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punktlandung 2012.2
Auch sie entfalten vor allem durch das gemeinsame Han-
deln vieler ihre Wirkung.
V
erbraucherverantwortung muss also immer als geteilte
Verantwortung gedacht werden. Gerade deshalb macht
es Sinn, dass Verbraucher sich organisieren, denn dann
können auch sie sehr viel Macht entwickeln und größeren
Einfluss nehmen.
Das Bewusstsein ist eine Sache – das Handeln leider
oft eine ganz andere. Warum ist es so schwer, die Kon-
sumgewohnheiten tatsächlich umzustellen?
K
onsum betrifft uns immer, jeden Tag. Wer da den An-
spruch hat, permanent zu reflektieren und moralisch ein-
wandfrei zu konsumieren, fühlt sich schnell überfordert.
Oft ist es einfach bequemer, das Bewusstsein beiseite zu
schieben und doch zu dem günstigeren T-Shirt zu greifen.
Das ist eine ganz normale Reaktion auf die Widersprüche
und Entscheidungsmöglichkeiten, mit denen wir täglich
im gigantischen Warenangebot konfrontiert werden. Und
so entscheiden wir uns manchmal gegen die Moral und
für die andere, „hedonistische“ Seite. Anreize aus Marke-
ting und Werbung tragen ihren Teil dazu bei.
A
us der komplizierten Entscheidungsarchitektur ergeben
sich für den Konsumenten psychologische Effekte wie
das mental discouting. Es beschreibt das gedankliche
Aufwiegen verschiedener Konsumhandlungen: Wenn ich
eine Energiesparlampe benutze, kann ich das Licht länger
brennen lassen. Wenn ich Bio-Produkte kaufe, kann ich in
den Urlaub fliegen. Dass diese Rechnungen nicht aufge-
hen, liegt auf der Hand.
I
m Bewusstsein der Verbraucher spielen außerdem Zeit
und Geld eine Rolle. Der Weg zum Bio-Supermarkt ist
meist weiter als zu anderen Supermärkten und Biopro-
dukte werden als zu teuer empfunden. Dieses Argument
hinkt allerdings, denn Lebensmittel sind in Deutschland
generell viel zu billig geworden und dem Verbraucher ist
der vernünftige Maßstab abhanden gekommen.
Können Biosiegel dem Konsumen-
ten helfen?
D
as können sie, vorausgesetzt
man kennt sich ein bisschen
mit den Siegeln aus. Das EU-
Biosiegel zum Beispiel – die
sechseckige Wabe – hat sich
durchgesetzt und sichert durch
staatliche Kontrollen Mindeststan-
dards, denen man vertrauen kann.
Außerdem gibt es unabhängige Orga-
nisationen wie demeter oder Bioland,
die über diese Mindeststandards noch
hinausgehen. Eine gute Entscheidungs-
hilfe in der alltäglichen Flut von Produk-
ten und Siegeln ist der Ratgeber „Der
nachhaltige Warenkorb“.
Was braucht es also, damit der verantwor-
tungsvolle Konsum nicht nur ein Wort
bleibt?
I
nformation, Aufklärung und Transpa-
renz sind das A und O. An dieser Stelle
beginnt sozusagen die Verantwortung
von Politik und Wirtschaft für die Verantwortung der Kon-
sumenten. Politik und Wirtschaft tun sich damit noch
schwer. Deshalb ist das Engagement von zivilgesellschaft-
lichen Organisationen so wichtig. Auf politischer Ebene lie-
ßen sich Produktion und Konsum durch eine entsprechen-
de Besteuerung nicht-ökologischer Produkte regulieren.
U
nternehmen müssen ihr Angebot an nachhaltigen
Produkten vergrößern und dabei Produktionsprozesse
verantwortungsbewusst gestalten und transparent ma-
chen. Außerdem sind Unternehmen aufgefordert, sich
alternative Produkte und Versorgungswege zu überlegen.
Die Deutsche Bahn bietet zum Beispiel seit einiger Zeit
immer auch das Car Sharing mit an.
U
nd um dem Verbraucher die „Berührungsängste“ zu
nehmen: Der zu 100 Prozent moralische Konsument
muss gar nicht das Ziel sein. Diesem Anspruch kann man
kaum gerecht werden. Situationen, in denen wir in Wi-
dersprüche geraten und uns gegen den verantwortungs-
bewussten Konsum entscheiden, wird es immer wieder
geben. Aber schon eine Verhaltensänderung in einzelnen
Lebensbereichen ist ein riesiger Gewinn und auch ein Bio-
Warenkorb kann ganz schnell zur Gewohnheit werden.
Imke Schmidt ist wissenschaftliche Mitarbeiterin
im Center for Responsibility Research am
Kulturwissenschaftlichen Institut in Essen
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