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nds 2-2013
B e a m t e r u n d u m d e n A r b e i t s p l a t z
Die
Wissensecke
Wer führt Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst?
Die Tarifführerschaft im öffentlichen Dienst obliegt der Gewerkschaft ver.di.
Tarifforderungen, die erhoben werden, werden zwischen ver.di und den anderen DGB-
Gewerkschaften, die im öffentlichen Dienst organisieren, abgestimmt. Die GEW hat
ver.di Vollmacht erteilt, die Tarifverträge im öffentlichen Dienst für sie mit zu unter-
zeichnen. Diese Vollmacht müsste vor Abschluss eines neuen Tarifvertrages entzogen
werden, damit der Tarifvertrag für die GEW-Mitglieder nicht abgeschlossen wird.
Für wen werden Tarifverhandlungen geführt?
Tarifverhandlungen werden für die Gewerkschaftsmitglieder geführt, die unter
den gekündigten Tarifvertrag bzw. unter die Tarifforderungen fallen. Nichtgewerk-
schaftsmitglieder können keinen Rechtsanspruch aus dem Tarifvertrag ableiten.
(Allerdings wird von den Arbeitgebern, auch von dem öffentlichen Arbeitgeber,
der Tarifvertrag über eine arbeitsvertragliche Bezugnahme auch für Nichtgewerk-
schaftsmitglieder zur Geltung gebracht).
Was ist ein Warnstreik?
Ein Warnstreik ist eine zeitlich befristete, kurze Arbeitsniederlegung während laufender
Tarifverhandlungen nach Ablauf der empfohlenen im Tarifvertrag vereinbarten Frie-
denspflicht. Mit Warnstreiks wollen Gewerkschaften ihren Forderungen in den laufenden
Tarifgesprächen Nachdruck verleihen. Warnstreiks sind nach der Rechtsprechung des Bun-
desarbeitsgerichts zulässig. Ein Warnstreik darf nicht gegen die Friedenspflicht verstoßen,
d.h., er darf nicht erfolgen, so lange noch ein nicht abgelaufener Tarifvertrag existiert.
Aktueller Tarifkonflikt mit der Tarifgemeinschaft der Länder: Keine Friedens-
pflicht mehr für die Erkämpfung eines neuen Tarifvertrages zu Urlaubs- und Weih-
nachtsgeld und für die Arbeitszeitregelung im BAT. Dies bietet die Grundlage
dafür, dass keine Verletzung der Friedenspflicht vorliegt.
Wer darf an einem Warnstreik teilnehmen?
Der Warnstreik ist ein verfassungsrechtlich geschutztes Grundrecht (Artikel 9,
Abs. 3 des Grundgesetzes). An einem Warnstreik dürfen auch Nichtmitglieder der
Gewerkschaft teilnehmen. Sollte es zu Lohnkürzungen des Arbeitgebers kommen,
erhalten Nichtmitglieder allerdings keine Streikunterstützung. Die Teilnahme
an einem rechtmäßigen Streik stellt keine Verletzung des Arbeitsvertrages dar.
Maßregelungen (z. B. Ermahnung, Abmahnung oder Kündigung) durch den
Arbeitgeber wegen der Teilnahme an einem Streik sind verboten. Der bestreikte
Arbeitgeber darf deshalb streikenden Arbeitnehmern nicht kündigen.
Nach Ende des Streiks besteht ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Während
des Streiks ruht das Arbeitsverhältnis. Die Arbeitnehmer brauchen keine Arbeits-
leistung zu erbringen. Ein Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht für die Dauer des
Streiks nicht. Der Arbeitgeber kann daher das Gehalt kürzen, wenn er die Teilnahme
am Streik schlüssig nachweisen kann. Eine Verpflichtung zur Nacharbeit der durch
den Streik ausgefallenen Arbeitsstunden besteht nicht.
Dürfen befristet Beschäftigte streiken?
Ja. Auch Beschäftigte, die nur für eine befristete Zeit beschäftigt sind, sind
normale Beschäftigte mit einem Streikrecht und dürfen streiken. Ihnen dürfen
auch keine Nachteile, wie z.B. die Androhung von der Nichtverlängerung ihres
Vertrages, wegen eines rechtlich korrekten Streiks auferlegt werden. Im Gegensatz
zu den unbefristet angestellten Arbeitnehmern sind sie auf Grund ihrer ungewissen
Perspektive dem Druck des Arbeitgebers stärker ausgesetzt und auch rechtlich nicht
genügend abgesichert, da die Beweispflicht bei der/dem Arbeitnehmer/in liegt.
Eine Streikbeteiligung kann daher nur selbst abgewogen und entschieden werden.
Es ist ihnen daher bei einer Streikbeteiligung sicherlich großes Lob zu zollen.
Müssen Weisungen von Vorgesetzten befolgt werden?
Wer im Warnstreik oder Streik seine Arbeitskraft niederlegt, ist nicht an Wei-
sungen des Arbeitgebers gebunden. „Notdienstarbeiten“ dürfen vom Arbeitgeber
nicht einseitig organisiert werden, sie müssen vom Arbeitgeber mit der streikführen-
den Gewerkschaft organisiert werden. Schule: Unterrichtsausfall und Vertretungsun-
terricht ist keine Notdienstarbeit.
Was ist ein Erzwingungsstreik?
Ein Erzwingungsstreik wird grundsätzlich bis zur Erreichung des Kampfzieles ge-
führt. Erst wenn Tarifverhandlungen offiziell für gescheitert erklärt und der Schlich-
tungsspruch einer neutralen Schlichtungskommission abgelehnt worden ist, erlischt
die Friedenspflicht. Die Einleitung eines Streiks bedarf dann noch von gewerk-
schaftlicher Seite her des Streikbeschlusses des Hauptvorstandes. In der Regel wird
zuvor eine Urabstimmung durchgeführt (auch bei der GEW), in der 75 Prozent der
Abstimmenden für Arbeitskampfmaßnahmen stimmen müssen. Zur Urabstimmung
werden alle Gewerkschaftsmitglieder aufgerufen, die von der Tarifforderung erfasst
sind. Auch wer nicht an der Urabstimmung teilgenommen hat (z.B. durch Verhin-
derung wegen Krankheit oder Urlaub), kann danach selbstverständlich mitstreiken.
Wie wird gestreikt?
Ein Streik findet nicht zu Hause statt. Üblicherweise findet vor dem bestreikten
Betrieb, der bestreikten Schule oder dem bestreikten Kindergarten eine Versammlung
der Streikenden statt oder treffen sich alle Streikenden an einem besonderen Kundge-
bungsort. Auf jeden Fall müssen sich Streikende in dem für sie zuständigen Streikbüro
(Untergliederungen der GEW) melden und dort in die Streiklisten eintragen.
Wie hoch ist das Streikgeld?
Die Streikunterstützung für Arbeitskampfmaßnahmen beträgt das dreifache
des monatlichen Mitgliedsbeitrages, zusätzlich 5 Euro für jedes Kind. Voraus-
setzung, um Streikgeld zu erhalten, ist, dass sich der/die Streikende in die
Streiklisten einträgt.
Was ist mit dem Krankenversicherungsschutz?
Für die in der gesetzlichen Krankenkasse Pflichtversicherten, die an einem
Arbeitskampf teilnehmen, besteht ohne zeitliche Begrenzung die Mitgliedschaft
bis zur Beendigung des Arbeitskampfes ohne Beitragszahlung fort. Freiwillig Versi-
cherte (in der privaten oder gesetzlichen Versicherung) müssen dagegen nach wie
vor Beiträge entrichten.
Ist Streikgeld lohnsteuerpflichtig?
Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 24.10.1990 (DB 1991, S.
259) sind Streikunterstützungen steuerfrei. Wie das Arbeitslosengeld wird aber das
Streikgeld in die Berechnung des Steuersatzes einbezogen („Progressionsvorbehalt“).
Was ist mit Erkrankung während eines Streiks?
Wird ein streikender Arbeitnehmer krank, hat er keinen Anspruch auf Lohn-
oder Gehaltsfortzahlung gegen den Arbeitgeber. Kranke Arbeitnehmer müssen
sich im Streikbüro melden. Sie erhalten während der Erkrankung Krankengeld
(gilt für gesetzlich Versicherte). Wer während eines Urlaubs, der vor Beginn des
Streiks gewährt wird, arbeitsunfähig erkrankt, erhält den Anspruch auf Gehalts-
fortzahlung, so lange er sich nicht am Streik beteiligt. Wer arbeitsunfähig erkrankt
und nicht am Streik beteiligt ist, hat Anspruch auf Lohn- bzw. Gehaltsfortzahlung, wenn
er trotz des Streiks hätte beschäftigt werden können.
Ute Lorenz
Fragen und Antworten rund um Tarifauseinandersetzungen
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