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Stadt-Zeitung03/2017
 GEW StadtverbandDüsseldorf
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Als ich nach meiner Referendarzeit in
einerHauptschule inDüsseldorf-Unter-
rath anfing, gab es dort einen netten,
alten Kollegen. Er fiel mir auf, weil er
Modelleisenbahnen sammelte und
kurz vor seiner Pensionierung mein-
te: „Mit Eurem modernen Zeug wie
Projektunterricht und Gesamtschule
komme ich nicht mehr klar, das brau-
che ich nicht mehr…, ich freue mich
jetzt aufmeinenRuhestand…“.
Nach 40 Jahren Dienstzeit muss ich
über mich selber lächeln: Ich sammle
Modelleisenbahnen und komme mit
dem modernen Zeug „Inklusion“ und
G8nichtmehrklar...und freuemichauf
den1.9. 2017 – erstaunlicheParallelen
!Wie schnell dasdochalles ging.
Es gibt Schönes undUnschönes,Wich-
tiges und Unwichtiges, Lustiges und
Trauriges in den 40 Jahren Lehrer-
Dasein–etwasdavonwill ich verraten.
Kinderpsychologie
Die Kinder sind anstrengender gewor-
den, der Job längst kein „Halbtagsjob“
mehr (war er sicher auchnie!!) und als
verantwortungsvoller Pädagoge geht
manoftandieGrenzendes Leistbaren.
Im Laufe der Jahre habe ich den Ein-
druck bekommen, dass fast alle, die im
Bildungsbereich arbeiten und ihre Sa-
che ernst nehmen irgendwann an ihre
Grenzen kommen oder sie überschrei-
ten. „Burnout“heißt das jaheute.
Ermuntert haben mich immer wieder
meine Kinder, die erwartungsvollen
Augen und die nie abzunehmende
Energie. Einige von Ihnen besuchen
mich immer noch zu Hause oder in
der Schule, aus vielen ist (doch) etwas
geworden, und das ist schließlich der
größteDank.
Im Verhältnis zu früher sind mehr
Kinder auffällig: ADHS, Dyskalkulie,
motorische Unruhe, Streitsucht und
Medienabhängigkeit sind nur einige
Stichwörter. Jedoch muss man zur
Verteidigung sagen: Die Kinder sind so
„kaputt“ wie unsere Gesellschaft, sie
sind nur ein Spiegelbild der Erwachse-
nenwelt, eine Art „Quittung“ für Ver-
säumtes, abersiesindein„hoherPreis“
und sie sindesnicht selber schuld.
Humor
Darum erinnere ichmich lieber an die
lustigenDingeder 40Arbeitsjahre.
So mussten z.B. drei Jugendli-
che bei der Abschlussfahrt in der
Jugendherberge(Klasse 9) eine Nacht
in der dreckigen Bettwäsche im Keller
übernachten, weil sie unerlaubter-
weise den Mädchentrakt aufgesucht
hatten, ich bei nächtlichem Lärm un-
wissend den Rückweg zugeschlossen
hatte und sie auf keinen Fall auffallen/
sichbemerkbarmachenwollten.
Bei einer anderen Gelegenheit hatte
ich einen Jungen aus der Klasse 4 auf
der Toilette der Eishalle vergessen,
wohl dann auch noch nicht richtig ge-
zähltundsomusstederganzeBusnach
2Kilometernwieder umkehren.
Viel gelacht haben wir auch, als eine
Kolleginund icham1.April denKindern
gleich unten am Hauseingang mitge-
teilt haben, wir hätten einen neuen
Backigeht
40 JahreSchule : ZwischenSummerhill und Inklusion… (einLehrer ziehtBilanz)
VonMichael Backhaus
 SCHulpolitik
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