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bildung
Es ist die Leitlinie des nordrhein-westfälischen Landeshaushaltes
für 2014 und gilt eigentlich als Tugend: das Sparen. Doch hinter je-
dem gesparten Euro verbirgt sich auch ein Euro Schulden. Hinter dem
Reichtum der Wenigen verbirgt sich die Armut der Vielen – ein Zustand,
der ohne Steuererhöhung und ohne neue Staatsverschuldung für die Zukunft
konserviert ist. Wirtschaftswissenschaftler Professor Dr. Heinz-J. Bontrup über
die Schuldenbremse, die eigentlich eine Schuldenfalle ist, und Alternativen.
Sparen ist für den Einzelnen eine Tugend.
Wenn man es denn kann. Die meisten sind
dazu wirtschaftlich gar nicht in der Lage. Ihr
Arbeits- oder Sozialeinkommen reicht fürs Spa-
ren nicht. Es geht alles für den Konsum und
die Daseinsfürsorge drauf. Viele müssen sich
sogar verschulden beziehungsweise Kredite
bei denen aufnehmen, die sparen können,
die Überschüsse erzielen. Dafür verlangen
die Kreditgeber von den Kreditnehmern Zin-
sen. Als Begründung führt die herrschende
ökonomische Lehre – geradezu zynisch – ei-
nen „Konsumverzicht“ an. Die vermögenden
Kreditgeber arbeiten dabei für viele Erträge
(Zinsen, Dividenden, Mieten und Pachten)
nicht einmal mehr. Sie lassen, wie jeder Un-
ternehmer für seinen Gewinn auch, andere für
sich beziehungsweise ihre Ertragseinkommen
arbeiten.
So baut sich in einer Gesellschaft immer
mehr Vermögensbestand bei Wenigen auf
und die Massen haben so gut wie nichts.
Reichtum und Armut sind immer zwei Seiten
einer Medaille. Genauso wie in einer Volks-
wirtschaft der Saldo aus Vermögen und Schul-
den immer gleich null ist. Hinter jedem Euro
Geldvermögen auf der ganzen Welt verbirgt
sich in jeder Sekunde ein Euro Schulden. Das
heißt, die Reichen können nur reich sein, weil
andere ihnen den Reichtum durch ihre Ver-
bindlichkeiten, sprich Schulden, verschaffen.
Exportschlager mit Nebenwirkungen
In diesem Jahr werden in Deutschland von
einem verfügbaren Einkommen in Höhe von
2.458 Milliarden Euro gut 2.175 Milliarden
konsumiert und damit 283 Milliarden ge-
spart. Diese Ersparnis ist, wie in jedem Jahr,
bei nur Wenigen hoch konzentriert vorhanden.
Von ihrer Ersparnis werden die Vermögenden
aber 2014 im Inland nur 83 Milliarden Euro
investieren, sodass 200 Milliarden ins Aus-
land gehen und da eine profitable Anlage
suchen. Dies bedeutet, dass sich das Ausland
– die übrige Welt – bei reichen Deutschen
weiter, wie schon in der Vergangenheit, ver-
schulden wird. Nur seit der Wiedervereinigung
von 1991 bis 2012 sind hier in Summe 1.186
Milliarden Euro, jedes Jahr 53,9 Milliarden
Euro an Schulden von Ausländern bei Deut-
schen als Vermögen aufgelaufen. Dies ist die
volkswirtschaftliche Gegenbuchung für die
deutschen Exporterfolge, für die Leistungs-
bilanzüberschüsse, die automatisch zu Kapi-
talimporten im Ausland und somit zu einer
Verschuldung führen.
Der Exporterfolg der Deutschen wird dabei
aber teuer erkauft. Erstens leben dadurch die
Deutschen unter ihren Produktionsverhältnis-
sen. Sie konsumieren weniger als sie produ-
zieren. Zweitens exportieren die Deutschen
damit ihre Arbeitslosigkeit, weil die Ausländer
umgekehrt mehr konsumieren als sie selbst
herstellen. Ihre Importüberschüsse treiben sie
immer mehr in die Verschuldung. Drittens fällt
in der deutschen Binnenwirtschaft aufgrund
hoher bestehender Massenarbeitslosigkeit
und einer zusätzlichen Unterbeschäftigung
von Arbeitenden sowie einer in Folge gigan-
tischen Umverteilung von den Arbeits- zu den
Besitzeinkommen (Gewinne, Zinsen, Mieten
und Pachten) kaufkräftige Nachfrage aus.
Die Umverteilung belief sich dabei allein von
2001 bis 2012 auf gut 1.023 Milliarden Euro
zu Lasten der abhängig Beschäftigten.
Der Staat spielt den Lückenfüller
Dies wiederum hat zwei Wirkungen: Die
Ausgaben für den privaten Konsum und die
davon überwiegend abhängigen privaten In-
vestitionen sind in Relation zum verfügbaren
Sparpolitik und Schuldenbremse
Finanzpolitik in der Schuldenfalle
Zum Weiterlesen
Heinz-J. Bontrup:
Krisen-Kapitalismus
und EU-Verfall
PapyRossa-Verlag, 2013, 231 Seiten,
ISBN: 978-3-89438-537-8, 15,90 Euro
Foto: istockphoto.com
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