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| Trainingslager
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NIEDERRHEINTENNIS
2 | 2016
D
er Begriff mag leicht ne-
gativ besetzt sein, aber die
Tennis-Herren 30 des TC Rot-
Weiß Möllen können mittler-
weile ganz gut damit leben,
wenn sie als Fahrstuhlmann-
schaft bezeichnet werden. So
einAbstieg aus der Bezirksliga,
wie ihn die Möllener in den
letztenJahrenhäufigerhinneh-
men mussten, hat schließlich
auch durchaus positive Aspek-
te.DieChance, inKürzewieder
einenAufstiegfeiernzudürfen,
steigt erheblich. 2015 schaffte
dasTeam,das zueinemgroßen
Teil schon gemeinsam in der
Jugend auf den Filzball ein-
drosch, einmal mehr den
Sprung in die oberste Klasse
auf Bezirksebene. Alles andere
als der erneute Abstieg 2016
wäreeinegroßeÜberraschung.
Eigentlich könnte die Mann-
schaft auch schon längst bei
denHerren 40 antreten, doch
Fahrstuhl inden
Internet-Olymp
die Spieler wollen ihr jüngstes
Mitglied, das den Schritt noch
nichtmitgehenkann, nicht im
Stich lassen. Das hier könnte
also durchaus eine Geschichte
über Teamgeist oder über den
Spaß am Gemeinschaftserleb-
nis Medenspiel sein, doch die
lässt sichmöglicherweise auch
mit anderenVereinenund an-
derenMannschaften erzählen.
Was die Möllener Herren 30
vonallenanderenunterschei-
det, das ist ihre Präsenz im
Netz.UndihrKampfname,der
mittlerweile vielen Tennisfans
im deutschsprachigen Raum
einBegriffist:Sandplatzgötter!
„Da hatte ich wohl an-
scheinendeinenmeinerbesse-
ren Geistesblitze“, schmunzelt
Christian Schwell noch heute,
wenn er an das Jahr 2003
zurückdenkt,alsihmdieselbst-
ironische Wortschöpfung erst-
mals in den Sinn kam. Bei
einem Doppelturnier auf der
heimischen Anlage hatten ein
paar Mannschaftsmitglieder
zusammengesessen und be-
schlossen, dass man eine In-
ternetseite brauche. Schwell
nahm sich der Sache an und
landete mit der Idee von den
Sandplatzgöttern einen Voll-
treffer. In der Nachbarschaft
war der neueNamedes Teams
schnell einBegriff, „aberunse-
re Homepage war lange Zeit
nichtmehralseinGagundhat-
te keinen Anspruch, größer zu
werden“, erinnert sichSchwell.
Während der kurzen Meden-
spielsaisonhieltendie „Götter“
ihrekleineAnhängerschaftmit
amüsanten Rückblicken auf
ihre Partien auf dem Laufen-
den, doch die längste Zeit des
Jahres herrschte schlichtweg
Funkstille.
Irgendwann kam Schwell
dann–fürdeutscheVerhältnis-
se– relativ frühprivatmitdem
sozialen Netzwerk Facebook in
Kontakt. „IchhabedasPotenzi-
al damals aber null erkannt“,
erzählt der Webdesigner, der
später jedoch für Kunden
Facebook-Auftritte anbot und
schließlich auch eine für sein
Tennisteam ins Leben rief. Es
bliebdortnichtnurbei Infoszu
den eigenen Medenspielen,
sporadisch streute „Schwelli“,
wie die treibende Kraft der
Internetaktivitäten von seinen
Kollegennurgerufenwird, jetzt
auchKommentare zuMatches,
die er im Fernsehen verfolgt
hatte, ein. Undwas derMölle-
ner Altersklassenspieler zu
sagenhatte, kamscheinbar an.
MehrundmehrTennisfreunde
wurden zu Fans der Seite.
„Dann waren es irgendwann
1000 Fans, die Sache hat sich
ein bisschen verselbstständigt
und ist schnell weiter gewach-
Göttergeschichten
Durch den sogenannten Becker-Boom ist
der überwiegende Teil der Sandplatzgöt-
terMitte der achtziger Jahre zumTennis
gekommen, verfolgte auch intensiv die
Übertragungen imTV. Das Interesse am
Filzball imFernsehen sank zwischenzeit-
lich. Mittlerweile schaut Christian Schwell
aber so viel wie nie zuvor und ist auch
dank Livestreams immer über das
Geschehen bei den einzelnen Turnieren
informiert. Der
Macher des Sand-
platzgötter-Auftritts
sieht sich gegenüber
den Fans der Seite
längst in einer Bring-
schuld und betreibt
mindestens semipro-
fessionellen Auf-
wand, der auch ent-
lohnt werdenmuss. „Als reines Hobby
kann ich das nichtmehr leisten“, sagt
Schwell, der seit kurzemauch für die
renommierte Fachzeitschrift „tennismaga-
zin“ eine regelmäßige Kolumne verfasst.
Über Tennis und seine Anhänger hat
Schwell in den letzten Jahren viel
gelernt. Dass es inDeutschland aber
immer noch eine derart große Gruppe
von Fans gibt, die sich täglichmit dem
Sport und den Ereignissen auf der Tour
auseinandersetzen, hat ihn schon ver-
wundert. Fast schon einwenig suspekt
ist demWebdesigner die Verehrung, die
vor allemRoger Federer entgegen
gebracht wird: „Viele verwechseln da
meinerMeinung nach Ästhetikmit
Talent. Seine einhändige Rückhand
macht natürlich großen Eindruck, aber
ichwürde zumBeispiel sagen, dass ein
Rafael Nadal genauso talentiert ist.“ Ab
und anmacht sich Schwell den Spaß
und lässt kleine Spitzen gegen „Sir
Roger“ und den umden Schweizer
betriebenen Kult los, umsich dann am
Echo seiner Verehrer zu erfreuen.
Während derMedenspielsaison gibt es
nicht nur auf Facebook, sondern eben-
falls auf der neu gestalteten und als
Ergänzungmit weiterenMöglichkeiten
gedachten Internetseite
auchwieder
die Berichte von den Partien der Bezirks-
liga-Herren 30 aus demVoerder Ortsteil
Möllen, die genauwie die Infos zu den
Profis auf erstaunlich großes Interesse
stoßen. Schwell: „Für diese Saisonwerde
ichwohl ein Problemhaben, denn es
sieht danach aus, alswürdenwirWoche
fürWoche eine Klatsche kriegen, und ich
Fahrstuhl nach oben: Die Sandplatzgötter spielen imSommer wieder
in der Bezirksliga.