,55 %)
48.964 (85,23 %)
46.816 (81,50 %)
Förderschüler gesamt
2006/2007
2010/2011
2011/2012
NRW
114.579
117.206
117.116
Westfalen 56.489
57.450
57.430
GEW: Es besteht die Gefahr, dass die Po-
litik das „Projekt Inklusion“ vor die Wand
fährt. Gute materielle, räumliche und
personelle Bedingungen sind die Voraus-
setzung. Inklusion kann nur gelingen, bei
umfassender Fortbildung der Kollegien,
bei mehr Sonderpädagoginnen und -pä-
dagogen sowie einer möglichst durchge-
henden Doppelbesetzung im Unterricht.
Dafür setzen wir uns ein!
Quelle: Statistische Landesamt IT.NRW (11. Februar 2013), online::
/
Westfalen-heute/statistiken/
NRW inklusiv“ hat, ein „Inklusionsbeirat NRW“
konstituiert. Im Rahmen dieses Inklusionsbei-
rats sollen vier Fachbeiräte gebildet werden,
die diesem Inklusionsbeirat zu bestimmten
Themenfeldern zuarbeiten sollen. Für den
Fachbeirat „Schule und Bildung“ (Geschäfts-
führung MSW) gibt es bisher keinen Termin
für eine Konstituierung – offensichtlich ist es
ein Problem, aus dem großen „Gesprächskreis
Inklusion“ mit mehr als 100 Teilnehmerinnen
und Teilnehmern einen arbeitsfähigen Fach-
beirat zu machen.
In den Medien wird berichtet, der ganze Pro-
zess sei jetzt um ein Jahr verschoben, nachdem
der Gesetzentwurf im Dezember nicht in den
Landtag eingebracht worden ist. Wir stellen
fest: An dem sich ständig beschleunigenden
Prozess – den man auch als „Wildwuchs“
bezeichnen könnte – hat sich gar nichts ge-
ändert. Der uns bekannte Referentenentwurf
soll mit Änderungen im März oder im April
in den Landtag eingebracht werden. Zuge-
sagt ist auch, dass es zum Gesetzentwurf ein
sogenanntes Kostenblatt geben wird, in dem
ein Gesamtbudget benannt ist. Die Fragen zur
neuen Steuerung der Ressourcen bzw. zur Be-
wirtschaftung von zusätzlichen Stellen bleiben
allerdings weiter offen.
Dorothea Schäfer
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