nds201401_onlineplus - page 3

3
nds 1-2014
Dr. Catarina Katzer
Expertin für Kommissionen
des Europarates, des
Deutschen Bundestages und
Regierungsinstitutionen im
In- und Ausland sowie Mit-
gründerin des Vereins Bünd-
nis gegen Cybermobbing
Kompetenz im World Wide Web
Das Internet ist eine global agierende Datenautobahn, sozialer Treffpunkt, Informationspool
und vieles mehr. Doch die vielen positiven Auswirkungen dürfen allen NutzerInnen nicht den
Blick vor den Gefahren verschließen, die insbesondere für das junge Publikum auf dem Kommu-
nikationsmarkt der Cyberwelt lauern: Kinder und Jugendliche werden dort zunehmend Opfer
von unangenehmen Erlebnissen. Cybermobbing ist kein Einzelfall, sondern findet täglich statt
im World Wide Web.
Gerade Mobbing unter SchülerInnen spielt sich immer häufiger vor aller Augen im virtuellen
Raum ab. So werden Gerüchte, Verleumdungen, Beleidigungen oder Hetzkampagnen sowie
herabsetzende Kommentare auf Facebook, in Chatrooms oder über Mobiltelefone verbreitet – es
handelt sich dabei um sogenannte Ehrschutzdelikte (Strafgesetzbuch). Auch Fotos und Handy-
filme von MitschülerInnen in unangenehmen und peinlichen Situationen oder Prügelszenen, die
über Instagram oder YouTube veröffentlicht werden, zählen dazu. Ebenso wie die Erstellung von
„Fakeprofilen“ im Namen bestimmter Jugendlicher und Hassgruppen in sozialen Netzwerken.
Weltweit werden nahezu ein Drittel der unter 18-Jährigen regelmäßig Opfer von Cyber-
mobbingangriffen. An Berufs- und Hauptschulen tritt Cybermobbing am häufigsten auf. Doch
die Differenz zu den Vorfällen an anderen Schulformen ist nicht groß. Und: Die TäterInnen und
Opfer werden immer jünger. Fast ein Fünftel der deutschen Grundschullehrkräfte hat bereits von
Cybermobbingfällen gehört. Nahezu unerträglich wird es für die Opfer, wenn ihre Freunde, ihre
LehrerInnen, ihre Eltern oder sogar ihr Ausbildungsbetrieb die Schikanen im Netz mitbekommen.
Oft wissen die Opfer nicht, wer dahintersteckt. Die psychischen Folgen sind vielfältig: Angst,
Hilflosigkeit, Vereinsamung, verletzt sein. Bei einigen Opfern sind aggressive Entladung oder
Suizidversuche Folgen des Cybermobbings. Mindestens 20 Prozent der Mobbingbetroffenen lei-
den dauerhaft unter den Erlebnissen und können diese auch nach längerer Zeit nicht vergessen.
Mobbing hat heute eine ganz neue Qualität.
Die Gründe für Cybermobbing sind verschieden: An erster Stelle stehen Spaß und Langeweile.
Doch auch Rache ist ein Motiv. Zum Beispiel für Mobbingopfer aus der realen Welt, die sich
dort nicht trauen, sich zu wehren. Allerdings spielt auch Nachahmungsverhalten eine Rolle. Das
Erlernen von aggressivem Verhalten über das Internet sollte die Gesellschaft nicht nur deshalb
mehr beschäftigen. Neben Unbeliebtheit, geringem Selbstwertgefühl oder Cyberfixiertheit kann
auch das eigene Verhalten Cybermobbing auslösen: Wer online zu viel von sich preisgibt oder
persönliche Probleme der Allgemeinheit zugänglich macht, erhöht das Risiko Opfer zu werden.
Junge Menschen machen sich unter anderem mit dem sogenannten Sexting angreifbar. Denn
dabei verbreiten sie online erotische Fotografien von sich selbst.
Das Internet stellt Schule und Bildung vor neue Herausforderungen. Wie kann Cybermob-
bing nun vorgebeugt werden? Wichtige Antworten liegen bereits vor: Die Mehrheit deutscher
Lehrkräfte ist sich der Problematik bewusst, fühlt sich aber nicht kompetent genug, mit dem
Thema professionell umzugehen. Gefordert werden mehr Unterstützung von der Schulleitung,
Angebote von ExpertInnen außerhalb des Schulbetriebes, besseres Unterrichtsmaterial und
Lehrerfortbildungen. Ein eigenes Unterrichtsfach zur Medienerziehung wird sogar von 75 Pro-
zent der deutschen LehrerInnen befürwortet.
Kinder und Jugendliche wünschen sich mehr Unterstützung von Freunden, von LehrerInnen
und Eltern und sie fordern mehr Aufklärung, Trainings, Projekte und Betreuung an Schulen,
Peers als Cyber-Guides sowie MobbingberaterInnen im Netz und in ihrem realen Umfeld. Ein
ganzheitliches Präventionsmanagement und keine einzelnen Aktionen, die hin und wieder statt-
finden, sind dazu unabdinglich.
Catarina Katzer
1,2 4,5,6,7,8,9,10,11,12,13,...40
Powered by FlippingBook